Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §16;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §16;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist abgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 1997 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1995 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 24. März 1995 gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen und unter Spruchpunkt II. die Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Die belangte Behörde hat folgenden Sachverhalt als im Wiedereinsetzungsverfahren bescheinigt und erwiesen angenommen:
"Am 2. 2. 1995 übernahm der nunmehrige Berufungswerber eine Aufforderung zur Rechtfertigung, mit der ihm Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in zwei näher geschilderten Fällen zur Last gelegt wurden, und zwar zur Zl. MBA 15-S 11601/94.
Am 13. 4. 1995 übernahm die Gattin des Berufungswerbers an der gemeinsamen Wohnadressen in W eine RSb-Sendung, welche ein Straferkenntnis vom 24. 3. 1995 zur verfahrensgegenständlichen Zl. MBA 15-S 11601/94 beinhaltete. Gleichzeitig wurde auch ein zweites Straferkenntnis und andere Post wie Werbeprospekte übernommen. Frau K legte die die beiden Straferkenntnisse beinhaltenden Kuvertes mit der übrigen Post auf einen Zeitungsstoß; in der Folge vergaß sie den Berufungswerber vom Einlangen dieser beiden behördlichen Sendungen zu verständigen. In der Folge gerieten die beiden RSb-Briefe unter einen Zeitungsstoß und wurden nach etwa einem Monat mit diesen Zeitungen weggeworfen. Aufgrund des Konkurses jenes Unternehmens, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber war, hatte die Familie K zum damaligen Zeitpunkt massive finanzielle Probleme; weiters gab es familiäre und gesundheitliche Probleme. Frau K ist keine geborene Österreicherin, sondern stammt, so weit dies dem Unabhängigen Verwaltungssenat bekannt ist, aus der ehemaligen UdSSR. Sie wurde erst nach dem Bekanntwerden des Verschwindens der beiden Sendungen anlässlich des Einlangens von diesbezüglichen Mahnungen durch ihren Mann darauf hingewiesen, dass behördliche Schriftstücke sehr wichtig sind und das sie in Zukunft keine Schriftstücke mehr für ihn übernehmen dürfe."
Diesen Sachverhalt würdigte die belangte Behörde im Wesentlichen dahingehend, der Beschwerdeführer sei durch die Handlungsweise seiner Ehegattin wohl außer Stande gesetzt worden, Kenntnis von dem Straferkenntnis zu erlangen, dieses Ereignis könne jedoch objektiv betrachtet nicht als unabwendbar oder unvorhergesehen gewertet werden. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei bis zu der Belehrung über die Wichtigkeit behördlicher Schriftstücke nicht informiert gewesen und habe diese Sendungen offensichtlich in ihrer Wichtigkeit Werbeprospekten gleichgesetzt; derart sei es dazu gekommen, dass die maßgebliche Sendung unter Altpapier geraten und weggeworfen worden sei, ohne dass der Beschwerdeführer davon Kenntnis erlangt habe. Der Beschwerdeführer habe vor dem (als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachten) Ereignis seine Ehegattin über die Bedeutung behördlicher Schriftstücke nicht informiert. Da die Ehegattin in dieser Hinsicht nicht ausreichend informiert gewesen sie, hätte der Beschwerdeführer seine Ehegattin rechtzeitig aufklären, eine entsprechende Behandlung des Posteinlaufes sicherstellen und eine angemessene Kontrolle ausüben müssen. Dass der Beschwerdeführer solche Schritte unterlassen habe, könne ihm nicht als minderer Grad des Versehens angerechnet werden, sondern sei als schwere Fahrlässigkeit zu bewerten. Da das erstinstanzliche Straferkenntnis am 13. April 1995 rechtswirksam zugestellt worden sei und die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand nicht vorlägen, sei die erst am 20. Juni 1995 zur Post gegebene Berufung verspätet und daher zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Zustellung gemäß § 22 zweiter Satz AVG auszuübenden Ermessens und auf Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst (im Wesentlichen gleichlautend wie im früheren Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 95/09/0266) gegen die am 13. April 1995 erfolgte Ersatzzustellung mit der Argumentation, diese sei zufolge § 22 zweiter Satz AVG unwirksam. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der dazu vorgetragenen Argumentation aus den im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/09/0266 (welches den Beschwerdeführer und ebenfalls die Ersatzzustellung vom 13. April 1995 betraf) dargelegten Erwägungen nicht zu folgen; zur Vermeidung unnötiger Wiederholung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des genannten (beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten) Erkenntnisses verwiesen. Die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgte somit wirksam und setzte die Berufungsfrist in Lauf. Der Beschwerdeführer hat demnach die Berufungsfrist versäumt, sodass die von ihm beantragte Wiedereinsetzung tatsächlich auch erforderlich war (vgl. insoweit etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022). Der Wiedereinsetzungsantrag wurde vom Beschwerdeführer rechtzeitig binnen 14 Tagen ab der Einsicht in den maßgebenden Verwaltungsstrafakt gestellt; der Zeitpunkt der Zustellung der Mahnung zur Bezahlung der Geldstrafe war für den Beginn des Laufes der Wiedereinsetzungsfrist nicht maßgebend (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1991, Zl. 90/06/0149).
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person durch eine Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie Gewaltanwendungen von außen. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0093, und die darin angegebene Vorjudikatur).
Insoweit die belangte Behörde (auch) die Ansicht vertreten hat, das bescheinigte Ereignis sei "nicht objektiv unabwendbar oder unvorhersehbar" gewesen, ist zu erwidern, dass die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides - diese Unkenntnis lag beim Beschwerdeführer unbestrittenermaßen vor (vgl. zur Wesentlichkeit der Unkenntnis vom Zustellvorgang etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1996, Zl. 95/19/0392 und vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315 u.a.) - einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehen überschreitet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022, und vom 28. Februar 1964 in VwSlg. NF Nr. 6257/A).
Im Beschwerdefall ist bescheinigt, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis durch Ersatzzustellung (im Sinn des § 16 ZustellG) in die Gewahrsame seiner Ehegattin gelangte und der Beschwerdeführer von dieser Ersatzzustellung keine Kenntnis erlangte. Anders als im dem hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/08/0545, zugrunde gelegenen Beschwerdefall konnte der Beschwerdeführer vorliegend die in seinem persönlichen Lebensbereich bestehenden und die konkret zum Verlust des zugestellten Straferkenntnisses führenden Umstände, die zu dieser Unkenntnis von der Ersatzzustellung führten, ausreichend bescheinigen.
Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer jedoch vor, dass er es an der nötigen Sorgfalt gegenüber der Ersatzempfängerin (seiner Ehegattin) habe mangeln lassen und ihm insoweit schwere Fahrlässigkeit anzulasten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass ein minderer Grad des Versehen, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, nur dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an Rechtsunkundige oder an bisher noch nie am Verfahren beteiligte Personen. Wenn die Versäumung einer Frist voraussehbar ist und durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet hätte werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0093, und die darin angegebene Vorjudikatur).
Davon ausgehend hat die belangte Behörde im Beschwerdefall hinsichtlich der gegenüber der Ehegattin als Ersatzempfängerin angenommenen Sorgfalts- und "Aufklärungspflicht" grundlegend verkannt, dass der Beschwerdeführer nicht als beruflicher Parteienvertreter (Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftstreuhänder) tätig gewesen ist, und dass er auch keine organisatorischen Maßnahmen zur Bewirkung von Ersatzzustellung zu treffen brauchte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hat es kein Verschulden dargestellt, wenn an der Abgabestelle des Beschwerdeführers kein geeigneter oder zuverlässiger Ersatzempfänger vorhanden war. Der Beschwerdeführer hatte (als Empfänger) keinen Einfluss darauf, ob die Behörde eine bestimmte Person als Ersatzempfänger ausschließt (vgl. § 16 Abs. 4 ZustellG) und es trifft den Beschwerdeführer als Empfänger für die an seiner Abgabestelle anwesende Person des Ersatzempfängers auch kein "Auswahlverschulden". Bei der Ersatzzustellung hat der Empfänger das - durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behebbare - Risiko zu tragen, das sich aus der Übergabe eines für ihn bestimmen Schriftstücks an einen Ersatzempfänger ergibt, er hat aber nicht zudem für das einen Wiedereinsetzungsgrund bildende Verhalten eines Ersatzempfängers einzustehen (vgl. insoweit die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, Seite 1973 E 36 sowie Seite 1974, E 37 und E 43f wiedergegebene Judikatur). Auch im Unterbleiben von Erkundigungen bei seiner Ehegattin über allenfalls während seiner Abwesenheit erfolgte Zustellungen oder Zustellversuche liegt keine auffallende, die Wiedereinsetzung hindernde Sorglosigkeit (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/11/0392).
Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu einer negativen Sachentscheidung über die Wiedereinsetzungsantrag gelangte, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Da die Berufung verspätet eingebracht wurde und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht bewilligt war, war die Zurückweisung der Berufung als verspätet nicht rechtswidrig (vgl. insoweit nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/11/0392, und die darin angegebene weitere Judikatur). Im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt der Zurückweisungsbescheid gemäß § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft.
Soweit die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung als verspätet richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff insbesondere auch § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. September 1999
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