Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §48 Abs2 Z2;
ZustG §17 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §48 Abs2 Z2;
ZustG §17 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022, zu entnehmen; daraus ist für den vorliegenden Beschwerdefall noch folgendes von Bedeutung:
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 23. Juli 1996 wurden ein Antrag des Beschwerdeführers (ua) auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unbegründet abgewiesen und der Einspruch gegen einen Bescheid über die Haftung des Beschwerdeführers im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG vom 18. Jänner 1996 als verspätet zurückgewiesen. Nach den Feststellungen der belangten Behörde war die Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 durch Einlegen der Verständigung über die Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz in das Hausbrieffach ordnungsgemäß vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, daß die ordnungsgemäß angebrachte Benachrichtigung von der Hinterlegung durch dritte Personen entfernt worden sei. Die Behauptung, weder er noch seine Ehegattin hätten eine Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden, gehe im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 Zustellgesetz ins Leere, sodaß sich die Aufnahme der dazu angebotenen Beweise erübrige. Der ins Treffen geführte Grund zur Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand liege daher nicht vor.
Diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zuvor genannten Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben und darin zur Frage der Wiedereinsetzung ausgeführt, daß die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides entgegen der Auffassung der belangten Behörde einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könne, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruhe, welches den Grad minderen Versehens überschreite. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, im fraglichen Zeitraum keine Kenntnis von einer Hinterlegungsanzeige erlangt zu haben, so werde damit der Sache nach eine solche Unkenntnis vom Zustellvorgang geltend gemacht. Es komme dabei nicht darauf an, ob er auch behaupte, die Hinterlegungsanzeige sei durch dritte Personen entfernt worden; auf welche Weise eine solche Hinterlegungsanzeige verschwunden sei, werde demjenigen, der von einem Zustellvorgang gar keine Kenntnis erlangt habe, in der Regel nicht bekannt sein. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er (bzw. seine Ehegattin) hätten während des gesamten Hinterlegungszeitraumes eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden, würde daher - würde man es für erwiesen halten und würde man ferner annehmen, daß die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt sei - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Ob dies zutreffe, sei durch geeignete Ermittlungen festzustellen, wobei die Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers sowie des Beschwerdeführers selbst durchaus geeignet seien, den Sachverhalt aufzuhellen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Ersatzbescheid vom 27. August 1997 hat die belangte Behörde neuerlich den Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 23. Juni 1996 betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen und den Einspruch gegen den Bescheid vom 18. Jänner 1996 betreffend die Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als verspätet zurückgewiesen.
Nach einer ausführlichen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens gibt die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin wieder: Der Beschwerdeführer habe angegeben, er wohne in einem elf- bis zwölfstöckigen Hochhaus. Die Postfächer befänden sich im Parterre; sie seien verschlossen und nur mit einem Schlüssel zu öffnen. Es gäbe keinen "Postfachschlitz". Außer dem Beschwerdeführer, seiner Frau und dem Briefträger könne niemand das Postfach öffnen. In der Regel entleere seine Gattin das Postfach. Sie nehme die Post aus dem Postfach und trage sie in die Wohnung. Wenn der Beschwerdeführer nach Hause komme, schaue er die Post an. Es sei ihm nicht bekannt, ob seine Gattin seine Post vorsortiere. Er wisse auch nicht, ob sie die Postwurfsendungen aussortiere. Er halte es nicht für möglich, daß die Post in der Zwischenzeit mit anderen Schriftstücken vermengt werde. Es gäbe außer ihm und seiner Ehegattin keine Mitbewohner in der Wohnung. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe als Zeugin angegeben, daß sie (erg.: mit dem Beschwerdeführer) in einem dreizehnstöckigen Haus wohne. Sie sortiere die Post von Postwurfsendungen in der Wohnung aus und gebe sie zum Altpapier. Bis der Beschwerdeführer nach Hause komme, halte sie die Post bereit. Sie halte es nicht für möglich, daß die Post in dieser Zeit mit anderen Schriftstücken vermengt werde. Die Zeugin und der Beschwerdeführer hätten generell wenig Posteingang. Auf die ausdrückliche Frage des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers, ob sie die Post auf amtliche Mitteilungen genau durchsehe, habe die Zeugin geantwortet, ein gelber Zettel würde ihr auffallen. Im übrigen habe sie keine weiteren Ergänzungen anzubringen.
Die belangte Behörde würdigte diese Angaben dahin, daß daraus nicht hervorgehe, daß der Beschwerdeführer seiner Ehegattin "genaue Anweisungen über die vorzulegenden Schriftstücke, insbesondere über die Behandlung amtlicher Schriftstücke, gegeben", noch "ihre diesbezügliche Tätigkeit überwacht oder kontrolliert" habe. Sonst wäre es nämlich nicht denkbar, daß dem Beschwerdeführer nicht bekannt sei, ob seine Gattin die Post vorsortiere oder Postwurfsendungen aussortiere. Aus der Antwort der Zeugin, ob sie die Post auf amtliche Mitteilungen genau durchsehe, habe diese nur angegeben, daß ihr ein gelber Zettel auffallen würde. Diese Antwort könne nur so verstanden werden, daß die Zeugin amtlichen Mitteilungen keine besondere Bedeutung beimesse und nur nach dem äußeren Anschein die Postwurfsendungen aussortiere und zum Altpapier gebe. Da aber bekannt sei, daß gerade gelbes Papier von der Farbe der postamtlichen Hinterlegungsanzeigen sehr häufig auch für Werbezwecke und Einladungen zu Werbeveranstaltungen verwendet werde, bedeute es sicher eine Sorglosigkeit, die ein den Grad minderen Versehens übersteigendes Verschulden darstelle, wenn "die als Postwurfsendungen zu behandelnde Post lediglich nach dem farblichen Anschein aussortiert wird". Da als erwiesen anzunehmen sei, daß die Hinterlegungsanzeige ordnungsgemäß in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei, wovon im übrigen auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis ausgehe, und da weiters keine besonderen Umstände dafür hervorgekommen seien, daß von einem unverschuldeten Verschwinden der Hinterlegungsanzeige gesprochen werden könne, müsse davon ausgegangen werden, daß die Entleerung des Hausbrieffaches, jedenfalls aber die Aussortierung von Postwurfsendungen nicht mit der entsprechenden und auch vom Verwaltungsgerichtshof "laufend geforderten Sorgfalt" vorgenommen worden sei. Gerade die seinerzeitige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer hätte es jedenfalls erforderlich gemacht, daß jene Person, die den Posteingang vorsortiere, ein besonderes Augenmerk auf amtliche Mitteilungen - dazu zählten auch postamtliche Hinterlegungsanzeigen - richte und sich nicht "auf die ins Auge springende Farbe eines Papiers" verlasse, das noch dazu für viele Postwurfsendungen ebenfalls verwendet werde. Die vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin aufgezeigte Vorgangsweise bei der Behandlung des Posteinganges lasse daher nur den Schluß zu, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers die postamtliche Hinterlegungsanzeige mit einem Reklameschreiben verwechselt und aussortiert habe. Da die Ehegattin des Beschwerdeführers "nicht einmal die Anweisung ihres Gatten hatte", die Post auf amtliche Mitteilungen genau durchzusehen und diese allenfalls getrennt bereitzuhalten, handle es sich dabei um ein Versehen, für das der Beschwerdeführer einzustehen habe. Die Beurteilung von Postsendungen nur "nach dem äußeren Anschein und nicht nach dem Text" stelle jedenfalls ein den Grad minderen Versehens übersteigendes Verschulden dar.
Irgendwelche Erklärungen, die das Verschwinden der Hinterlegungsanzeige auf eine andere, nicht als Verschulden zu wertende Weise glaubhaft bzw. möglich erscheinen hätten lassen, hätten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin nicht abgeben können. Die Unkenntnis von der Zustellung beruhe somit auf einem Verschulden, welches den Grad minderen Versehens überschreite und bilde daher keinen Wiedereinsetzungsgrund.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 357 Abs. 1 ASVG gelten für das Verfahren vor den Versicherungsträgern u.a. auch die Bestimmungen der §§ 71 und 72 AVG.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach der Rechtsprechung hat die Partei, welche die Wiedereinsetzung begehrt, einen Wiedereinsetzungsgrund zu behaupten und glaubhaft zu machen (vgl. etwa die bei Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 673 wiedergegebene ständige Rechtsprechung).
Die vorliegende Beschwerde wendet sich im wesentlichen gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden daran zu vertreten, daß ihm - nach seinen Behauptungen - die Zustellung des Bescheides vom 18. Jänner 1996 unbekannt geblieben sei. Die Tatsachenfeststellung der belangten Behörde, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe die postamtliche Hinterlegungsanzeige mit einem Reklameschreiben verwechselt und aussortiert, wird als unschlüssig bekämpft. Auch der Schluß, die Ehegattin des Beschwerdeführers beurteile Postsendungen nur nach dem äußeren Anschein, beruhe auf keinerlei Anhaltspunkten im Ermittlungsverfahren. Ein "mit den rechtlichen Werten hinlänglich vertrauter Rechtsbürger" hätte im vorliegenden Fall nichts anderes als der Beschwerdeführer und seine Ehegattin getan, nämlich eine tägliche Entleerung des Postkastens sowie eine Bereithaltung der Post für den entsprechenden Empfänger in der Wohnung bei Durchführung der Sortierung in der Wohnung und "keineswegs am Hausbriefkasten". Die Behörde vermöge nicht anzugeben, worin ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden liegen solle. Es sei lebensfremd von Ehegatten zu erwarten, einander "Anweisungen über die Inempfangnahme und Aussortierung amtlicher Schriftstücke" zu erteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die Annahme der belangten Behörde, die Unkenntnis des Beschwerdeführers vom Zustellvorgang hinsichtlich des Bescheides vom 18. Jänner 1996 beruhe auf einer leichte Fahrlässigkeit übersteigenden Sorglosigkeit, aus nachstehenden Gründen nicht zu beanstanden ist:
Im Beschwerdefall steht fest, daß die Hinterlegungsanzeige in den innerhalb des Wohnhauses befindlichen Hausbriefkasten des Beschwerdeführers eingelegt wurde. Im fortgesetzten Verfahren ist nicht etwa hervorgekommen, daß die Verschließung dieses Hausbriefkastens unzureichend gewesen wäre, oder auch daß er gewaltsam geöffnet und aus ihm Schriftstücke entwendet worden wären. Der Beschwerdeführer läßt auch unbestritten, daß außer ihm, seiner Frau und dem Briefträger niemand das Postfach habe öffnen können. Damit steht jedenfalls fest, daß die Hinterlegungsanzeige - denknotwendig - in die Gewahrsame des Beschwerdeführers (bzw. seiner Ehegattin) gelangt sein muß.
Steht fest, daß eine Hinterlegungsanzeige in die Gewahrsame der Partei, für welche sie bestimmt ist, gelangt ist, dann muß davon ausgegangen werden, daß diese Partei in der Lage gewesen ist, den Zustellvorgang in Gestalt der Hinterlegungsanzeige wahrzunehmen.
Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, jene Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich konkret darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, daß er von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte. Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens eines in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstückes (hier: der Hinterlegungsanzeige) geht zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es im Wiedereinsetzungsverfahren obliegt, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist geltend zu machen, der nicht durch ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt wurde. Die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis von einem Zustellvorgang, reicht - sofern das Schriftstück oder die Hinterlegungsanzeige in die Gewahrsame des Adressaten gelangt sind (und dies ist bei ordnungsgemäßem Einlegen einer Hinterlegungsanzeige in ein ordnungsgemäß verschließbares und gegen den Zugriff Dritter geschütztes Postbrieffach regelmäßig zu vermuten) - für eine Wiedereinsetzung nicht aus.
Da die behauptete Rechtsverletzung schon aus diesen Gründen nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse konnten für ihren als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz Kosten nicht zugesprochen werden, zumal sich diese Gegenschrift in Verweisen auf die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits, sowie auf die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin und einem Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides andererseits erschöpft. Die Gegenschrift dient - wie aus dem systematischen Zusammenhang mit der Zustellung der Beschwerde in § 36 Abs. 1 VwGG zweifelsfrei ersichtlich ist - der Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen. Wenngleich an den Inhalt einer solchen Gegenschrift keine strengen Anforderungen zu stellen sind, so muß ein solcher Schriftsatz zumindest ansatzweise erkennen lassen, daß er die Widerlegung konkreter Beschwerdeargumente im Auge hat. Ein Schriftsatz, der nicht einmal ansatzweise eine Bezugnahme zum Beschwerdeschriftsatz erkennen läßt, ist nicht anders anzusehen als eine Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift im Sinne der bloß formalen Beantragung der Abweisung der Beschwerde unter Verweisung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Für einen solchen Schriftsatz, mag er auch als "Gegenschrift" bezeichnet sein, gebührt daher kein Kostenersatz.
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