Normen
StVG §107 Abs4 idF 1993/799;
VStG §64;
StVG §107 Abs4 idF 1993/799;
VStG §64;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als damit dem Beschwerdeführer Kosten des (Administrativ-)Beschwerdeverfahrens in Höhe von S 20,-- auferlegt worden.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der (Administrativ-)Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §§ 120, 121 StVG gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt X vom 4. Oktober 1995, mit welchem dem Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von S 1.500,-- als Ordnungsstrafe auferlegt worden war, keine Folge gegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 VStG Verfahrenskosten von S 20,-- auferlegt. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit dem Straferkenntnis des Anstaltsleiters schuldig erkannt worden, am 3. Oktober 1995 als Strafgefangener der Justizanstalt X vorsätzlich eine Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 5 StVG dadurch begangen zu haben, daß er
51 Praxiten-50 Tabletten unerlaubt in seiner Gewahrsame innegehabt habe, weil ihm diese weder bei seiner Einlieferung (in die Justizanstalt) noch später ordnungsgemäß überlassen worden seien. Über ihn sei deshalb die Geldbuße von S 1.500,-- gemäß § 109 Z 4 iVm § 113 StVG verhängt worden. In der (Administrativ-)Beschwerde habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, ihm wären die Tabletten unterschoben worden und er hätte von deren Existenz nichts gewußt. Diese müßten vielmehr von einem anderen Strafgefangenen in seinem Haftraum deponiert worden sein. Dazu habe die Möglichkeit bestanden, weil die Hafträume während der Zeit, in der die Strafgefangenen zur Arbeit ausgerückt seien, mehrere Stunden unversperrt (gewesen) seien. Auch nach der Arbeit (von 14.30 Uhr bis 16.15 Uhr) seien alle Zellentüren geöffnet und die Insassen könnten sich innerhalb der Abteilung frei bewegen. Der Haftraum sei daher während dieser Zeit häufig unbeaufsichtigt, zumal auch er andere Strafgefangene in dieser Zeit in deren Hafträumen besuche.
Die belangte Behörde führte aufgrund dieses Vorbringens ergänzende Erhebungen durch und stellte fest, daß im Haftraum des Beschwerdeführers am 3. Oktober 1995 im Zuge einer Visitierung in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr 51 Praxiten-50 Tabletten (in Alufolie verpackt) in einer Schale in seinem Spind vorgefunden worden seien. Diese Tabletten seien dem Beschwerdeführer weder bei seiner Einlieferung noch später ordnungsgemäß überlassen worden. Dem Beschwerdeführer sei entgegenzuhalten, daß die Hafträume nach dem Ausrücken der Strafgefangenen in die Werkstatt regelmäßig versperrt würden. Dies sei auch damals der Fall gewesen. Den gegenteiligen Mutmaßungen und durch keinerlei konkrete Angaben belegten Behauptungen des Beschwerdeführers könne nicht gefolgt werden. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe den Haftraum nicht vollständig geräumt übernommen, weil sich noch einige Kartons seines Vorgängers in diesem befunden hätten, sei deshalb unbeachtlich, weil die Tabletten in einer Schale in seinem Spind vorgefunden worden seien. Dieser Spind sei auch nach den Angaben des Beschwerdeführers nicht ungeräumt übergeben worden. Die Verantwortung des Beschwerdeführers biete somit keine Erklärung dafür, wie die Tabletten in seinen Spind hätten gelangen sollen. Die Durchsuchung der Hafträume erfolge routinemäßig jeden Morgen und am Tag vor der Entdeckung der Tabletten sei die Kontrolle negativ verlaufen. Es sei zwar richtig, daß in der Zeit zwischen 14.30 Uhr und 16.00 Uhr die Hafträume unversperrt seien, weil sich die Strafgefangenen während dieser Zeit in der Abteilung frei bewegen könnten. Allerdings sei unwahrscheinlich, daß ein anderer Strafgefangener dem Beschwerdeführer die Tabletten in den Spind gelegt hätte, weil derartige Tabletten als Suchtersatzmittel mißbraucht würden und daher einen Preis von bis zu S 100,-- pro Stück in der Anstalt (im Handel unter den Häftlingen) erzielten. Es sei unwahrscheinlich, daß ein Dritter angesichts des Wertes dieser Tabletten diese dem Beschwerdeführer in den Spind gelegt hätte, somit ohne jegliche Sicherheit, sie jemals zurückzuerlangen. Der Beschwerdeführer habe zur Frage der Öffnungszeiten der Hafträume zweimal Zeugen (in seiner Niederschrift vom 29. Mai und 3. Juni 1996) angeboten, tatsächlich jedoch eine solche Namhaftmachung unterlassen. Soweit der Beschwerdeführer erwähnt habe, es seien am 2. Oktober 1995 in der Krankenabteilung Medikamente (60 Stück Tabletten) entwendet worden, sei festzuhalten, daß diese am selben Tag wieder zurückgestellt worden seien, und die darauf Bezug habende Meldung von einem anderen als dem den Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall belastenden Beamten erstattet worden sei.
Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z 5 StVG begehe ein Strafgefangener, der entgegen den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (§ 33 StVG) vorsätzlich Gegenstände in seiner Gewahrsame habe, die ihm weder bei seiner Einlieferung noch später ordnungsgemäß überlassen wurden.
Es folgen noch Ausführungen zur Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z 5 StVG begeht der Strafgefangene, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich Gegenstände in seiner Gewahrsame hat. Nach § 33 Abs. 1 leg. cit. dürfen die Strafgefangenen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben.
Wesentlich für die Lösung der hier gegenständlichen Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer die Ordnungswidrigkeit des § 107 Abs. 1 Z 5 StVG begangen hat, ist somit, ob sich die angeführten Praxiten-50 Tabletten tatsächlich in seinem Spind befunden haben und ob dies dem Beschwerdeführer bekannt war. Nicht entscheidend ist, ob die erwähnten Tabletten dem Vorgänger des Beschwerdeführers gehörten und im betreffenden Einzelhaftraum nach dessen Entlassung zurückgelassen wurden oder aber vom Beschwerdeführer selbst - auf welche Art auch immer - entgegen den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes angeschafft worden waren. Insoweit der Beschwerdeführer daher auf die zurückgelassenen Kartons mit Elektromaterialen seines Vorgängers verweist, ist dieser Umstand aus rechtlicher Sicht nicht relevant, weil es auf die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der Praxiten-50 Tabletten für die Verwirklichung des Tatbildes des § 107 Abs. 1 Z 5 StVG nicht ankommt. Der Beschwerdeführer konnte diesfalls nicht davon ausgehen, daß ihm derartige Tabletten deshalb im Sinne des § 33 StVG überlassen worden sein könnten. Dies behauptet er auch selbst nicht.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe
"die Tabletten niemals in seiner Gewahrsame (gehabt), da er von deren Existenz nichts wußte. Die Tabletten sind entweder vom Vorgänger des Beschwerdeführers im Haftraum 67 vergessen oder von einem Mithäftling ohne Wissen des Beschwerdeführers in dessen Haftraum verwahrt worden. Es ist weiters nicht völlig auszuschließen, daß der Justizwachebeamte BI S die am Vortag aufgefundenen Tabletten am 3. Oktober 1995 im Haftraum des Beschwerdeführers ein zweitesmal 'aufgefunden' hat".
Demgegenüber ist die belangte Behörde in ihren Feststellungen davon ausgegangen, daß "der Beschwerdeführer die Tabletten dort (im Spind seines Haftraumes) selbst deponiert hat".
Die Beweiswürdigung ist nach ständiger hg. Rechtsprechung ein Denkprozeß, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 549, abgedruckte hg. Judikatur).
Insoweit der Beschwerdeführer mit seinem Beschwerdevorbringen unterstellt, der die Haftraumkontrolle durchführende Beamte habe einen Amtsmißbrauch begangen, indem er das Auffinden der Praxiten-50 Tabletten nur vorgetäuscht habe, um den Beschwerdeführer (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) wissentlich einer von ihm nicht begangenen Ordnungswidrigkeit bezichtigen zu können, ist anzumerken, daß dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals vorgebracht wird. In der (Administrativ-)Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer für das Vorhandensein der Tabletten im Zeitpunkt der Kontrolle seines Haftraumes als Möglichkeit angegeben, daß diese entweder von dem Vorgänger des Beschwerdeführers in diesem Haftraum zurückgelassen worden seien oder aber daß sie ein anderer Strafgefangener in Abwesenheit des Beschwerdeführers in dessen Spind deponiert haben könnte. Der Beschwerdeführer hatte hingegen nicht ausdrücklich behauptet, daß das Auffinden dieser Tabletten vom kontrollierenden Beamten nur vorgetäuscht worden sein könnte. In der vorliegenden Beschwerde werden auch keine näheren Gründe dafür angegeben, warum ein Beamter derartiges zum Nachteil des Beschwerdeführers hätte vortäuschen sollen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß derartige Tabletten, die unbestritten in Strafvollzugsanstalten als Suchtgiftersatzmittel unter Strafgefangenen gehandelt werden, am Tag vor dem Entdecktwerden in seinem Spind aus der Krankenanstalt entwendet worden seien, ist auf das im Bescheid festgehaltene, nicht bekämpfte Ermittlungsergebnis hinzuweisen, wonach die am 2. Oktober 1995 in der Krankenabteilung entwendeten Medikamente noch am selben Tag wieder zurückgestellt worden seien. Demgegenüber seien die den Gegenstand der Ordnungswidrigkeit bildenden Tabletten anläßlich einer Haftraumvisitierung am 3. Oktober 1995 vorgefunden worden.
Der Beschwerdeführer hat seinen Haftraum bereits am 1. September 1995 bezogen. Die Feststellung der Behörde, daß ihm während des bis zum 3. Oktober 1995 verstrichenen Zeitraumes von seinem Vorgänger zurückgelassene Tabletten in seinem Spind hätten auffallen müssen, steht mit dem allgemeinen Erfahrungsgut nicht in Widerspruch. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren im übrigen selbst nicht behauptet, daß sich Gegenstände seines Vorgängers noch in dem ihm übergebenen Spind befunden hätten. Die Annahme der belangten Behörde, die gegenständlichen Tabletten stammten nicht vom Vorgänger des Beschwerdeführers im Haftraum, begegnet somit im Rahmen der in der Frage der Beweiswürdigung eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken. Ebenso ist auch die weitere Schlußfolgerung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer seien die erwähnten Tabletten nicht von einem anderen Strafgefangenen "unterschoben", sondern von ihm selbst in seinem Spind deponiert worden, nicht als unschlüssig anzusehen. Die belangte Behörde hat einerseits darauf verwiesen, daß die Hafträume nach deren Verlassen durch die sich zum Arbeitseinsatz begebenden Strafgefangenen grundsätzlich versperrt würden, was auch in der Beschwerde zugestanden wird. Andererseits wurde im angefochtenen Bescheid die "theoretische" Möglichkeit eingeräumt, daß ein anderer Strafgefangener unbemerkt in den Haftraum des Beschwerdeführers hätte gelangen können. Die belangte Behörde hat aber durchaus nachvollziehbar und schlüssig begründet, warum sie es nicht als wahrscheinlich ansah, daß ein anderer Strafgefangener die Tabletten in den Spind des Beschwerdeführers gelegt hätte. Es ist auch nicht ohne weiteres einsichtig, warum ein Häftling, der sich bereits solche Tabletten in einem für den Handel in Strafvollzugsanstalten nicht unerheblichen Wert auf eine unzulässige Art verschafft hätte, diese in einer für den Beschwerdeführer ersichtlichen Art mit dem hohen Risiko des Verlustes deponiert haben sollte. Hinzu kommt, daß diese Tabletten in diesem Fall nur am 2. Oktober 1995 in dem Spind des Beschwerdeführers hätten deponiert werden können, weil sie ansonsten dem Beschwerdeführer wohl schon vor der Kontrolle am 3. Oktober 1995 aller Voraussicht nach hätten auffallen müssen. Eine konkrete Begründung für die Abwesenheit des Beschwerdeführers aus seinem Haftraum für diesen Tag, bei welchem Gefangenen er allenfalls "zu Besuch" gewesen sei, wurde nicht vorgebracht. Wenn die belangte Behörde davon ausgehend unter Bedachtnahme auf die Vorstrafe des Beschwerdeführers wegen Suchtgiftdelikten dazu gelangte, der Beschwerdeführer selbst habe diese Tabletten vorsätzlich in seiner Gewahrsame gehabt, so sind diese Erwägungen keinesfalls unschlüssig.
Da die Beschwerde sich nicht konkret gegen die Art und die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Ordnungsstrafe wendet, kann insoweit auf die Begründung im bekämpften Bescheid verwiesen werden. Angesichts der mit dem Besitz von Suchtgiftersatzmitteln verbundenen nicht unerheblichen möglichen Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung in einer Strafvollzugsanstalt sowie des höheren möglichen Strafrahmens kann auch nicht gefunden werden, daß die Behörde die Strafbemessung gesetzwidrig vorgenommen hätte.
Die Beschwerde ist allerdings hinsichtlich des Kostenausspruches im Straferkenntnis berechtigt. Die Kostenentscheidung wurde von der belangten Behörde - gleichlautend mit der Entscheidung des Leiters der Justizanstalt - auf § 64 VStG gestützt. Durch die Novelle zum StVG, BGBl. Nr. 799/1993, wurde aber im § 107 Abs. 4 StVG ausdrücklich klargestellt, daß für Ordnungswidrigkeiten (nur) die allgemeinen Bestimmungen des VStG zu gelten haben. § 64 VStG liegt seiner systematischen Einordnung nach in Teil IV (Straftilgung, Besondere Verfahrensvorschriften, Verfahrenskosten) des VStG und findet daher im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0062). Insoweit war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Da die Beschwerde somit teilweise erfolgreich war, war dem Beschwerdeführer der Aufwandersatz im gesetzlichen Ausmaß gemäß §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 zuzuerkennen.
Wien, am 25. März 1999
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