Normen
AVG §67a Abs1;
B-VG Art129a Abs1;
EGVG Art2 Abs2 B Z32;
EGVG 2008 Art2 Abs6;
StVG §107 Abs1;
StVG §107 Abs4 idF 1993/799;
StVG §107 Abs4;
StVG §121 Abs1;
VStG §51 Abs1;
AVG §67a Abs1;
B-VG Art129a Abs1;
EGVG Art2 Abs2 B Z32;
EGVG 2008 Art2 Abs6;
StVG §107 Abs1;
StVG §107 Abs4 idF 1993/799;
StVG §107 Abs4;
StVG §121 Abs1;
VStG §51 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das als Beschwerde (Berufung) bezeichnete Anbringen des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Leiters des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Wien vom 22. März 1993, Zl. 30/93-71, mit welchem der Beschwerdeführer infolge Verletzung der Bestimmungen des § 26 Abs. 1 und 2 StVG für Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs. 1 Z. 9 und 10 StVG gemäß § 109 Z. 5 und § 114 StVG mit der Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes in der Dauer von 5 und 7 Tagen bestraft worden war, - ebenso wie den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe und die Anträge der beteiligten Parteien auf Ersatz der Kosten für Vorlageaufwand - zurück.
Die belangte Behörde ging bei Behandlung des ausdrücklich an den Unabhängigen Verwaltungssenat gerichteten Anbringens des Beschwerdeführers von der rechtlichen Erwägung aus, der Unabhängige Verwaltungssenat sei zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde (Berufung) nicht zuständig. Der administrative Instanzenzug sei im vorliegenden Falle im Sinne der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes noch nicht ausgeschöpft, die Beschwerde daher nicht bei der zuständigen Stelle eingebracht worden. Die Bestimmung des Art. II Abs. 2 Abschnitt B Z. 32 EGVG über die Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG sowie des VStG - mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen - durch die Vollzugsoberbehörden nach dem Strafvollzugsgesetz stünde damit nicht in Widerspruch, weil daraus nicht abzuleiten sei, daß die Unabhängigen Verwaltungssenate unmittelbar nach Entscheidungen der Strafvollzugsbehörden im Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten als Berufungsbehörde zuständig wären. Gemäß § 121 Abs. 1 StVG stünde die Entscheidung über Beschwerden gegen eine Entscheidung des Leiters eines gerichtlichen Gefangenenhauses der Vollzugsoberbehörde (das ist der Präsident des örtlich zuständigen, in Strafsachen tätigen Landesgerichtes) zu. Da es sich im vorliegenden Fall auch nicht um ein faktisches Amtshandeln durch Organe der Strafvollzugsbehörde gehandelt habe, sondern um Ausspruch und Vollzug eines Straferkenntnisses, könne auch unter diesem Aspekt (Beschwerde wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67 c Abs. 1 zweiter Fall AVG) eine Sachentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates nicht erfolgen.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 1. März 1994, B 2018/93-3 ablehnte, und sie über nachträglichen Antrag im Sinn des § 87 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz i.V.m. Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. April 1994, B 2018/93-5, abtrat, und über die der Verwaltungsgerichtshof nach deren auftragsgemäßer Ergänzung unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen hat:
Gemäß Art. 129a Abs. 1 B-VG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,
1. im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,
2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,
3. in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die einzelnen Gebiete der verwaltungsregelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden, und
4. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Ziffern 1, soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenrecht handelt, und der Z. 3.
Gemäß § 67a Abs. 1 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate 1. über die Berufungen in Angelegenheiten, die ihnen durch die Verwaltungsvorschriften zugewiesen sind und
2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Gemäß Art. II Abs. 2 Abschnitt B Z. 32 EGVG ist das AVG in vollem Umfang, das VStG mit Ausnahme der §§ 37, 39, 50 und 56 auf das behördliche Verfahren der Vollzugsbehörden erster Instanz und der Vollzugsoberbehörden nach dem Strafvollzugsgesetz anzuwenden.
Gemäß § 51 Abs. 1 VStG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.
Gemäß § 121 Abs. 1 StVG hat über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses oder gegen die von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugsoberbehörde zu.
Gemäß § 107 Abs. 4 StVG in der (hier noch nicht anzuwendenden) Fassung der Novelle BGBl. Nr. 799/1993 gelten für Ordnungswidrigkeiten die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 BGBl. Nr. 52 in der jeweils geltenden Fassung.
Tragende Begründung des angefochtenen Bescheides ist die Nichterschöpfung des Instanzenzuges im Sinn des Art. 129 a Abs. 1 B-VG, i.V.m. § 121 Abs. 1 StVG, weil es gegen das Straferkenntnis des Anstaltsleiters des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Wien im Sinne der zuletzt zitierten Bestimmung noch die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde an die Vollzugsoberbehörde (dies ist im vorliegenden Fall gemäß § 12 Abs. 1 StVG der Präsident des in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz, in dessen Sprengel das Gefangenenhaus liegt, also der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) gegeben hätte. Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, Art. 129 a Abs. 2 B-VG räume die Möglichkeit ein, es gesetzlich vorzusehen, daß Entscheidungen in erster Instanz UNMITTELBAR - und damit in Abweichung zur generellen Regelung des Abs. 1 leg. cit., der die Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges vorsieht - beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können. Ordnungswidrigkeiten seien Verwaltungsübertretungen. Nach Art. II Abs. 2 Abschnitt B Z. 32 EGVG, sei auf das Verfahren der Vollzugsbehörden und der Vollzugsoberbehörden das AVG in vollem Umfang und das VStG mit Ausnahme der §§ 37, 39, 50 und 56 anzuwenden. § 51 Abs. 1 VStG (der vom Anwendungsumfang nicht ausgenommen sei) räume dem Beschuldigten das Recht der (unmittelbaren) Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat ein. Daraus ergebe sich ein Konflikt zwischen der Regelung des Instanzenzuges im Ordnungsstrafverfahren gemäß Art. II Abs. 2 Abschnitt B Z. 32 EGVG i.V.m. § 51 Abs. 1 VStG (auf der Grundlage des Art. 129 a Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 B-VG) und der Regelung des § 121 StVG. Dieses Problem könne nur dahin gelöst werden, daß die Beseitigung der früheren einfachgesetzlichen Kompetenzregelung durch die neue Regelung des Instanzenzuges angenommen werde. Diese Ansicht stütze sich insbesondere auf die Überlegung, auch der Verfassungsgerichtshof gehe in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1992 G 103-107/92, davon aus, daß die gesetzgeberische Absicht darauf gerichtet gewesen sei, die unmittelbare Anrufbarkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate gegen Entscheidungen der ersten und einzigen Administrativinstanz vorzusehen. Die Anrufbarkeit der Verwaltungssenate erst nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges nach dem StVG würde dazu führen, daß es im Ordnungsstrafverfahren drei Entscheidungsinstanzen, im Sonderfall des § 121 Abs. 2 StVG vier Entscheidungsinstanzen gebe, was dem Gesetzgeber vernünftigerweise "nicht zuzusinnen" sei. Darüber hinaus sei in den Erläuterungen zur VStG-Novelle ausdrücklich festgehalten, daß sich die Zuständigkeitsregelung auf sämtliche Verwaltungsstrafsachen erstrecken solle, sofern nicht spezielle bundesverfassungsgesetzliche Regelungen bestünden. § 121 StVG sei aber nur eine einfachgesetzliche Regelung. Sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesmaterialien und systematische Überlegungen erwiesen daher im Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten die Notwendigkeit der Derogation der früheren einfachgesetzlichen Regelung des Instanzenzuges. Für diese Art der Auslegung spräche auch die umfassende und abschließende Regelung der Zuständigkeit der Verwaltungssenate (Kodifikation) sowie die EMRK-Konformität dieser Auslegung.
Ausgangspunkt der vom Beschwerdeführer dargelegten Überlegungen ist die These, die in § 107 Abs. 1 StVG näher umschriebenen Ordnungswidrigkeiten seien "Verwaltungsübertretungen" im Sinne des VStG. Bereits diesem Ansatz kann jedoch nicht gefolgt werden.
Durch die - auf den vorliegenden Beschwerdefall noch nicht anzuwendende - Novelle zum Strafvollzugsgesetz - StVG, BGBl. Nr. 799/1993, in Kraft getreten am 1. Jänner 1994, wurde - was vom Verwaltungsgerichtshof seiner bisherigen Judikatur im Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit nach dem Strafvollzugsgesetz (vgl. hiezu insbesondere hg. Erkenntnisse vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0600, vom 29. November 1994, Zl. 94/20/0291, vom 2. März 1995, Zl. 94/19/0718 und 0719) stillschweigend zugrunde gelegt worden war - nunmehr in Abs. 4 des § 107 leg. cit. ausdrücklich klargestellt, daß für Ordnungswidrigkeiten (nur) die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes zu gelten haben. Nach der Gliederung des Verwaltungsstrafgesetzes umfaßt dieses in seinem Teil I die Allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes (§ 1 bis 22), in Teil II das Verwaltungsstrafverfahren (§ 23 bis 52a), in seinem Teil III die Strafvollstreckung (§ 53 bis 54 d) und in Teil IV die Straftilgung, besondere Verfahrensvorschriften und Verfahrenskosten (§ 55 bis 67). Der auch vom Beschwerdeführer herangezogene § 51 Abs. 1 VStG liegt seiner systematischen Einordnung nach in Teil II (Verwaltungsstrafverfahren) des VStG, findet daher im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung. Dies entspricht dem auch in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 946 BLG/NR XVIII GP, 32, zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken, daß Ordnungswidrigkeiten Strafgefangener eher Verstöße disziplinärer Natur sind. Mit der zitierten Novellierung stellte der Gesetzgeber klar, daß eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern auch diesbezüglich nicht gegeben ist. Diese Klarstellung entspricht - wie bereits dargelegt - der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der in Fällen von Ordnungswidrigkeiten nach dem Strafvollzugsgesetz - implizit - davon ausging, die in § 107 Abs. 1 StVG genannten Tatbestände entsprächen weniger "Verwaltungsübertretungen" im Sinne des VStG, sondern vielmehr disziplinären Vergehen, deren Ahndung ebenfalls disziplinarrechtlichen Charakter aufwies. Dementsprechend erachtete er auch die Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze (und damit auch des VStG) im Sinn des Art. II Abs. 6 EGVG ausdrücklich als nicht gegeben (vgl. auch Thienel, Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 203). Daß der in § 121 Abs. 1 StVG vorgesehene Instanzenzug noch nicht erschöpft ist, stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede, sodaß sich die zurückweisende Erledigung der belangten Behörde als mit der Rechtslage in Einklang stehend erweist.
Aus diesem Grunde war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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