VwGH 95/05/0150

VwGH95/05/015027.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden des Ing. Erich Jenisch, des Ing. Peter Jenisch und der Wanda Jenisch in Eichgraben, alle vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, Hauptplatz 17, gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 21. März 1995, Zl. 10-A/95 (hg. Zl. 95/05/0150), und vom 4. April 1995, Zl. 10-A/95 (hg. Zl. 95/05/0151), betreffend Einwendungen gegen Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Eichgraben, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Brunhilde Bergner in Eichgraben, Wilhelmstraße 8), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand des Bauverfahrens, welches letztlich zum erstangefochtenen Bescheid führte, war das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten vom 16. Oktober 1992 um Erteilung einer Baubewilligung zum Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 2225, EZ 2036, KG Eichgraben.

Gegenstand des Bauverfahrens, welches letztlich zum zweitangefochtenen Bescheid führte, war das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten vom 25. Juni 1992 um Erteilung der Baubewilligung für den Neubau einer Garage auf dem Grundstück Nr. 2226, EZ 2036, KG Eichgraben.

Dem Erstbeschwerdeführer gehört die dem Grundstück Nr. 2226 und teilweise dem Grundstück Nr. 2225 an der Auhofstraße gegenüber liegende Parzelle Nr. 2219; den drei Beschwerdeführern gehört die seitlich anschließende, von den Baugrundstücken weiter entfernte Parzelle Nr. 2217. Anlässlich der (gemeinsamen) Bauverhandlung, zu der nur der Erstbeschwerdeführer geladen war, wendete er ein, dass aufgrund der geologischen Verhältnisse, wie der Änderung des Wasserhaushaltes auf den Bauparzellen und wegen der beabsichtigten Rodung, nachteilige Auswirkungen auf sein Grundstück ("Unterlieger") befürchtet würden. Nachdem die Bauwerberin die geotechnische Stellungnahme zur Bebaubarkeit der Baugrundstücke des staatlich befugten und beeideten Ingenierukonsulenten für technische Geologie, Dr. L.T., vom 13. Dezember 1993 vorgelegt hatte, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheiden vom 18. Jänner 1994 die Bewilligungen für den Neubau eines Einfamilienhauses und einer Garage auf dem Grundstück Nr. 2225 und einer Garage auf dem Grundstück Nr. 2226.

Gegen diese Baubewilligungen haben sowohl der Erstbeschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 2219 als auch alle drei Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 2217 Berufung erhoben. Unter Vorlage von Gutachten des Dipl. Ing. R.H., des Dipl. Ing. M.F. sowie des Uni.Doz. Dr. W.E., alle vom Institut für Grundbau, Geologie und Felsbau der technischen Universität Wien, machten sie insbesondere geltend, dass bei der nunmehr beabsichtigten Bebauung und der damit verbundenen Rodung nach Verrottung bzw. mechanischer Entfernung der Wurzelstöcke mit einer Wiederbelebung der Bodenbewegungen zu rechnen sei. Die Baugrundstücke befänden sich in einem geologisch bedenklichen Bereich des Gemeindegebietes. Der vorhandene Geländeverlauf - Aufwölbung - lasse Rückschlüsse auf Hangbewegungen zu. Auch durch die Versickerung der Oberflächenwässer auf Eigengrund würde es zu einer konzentrierten Bewässerung des unterhalb liegenden Hanges und zu einer Erhöhung der Rutschgefahr kommen. Verwiesen wurde auch darauf, dass der Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogrammes, der vom 1. April bis 27. Mai 1992 zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt gewesen sei, die Baugrundstücke mit der Widmung "Grünland" vorgesehen habe. Das von der Bauwerberin vorgelegte Gutachten des Dr. L.T. wurde als unzureichend angesehen.

Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheiden vom 28. Juli 1994 sämtliche Berufungen als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde stand auf dem Standpunkt, dass aus Bestimmungen über die Eignung des Bauplatzes keine Nachbarrechte erwachsen.

Gegen diese Berufungsbescheide haben einerseits der Erstbeschwerdeführer, andererseits alle drei Beschwerdeführer Vorstellungen erhoben.

Nach Vorlage der beiden Vorstellungen der Beschwerdeführer (eine weitere Behandlung der Vorstellungen des Erstbeschwerdeführers ist nicht aktenkundig) durch die mitbeteiligte Gemeinde an die niederösterreichische Landesregierung wurde gemäß § 116 Abs. 2 der Nö BauO 1976, LGBl. 8200-11, die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit der Entscheidung über die Vorstellungen der Beschwerdeführer betraut.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Vorstellungen der Beschwerdeführer gegen beide Berufungsbescheide (betreffend sowohl das Grundstück Nr. 2225 als auch das Grundstück Nr. 2226) Folge, hob die beiden Bescheide auf und verwies die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde. Unter Wiedergabe von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes führte die Vorstellungsbehörde aus, dass im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Berufungsbehörde den Nachbarn in Fragen der Statik und Tragfähigkeit des Untergrundes ein Rechtsanspruch insoweit zustehe, als sich eine Gefahr von der zu verbauenden Liegenschaft auf ihre Grundfläche zu erstrecken vermöge. Tragender Aufhebungsgrund in beiden Fällen war, dass die Berufungsbehörde zwar ein geotechnisches Gutachten einholen ließ, dass sie es aber unterlassen habe, die darin vom Sachverständigen aus geotechnischer Sicht für die "baupraktische Bebaubarkeit" als notwendig erachteten Baubedingungen der Bauwerberin verpflichtend spruchmäßig aufzutragen. Dadurch, dass notwendige Auflagen nicht erteilt wurden, könne eine Gefährdung benachbarter Liegenschaften nicht ausgeschlossen werden. Die Berufungsentscheidung müsse daher auf eine Ergänzung des Baubewilligungsbescheides dahingehend lauten, dass entsprechende Auflagen im Spruch des Bescheides aufgenommen und so konkretisiert und detailliert würden, dass eine Vollstreckung und Durchsetzung der Auflagen möglich sei. Hinsichtlich des Bauvorhabens auf dem Grundstück Nr. 2225 wurde weiters als Aufhebungsgrund angeführt, dass das Bauansuchen nur auf Erteilung einer Baubewilligung für ein Einfamilienhaus lautete, weshalb der erstinstanzliche Bescheid entsprechend - also unter Abstandnahme von der gleichzeitigen Bewilligung der Garage - abgeändert werden müsse.

Darüberhinaus führte die Vorstellungsbehörde aus, dass die Berufungen der Beschwerdeführer bei Vorschreibung der Auflagen abzuweisen sein würden. Im Hinblick auf das Gutachten des Dr. L.T. und dessen ergänzende Stellungnahme im Vorstellungsverfahren sei grundsätzlich davon auszugehen, dass bei Einhaltung der vorgesehenen Auflagen eine Bauführung möglich sei.

Gegen diese Vorstellungsbescheide richten sich die beiden, vom Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich insbesondere in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht, durch die beabsichtigte Bauführung und die fehlende sichergestellte Statik des Baues sowie die fehlende Tragfähigkeit des Untergrundes in ihren Eigentumsrechten an der unterhalb der zu verbauenden Liegenschaft befindlichen Grundfläche samt den darauf errichteten Gebäuden nicht gefährdet zu werden, weiters in ihrem Recht verletzt, dass die Vorstellungsbehörde keine gegen die subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführer verstoßende, für das weitere Verfahren bindende Rechtsansicht vertrete. Die Beschwerdeführer begehren die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte zu beiden Verfahren die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Die Beschwerdeführer machen eingangs ihrer Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde gemäß § 61 Abs. 5 Nö. Gemeindeordnung für das weitere Verfahren bindend ausgesprochen hätte, dass der Berufungsbescheid bzw. der Baubewilligungsbescheid nur durch Auflagen zu ergänzen sei und dass nach Vorschreibung dieser Auflagen die Berufung der Beschwerdeführer erneut abgewiesen werden müsse.

Gemäß § 61 Abs. 4 Nö Gemeindeordnung 1973 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Tragender Grund der Aufhebung durch die Vorstellungsbehörde war in den vorliegenden Fällen die Nichtaufnahme von Auflagen in den Baubewilligungsbescheid bzw. in einem Fall eine Baubewilligung ohne entsprechenden Antrag. An den tragenden Grund der Aufhebung durch die Vorstellungsbehörde sind nicht nur die Gemeindebehörden, wie hier durch § 61 Abs. 5 Nö Gemeindeordnung angeordnet, sondern auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gebunden. Allerdings besteht die Bindung nur an die tragenden Gründe des aufhebenden Vorstellungsbescheides (hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0323, und vom 19. September 1995, Zl. 94/05/0280 m.w.N.). Weitere rechtliche Erwägungen in einer Vorstellungsentscheidung, die an sich zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen, entfalten keine Bindungswirkung für das weitere Verfahren; den nicht die Aufhebung tragenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides kann auch in einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens entgegen getreten werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 95/05/0045).

Die Beschwerdeausführungen richten sich gegen die Erteilung der Baubewilligung trotz der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Gefahren; es wird der Umstand gerügt, dass die von den Beschwerdeführern beigebrachten Beweismittel nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hätten. Dagegen, dass der Berufungsbehörde bindend aufgetragen wurde, für eine Aufnahme von Auflagen in die Baubewilligung Sorge zu tragen und dass ausgesprochen wurde, auf dem Grundstück Nr. 2225 dürfe aufgrund des Antrages keine Baubewilligung für eine Garage erteilt werden, richten sich die Beschwerdeausführungen jedoch nicht.

Da die Beschwerdeführer nur durch die tragenden Vorstellungsbescheide in ihren Rechten verletzt sein könnten, eine solche Rechtsverletzung aber nicht geltend gemacht wird, waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf die zitierte Vorjudikatur konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. April 1999

Stichworte