VwGH 94/05/0280

VwGH94/05/028019.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 16. August 1994, Zl. R/1-V-93011/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. AN, 2. DN, beide in W, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, 3. Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erst- und zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1991 erteilte der Bürgermeister der drittmitbeteiligten Partei als Baubehörde erster Instanz der erst- und zweitmitbeteiligten Partei unter Vorschreibung von Auflagen die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zweifamilienhauses, einer Garage, eines Schwimmbeckens, einer Einfriedung gegen öffentliches Gut sowie zum Abbruch bestehender Kleingebäude auf den Grundstücken Nr. 1119/3, .766 der Liegenschaft EZ 1305 Katastralgemeinde L nach Maßgabe der Sachverhaltsdarstellung und Baubeschreibung sowie der mit einer Bezugsklausel versehenen Plan- und Berechnungsunterlagen. Im Punkt 5 der allgemeinen Auflagen dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß die Straßenfluchtlinie in natura bzw. entsprechend der Geometervermarkung ersichtlich ist. Die Höhenlage des Erdgeschoßfußbodens wurde mit 6,375 m über dem Straßenniveau, gemessen an der linken Grundgrenze, festgelegt.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

In einem vom Bauamt der drittmitbeteiligten Partei am 14. Mai 1991 aufgenommenen Protokoll anläßlich der Fundamentbeschau des bewilligten Bauvorhabens wurde festgehalten, daß der Unterschied zwischen dem Vergleichspunkt, dem Straßenniveau an der linken Grundstücksgrenze und dem Niveau des Kellergeschoßfußbodens oberhalb der Bodenplatte (tiefstes Niveau) entsprechend der an diesem Tag durchgeführten Nivellierung 3,495 m betrage. Daraus ergebe sich unter Hinzurechnung der Geschoßhöhe von 2,625 m eine Höhendifferenz zum Erdgeschoßniveau von 6,120 m. Demnach sei eine Unterschreitung der zulässigen Höhe gemäß Punkt 5 der allgemeinen Auflagen des Baubewilligungsbescheides vom 29. Jänner 1991 von 25,15 cm gegeben, weshalb gegen die Weiterführung des Bauwerkes kein Einwand bestehe.

Mit Eingabe vom 2. Oktober 1991 beantragte die Beschwerdeführerin den "Abbruch des konsenswidrigen Rohbaues und Wiederherstellung der gewachsenen Höhenlage" unter Hinweis darauf, daß sie Miteigentümerin der Nachbarliegenschaft der erst- und zweitmitbeteiligten Partei sei. Der Bau entspreche hinsichtlich seiner Größe offensichtlich nicht der erteilten Baubewilligung.

Mit Eingabe vom 2. Juli 1992 beantragte die Beschwerdeführerin den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat der drittmitbeteiligten Partei, da der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz nicht innerhalb der 6-Monatsfrist über ihren Antrag vom 2. Oktober 1991 entschieden habe, und verwies darauf, daß Bedenken hinsichtlich der Bauhöhe des bewilligten Bauvorhabens der erst- und zweitmitbeteiligten Partei (neben anderen Konsenswidrigkeiten) bestünden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Partei vom 15. Dezember 1992 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Oktober 1991 "auf Abbruch des Rohbaus auf der Liegenschaft EZ 1305, KG L, L-Gasse 9", nicht stattgegeben. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens habe festgestellt werden können, daß die im Baubewilligungsbescheid vom 29. Jänner 1991 im Punkt 5 der allgemeinen Auflagen festgelegte Höhenlage eingehalten worden sei. Es sei eine Höhenunterschreitung von 24,5 cm gegeben. Die Geschoß- bzw. die Gebäudehöhen seien laut Einreichplan bei Kontrolle der Traufenhöhe um höchstens 15 cm überschritten worden. Aufgrund der Unterschreitung der Höhenlage des Gebäudes zum Straßenniveau um 24,5 cm werde daher gemäß § 22 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 die im Baubewilligungsverfahren festgelegte Gebäudehöhe trotz Überschreitung von maximal 15 cm nicht überschritten.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. August 1994 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin zurückverwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, die Gebäudehöhe sei gegenüber dem Gelände in der Bauverhandlung vom 4. Oktober 1990 um 30 cm gegenüber dem ursprünglichen Projekt reduziert und das Niveau des Erdgeschoßfußbodens mit 238,657 m ü. A. festgesetzt worden. Dementsprechend sei das Nullniveau im Einreichplan mit 238,2 m ü. A. ausgewiesen. Bei einer Überprüfung am 14. Mai 1991 sei das tatsächliche Erdgeschoßniveau mit 238,12 m ü. A. gemessen bzw. errechnet worden. Im August 1992 habe der Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen Dipl.-Ing. S das Niveau des Rohbetonfußbodens des Erdgeschoßes mit 238,55 m ü. A. ermittelt. Eine neuerliche Messung im Dezember 1992 habe einen Höhenunterschied von 6 m zum Bezugspunkt (232 m ü. A.) ergeben. Da die Höhenlage des ruhenden Bodens aufgrund von Grabarbeiten nicht mehr dem ursprünglichen Niveau entsprochen habe, habe der Sachverständige einen Vergleichswert - allerdings gegenüber dem vom 30. Juli 1992, wonach der damalige Höhenunterschied 6,13 m (238,13 m ü. A.) betragen habe - ermittelt. Ferner habe der Sachverständige festgestellt, daß die Geschoß- bzw. die Gebäudehöhe im Norden um plus 15 cm abweiche, ohne eine Bezugsgröße anzugeben. Die Gutachten des vermessungstechnischen Sachverständigen seien in mehrfacher Hinsicht mangelhaft bzw. mit Fehlern behaftet. Die im Gutachten vom August 1992 festgestellte Abweichung gegenüber dem Projekt von plus 77 cm sei nicht richtig, da der Sachverständige von den bereits an das Ergebnis der Bauverhandlung vom 4. Oktober 1990 in den Einreichplänen angeglichenen Höhenangaben nochmals 30 cm abgezogen habe. Ferner habe ein Gutachten vom Dezember 1992 festgehalten, daß die Soll-Gebäudehöhe aus dem Einreichplan nicht ersichtlich gewesen wäre. Hiebei sei übersehen worden, daß die Traufenhöhe für die nördlichen Teile des Gebäudes im Einreichplan (Schnitt C-C, Ansicht Nord, Ansicht Ost) deutlich mit 8 Meter ausgewiesen sei. Schließlich sei dem Akt nicht zu entnehmen bzw. nicht ersichtlich, wie der Sachverständige zu den unterschiedlichen Meßergebnissen gelangt sei. Da sich somit aus dem Gutachten des vermessungstechnischen Sachverständigen vom Dezember 1992 nicht eindeutig ergebe, ob die projektierte Gebäudehöhe von 8 Meter über dem Niveau eingehalten worden sei, bzw. das Gutachten sogar vermuten lasse, daß sie um 15 cm überschritten worden sei, habe nicht geklärt werden können, ob Rechte der Beschwerdeführerin beeinträchtigt worden seien.

Die belangte Behörde führt sodann in der Begründung aus:

"Durch die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens wurde die Vorstellungswerberin in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes verletzt und war der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird zur Höhenlage festgehalten, daß das Niveau des Erdgeschoßfußbodens mit 6,675 m über dem Bezugspunkt und nicht, wie sowohl die Gemeinde als auch der Sachverständige angenommen haben, mit 6,375 m festgesetzt wurde. Dies ergibt sich sowohl aus der Verhandlungsschrift vom 4. Oktober 1990 als auch - wenn auch unklar - aus dem Baubewilligungsbescheid."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt,

"daß das in L, L-Gasse 9, durch A und DN errichtete Gebäude der hiefür erteilten baubehördlichen Bewilligung gemäß errichtet wird, insbesondere die sich daraus ergebende Gebäudehöhe nicht überschritten wird und daß bei der Aufhebung dieses Bescheides der Baubehörde durch die belangte Behörde aufgrund eines Vorstellungsverfahrens eine die Gebäudehöhe betreffende rechtlich richtige Begründung herangezogen wird."

Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und eine solche infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren nach § 113 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung (Abbruch eines Bauwerkes mangels Vorliegens einer baubehördlichen Bewilligung) kommt den Nachbarn Parteistellung zu, wenn subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt werden. Diesfalls hat der Nachbar einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Befehles (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 199 f, dargestellte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführerin kommt daher als Eigentümerin des an die Grundstücke Nr. 1119/3 und .766 der Katastralgemeinde L, L-Gasse 9, der erst- und zweitmitbeteiligten Partei grenzenden Grundstückes bezüglich des Rechtes auf Einhaltung der Bebauungshöhe (vgl. § 118 Abs. 9 Z. 4 Nö Bauordnung) Parteistellung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A, und vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/05/0133, BauSlg. Nr. 351) kommt nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu. Infolge der bindenden Wirkung der Begründung eines auf Art. 119a Abs. 5 B-VG gestützten Bescheides kann der Fall eintreten, daß eine Partei, auf Grund deren Vorstellung ein Gemeinderatsbescheid aufgehoben wird, dessen ungeachtet durch diesen Bescheid in einem Recht verletzt wird, weil der Gemeinderat durch die dem Bescheid beigegebene Begründung in einer Weise gebunden werden kann, durch welche wiederum Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 1972, Slg. Nr. 8164/A).

Die Beschwerdeführerin kann in ihren Rechten nur insoweit verletzt sein, als den Aufhebungsgründen des angefochtenen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/05/0098, BauSlg. Nr. 600).

Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides ist die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Partei, durch welche die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Ermittlung des entscheidenden Sachverhaltes verletzt worden ist, und zwar deshalb, weil sich "aus dem Gutachten des vermessungstechnischen Sachverständigen vom Dezember 1992 nicht eindeutig ergibt, ob die projektierte Gebäudehöhe von 8 Meter über dem Niveau eingehalten wurde, bzw. das Gutachten sogar vermuten läßt, daß sie um 15 cm überschritten wurde". Daß die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen zu Recht erfolgte, gibt die Beschwerdeführerin selbst zu. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführerin durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grund in einem subjektiven Recht verletzt sein soll.

Dem angefochtenen Bescheid läßt sich aber weiters - entgegen den Beschwerdeausführungen - keine mit bindender Wirkung ausgesprochene Begründung der belangten Behörde, wonach das "Traufenmaß von 8 Meter mit der Gebäudehöhe schlechthin gleichzusetzen" wäre, entnehmen.

Die nach den entscheidungswesentlichen Begründungsteilen des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde im Schlußsatz der "Vollständigkeit halber" aus dem Akteninhalt zur Höhenlage des Gebäudes festgehaltenen Sachverhaltsgrundlagen stellen keine die Aufhebung des angefochtenen Bescheides als tragende Begründung dargelegte Rechtsanschauung dar, an welche die Baubehörden gebunden wären, sondern sind bloße, an die Baubehörden für das weitere Verfahren gerichtete, jedoch nicht bindende Hinweise (vgl. hiezu auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 151). Diesbezüglich konnte daher die Beschwerdeführerin in den vom Beschwerdepunkt umfaßten Rechten nicht verletzt sein.

Von welchem Bezugspunkt aus die zulässige, vom Baubewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom 29. Jänner 1991 bewilligte Gebäudehöhe zu errechnen ist, wird Gegenstand des von der Baubehörde durchzuführenden Ermittlungsverfahrens sein, wobei nicht außer Acht gelassen werden kann, daß im Spruch des rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides vom 29. Jänner 1991 die Höhenlage des Erdegeschoßfußbodens mit 6,375 m über dem Straßenniveau, gemessen an der linken Grundgrenze, rechtskräftig festgelegt worden ist (vgl. hiezu Punkt 5 der allgemeinen Auflagen des vorzitierten Bescheides). Ausgehend davon bedarf es daher auf entsprechenden Sachverhaltsermittlungen beruhender Feststellungen, welches Straßenniveau zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Höhe der linken Grundgrenze des bewilligten Bauprojektes der erst- und zweitmitbeteiligten Partei vorgelegen hat.

Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte