Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §19 Abs2;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwGG §52 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §19 Abs2;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwGG §52 Abs1;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Kammer wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes wird hinsichtlich des Spruchpunktes 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einschließlich der damit verbundenen Kostenentscheidungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluß gefaßt:
Die Behandlung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Einzelmitgliedes wird hinsichtlich der die Spruchpunkte 2. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betreffenden Absprüche abgelehnt.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer erging folgendes Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 15. Jänner 1997 (Spruchteile gemäß § 44a Z. 1 bis 3 VStG):
- "1. Sie haben am 17.02.1996, um 20.40 Uhr, in F auf der B, Km 64.7, den KKW, Jeep, Cherokee, Kz.:, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (0,58 mg/l Atemluftalkoholgehalt).
Obwohl sie durch Ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang standen, haben Sie es in der Folge unterlassen,
- 2. sofort anzuhalten,
- 3. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem Sie die Unfallstelle verlassen haben
- 4. und ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriediensstelle vom Verkehrsunfall zu verständigen, obwohl ein Identitätsnachweis unterblieben ist.
Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach
- 1. § 99 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO
- 2. § 4 Abs. 1 lit. a StVO
- 3. § 4 Abs. 1 lit. c StVO
- 4. § 4 Abs. 5 StVO
begangen.
In Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen wird daher eine Geldstrafe (im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe) von
Summe in S Ersatzarrest gemäß:
1. 11.000,00 11 Tage § 99 Abs. 1 lit. a StVO
2. 5.000,00 5 Tage § 99 Abs. 2 lit. a StVO
3. 5.000,00 5 Tage § 99 Abs. 2 lit. a StVO
4. 2.000,00 2 Tage § 99 Abs. 3 lit. b StVO
verhängt."
Mit den in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten angefochtenen Bescheiden wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen Punkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen (Entscheidung der Kammer). Der Berufung gegen die Punkte 2. und 3. dieses Straferkenntnisses wurde insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafen auf jeweils S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen 3 Tage) herabgesetzt wurden; die Berufung gegen Punkt 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde als unbegründet abgewiesen (Entscheidung des Einzelmitgliedes).
Über die gegen diese Bescheide erhobene Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zu I.1.:
Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides der Kammer darin, daß die belangte Behörde den bei der am Tattag um 21.46 Uhr bzw. 21.48 Uhr vorgenommenen Atemluftmessung festgestellten Atemluftalkoholgehalt von 0,58 mg/l auf den Zeitpunkt des Lenkens um 20.40 Uhr bezogen habe. Durch diese Vorgangsweise wurde er jedoch in keinem Recht verletzt:
Da im Beschwerdefall kein "Nachtrunk" getätigt wurde, hätte eine Rückrechnung des Atemalkoholgehaltes vom Zeitpunkt der Atemluftuntersuchung bis zum Zeitpunkt des Lenkens, ausgehend vom festgestellten Wert von 0,58 mg/l, unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Verbrennungswertes von ca. 0,05 mg/l (= 0,1 Promille Blutalkoholgehalt) pro Stunde einen Atemluftalkoholgehalt von mindestens 0,63 mg/l ergeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1995, Zl. 95/02/0376).
Der Einwand, die Behörde hätte - im Sinne des
hg. Erkenntnisses vom 16. April 1997, Zl. 96/03/0372, - als Vorfrage prüfen müssen, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklichte, geht ins Leere:
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtes vom 5. Dezember 1996, G 9/96-12 und andere, wurde - unter anderem - die Wortfolge "in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren. Diese Aufhebung wurde am 28. Jänner 1997 kundgemacht (BGBl. I Nr. 16/1997).
Beim Beschwerdefall handelte es sich um keinen Anlaßfall, die Rechtssache war auch am 5. Dezember 1996 weder bei einem unabhängigen Verwaltungssenat noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Da der Tatbestand vor der Aufhebung verwirklicht wurde, ist die aufgehobene Bestimmung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden. Auch im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, nämlich am 17. Jänner 1997, war die Rechtslage für den Beschwerdeführer nicht günstiger.
Ferner bemängelt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde die von ihm beantragte Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens unterlassen habe. Der Beschwerdeführer hatte in diesem Zusammenhang im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, am Tag vor dem Unfall und am Unfallstag sogenannte "Tavipec"-Kapseln zu sich genommen zu haben; diese Kapseln enthielten "Essenzen, die die Atemluft beeinflussen können". In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, es werde "im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht davon ausgegangen, daß diese Kapseln eingenommen worden sind". Diese Annahme stützte sie - erkennbar - darauf, daß der Beschwerdeführer gegenüber der Gendarmerie die Frage nach dem Konsum von Medikamenten verneint habe und trotz ausgewiesener Ladung nicht zur mündlichen Berufungsverhandlung erschienen sei. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde kann daher keine Rede davon sein, daß die belangte Behörde eine Begründung für ihre negative Feststellung schuldig geblieben sei. Die solcherart begründete Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Damit erübrigt sich eine Eingehen auf die - durch das medizinische Sachverständigengutachten zu erweisenden - Auswirkungen einer Einnahme dieser Kapseln auf das Ergebnis der Atemluftmessung.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe ihm die von ihr eingeholte telefonische Auskunft des Gendarmeriepostens St., wonach der Alkomat, mit dem die Atemluftmessung beim Beschwerdeführer vorgenommen worden sei, zuvor zuletzt am 15. Dezember 1994 geeicht worden sei, nicht zur Kenntnis gebracht. Wäre dies geschehen, hätte er auf die mit dieser Auskunft in Widerspruch stehenden Angaben in der Anzeige hinweisen können, wonach die letzte Eichung im Dezember 1995 gewesen sei. Insoferne sei also ein nicht erklärbarer Widerspruch gegeben und hätte schon dieser Umstand die Behörde veranlassen müssen, die Vorlage des Eichscheins zu verlangen. Dadurch hätte sich möglicherweise herausgestellt, daß der verwendete Alkomat gar nicht geeicht und auch möglicherweise nicht funktionstüchtig gewesen sei. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf den in den Verwaltungsstrafakten erliegenden, in der Gegenschrift erwähnten Eichenscheins vom 15. Dezember 1994 zu verweisen, demzufolge das - im Beschwerdefall verwendete - Atemalkoholmeßgerät (Alcomat mit der Fabrikationsnummer W 05-592) am 15. Dezember 1994 geeicht worden sei und die gesetzliche Nacheichfrist am 31. Dezember 1996 ablaufe. Der geltend gemachte Verfahrensmangel entbehrt daher der Relevanz.
Gegen die Strafbemessung wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behöre habe wohl im Gegensatz zur erstinstanzlichen Behörde seine bisherige Umbescholtenheit berücksichtigt, diese jedoch als "unerheblich" angesehen und ohne "gesonderte Begründung" die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Strafe aufrecht erhalten. Es trifft zwar zu, daß die Berufungsbehörde in einem solchen Fall in der Begründung ihres Bescheides darlegen muß, warum die nunmehrige Einbeziehung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit nicht zur Herabsetzung der Strafe führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/03/0190); dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde aber entsprochen, wenn sie unter Hinweis auf den bis zu einer Geldstrafe von S 50.000,-- reichenden Strafrahmen des § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und den als "beträchtlich" einzustufenden Schuld und Unrechtsgehalt der Tat die in erster Instanz verhängte Geldstrafe auch unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers "nicht als überhöht" betrachtet hat. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, seine Sorgepflichten für die Ehegattin und zwei Kleinkinder nicht berücksichtigt zu haben, ist darauf zu verweisen, daß dieses Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot unterfällt. Dem Einwand, die belangte Behörde habe die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers nicht erhoben, ist entgegenzuhalten, daß er in der Beschwerde selbst nicht vorbringt, welche Verhältnisse die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, sodaß die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangel nicht erkennbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0125).
Die Beschwerde gegen den Bescheid der Kammer erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff (insbesondere auch § 52 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die Erstattung der Gegenschrift und die Aktenvorlage durch das Einzelmitglied und die Kammer gemeinsam erfolgten, war nur die auf den Kammerbescheid entfallende Hälfte des geltend gemachten Schriftsatz- und Vorlageaufwandes zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zlen. 96/03/0334, 97/03/0049).
Zu I.2.:
In Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 macht der Beschwerdeführer - unter anderem - geltend, daß für ihn keine Verpflichtung bestanden habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Damit ist er hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht durch Verlassen der Unfallstelle im Recht. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 97/03/0170) besteht eine solche Verpflichtung nur dann, wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch dann, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. In diesen Fällen ist die amtliche Aufnahme des Tatbestandes an der Unfallstelle bzw. die Notwendigkeit einer solchen von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 88/03/0047). Besteht eine derartige Notwendigkeit nicht und kommt es auch nicht zur amtlichen Tatbestandsaufnahme an der Unfallstelle, ist eine Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes durch Verbleiben an der Unfallstelle mitzuwirken, nicht gegeben. Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß ein Unfallbeteiligter in einem solchen Fall von jeglicher Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 befreit ist. Eine Übertretung dieser Bestimmung - die Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes nach einem Verkehrsunfall durch einen Unfallbeteiligten - kann durch die unterschiedlichsten Verhaltensweisen begangen werden, etwa auch durch Alkoholgenuß nach einem Unfall (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0273). Die Verpflichtung, sich nach einem Unfall des Alkoholgenusses zu enthalten, besteht auch dann, wenn nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ein Identitätsnachweis nicht erfolgt und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 gegeben ist, hat es doch auch in diesem Fall - wenngleich nicht notwendigerweise an der Unfallstelle - zu einer amtlichen Tatbestandsaufnahme zu kommen, die allfällige Feststellungen über einen alkoholbeeinträchtigten Zustand des Lenkers im Unfallszeitpunkt umfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 90/02/0165).
Im Beschwerdefall mußte es, da es sich um einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden handelte, nicht zur Aufnahme des Tatbestandes an Ort und Stelle kommen; eine solche Tatbestandsaufnahme wurde auch tatsächlich nicht durchgeführt und von niemandem verlangt. Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dennoch das Verlassen der Unfallstelle als Übertretung gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 anlastete, verkannte sie die Rechtslage.
Der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes war daher in Ansehung der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff (insbesondere auch § 52 Abs. 1) VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Zu II.:
In Ansehung der Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO 1960 sind die Voraussetzungen des § 33a VwGG erfüllt, sodaß die Behandlung der Beschwerde in diesen Punkten abgelehnt werden konnte.
Der Kostenausspruch beruht auf § 58 Abs. 1 VwGG.
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