VwGH 95/03/0213

VwGH95/03/021316.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des A S in S, vertreten durch Dr. Grosch & Partner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. Mai 1995, Zl. Senat-BN-94-076, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes-Straße, zu Recht erkannt:

Normen

ADR 1973 Rn10385 Abs2 Anl2;
ADR 1973 Rn10500 Abs1 AnlB;
B-VG Art7 Abs1;
GGSt §10 Abs1 Z9;
GGSt §32 Abs1 Z3;
GGSt §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
ADR 1973 Rn10385 Abs2 Anl2;
ADR 1973 Rn10500 Abs1 AnlB;
B-VG Art7 Abs1;
GGSt §10 Abs1 Z9;
GGSt §32 Abs1 Z3;
GGSt §32 Abs3;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Bescheides betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 18. März 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 6. Oktober 1993 ein Sattelzugfahrzeug und einen Sattelanhänger (jeweils dem Kennzeichen nach bestimmt) auf einem näher bezeichneten Teilstück der A 21 gelenkt. Hiebei seien im Zuge einer Fahrzeugkontrolle folgende Übertretungen festgestellt worden:

"1) an der Vorderseite der Beförderungseinheit war keine orangefarbene Tafel nach Rn 10 500/Abs. 1/Anlage B des ADR angebracht und war die Fahrzeugeinheit daher von vorne nicht als Gefahrenguttransport erkennbar gewesen - § 32 Abs. 1 Z. 2 GGSt,

2) führten Sie für den Stoff Distickstoffoxid eine schriftliche Weisung (Unfallmerkblatt) mit, die nicht den Vorschriften der Rn 10 385/Abs. 1/Anlage B des ADR entsprach - § 32 Abs. 3 GGSt.

3)..."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich der Punkte 1) und 2) mit folgender Maßgabe keine Folge gegeben:

"Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird jedoch insoweit abgeändert, als Punkt 2. zu lauten hat:

'Führten Sie für den Stoff Distickstoffoxid eine schriftliche Weisung (Unfallmerkblatt) mit, die nicht den Vorschriften der Rn 10 385/Abs. 1/Anlage B ADR entsprach, da die hinsichtlich der Schutzausrüstung angeführte Wortfolge: 'laut ADR und Gefahrgutbeförderungsgesetz - Straße (GGSt)' keinen Aufschluß darüber gibt, ob und wenn ja, welche Schutzausrüstung erforderlich ist.' "

Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG wurde ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes-Straße - GGSt, BGBl. Nr. 209/1979, lauten:

" Anwendungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ist anzuwenden auf:

1. die Beförderung gefährlicher Güter mit Kraftfahrzeugen und Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 StVO 1960),

2. die Kraftfahrzeuge, Anhänger und die dazu gehörigen Tanks, die zur Beförderung dieser Güter bestimmt sind oder mit denen auf solchen Straßen gefährliche Güter befördert werden,

  1. 3. den Verkehr mit diesen Fahrzeugen,
  2. 4. die mit diesen Fahrzeugen beförderten gefährlichen Güter, soweit diese nicht dem Betrieb des Fahrzeuges oder seiner Einrichtung dienen,

    ...

    Zulässigkeit der Verwendung von

    Kraftfahrzeugen und Anhängern

§ 10. (1) Kraftfahrzeuge und Anhänger zur Beförderung gefährlicher Güter dürfen nur verwendet werden:

...

9. Wenn an ihnen die auf Grund der gemäß § 2 Abs. 1 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr und des Stoffes und die sonstigen Aufschriften und bildlichen Darstellungen diesen Vorschriften entsprechend angebracht sind und

...

Zulässigkeit der Beförderung:

§ 22. (1) Ein gefährliches Gut darf nur befördert werden, wenn

...

7. dem Lenker für jede Beförderungseinheit übergeben worden sind:

  1. a) die im ADR vorgeschriebenen Begleitpapiere,
  2. b) die bei der Beförderung auf Grund des ADR jeweils mitzuführenden Ausrüstungsgegenstände,

    c) der Bescheid über die besondere Zulassung, sofern eine solche vorgeschrieben ist,

    d) der Bescheid über die besondere Bewilligung, sofern eine solche vorgeschrieben ist, oder der Bescheid über die Ausnahmebewilligung und

    ...

    Pflichten des Lenkers und der Begleitpersonen

§ 32. (1) Der Lenker darf eine Beförderungseinheit nur in Betrieb nehmen, wenn

...

3. die Tafeln mit den Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr und des Stoffes und die sonstigen Aufschriften und bildlichen Darstellungen vorschriftsmäßig angebracht sind.

...

(3) Der Lenker hat bei der Beförderung die in § 22 Abs. 1 Z. 7 angeführten Begleitpapiere, Bescheide und Ausrüstungsgegenstände dem ADR entsprechend mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen."

Die im angefochtenen Bescheid bezogenen Bestimmungen der Rn 10 385/Anlage B ADR (i.d.F. BGBl. Nr. 164/1993) lauten:

"Schriftliche Weisungen

(1) Für das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen aller Art, die sich während der Beförderung ereignen können, sind dem Fahrzeuglenker schriftliche Weisungen mitzugeben, die in knapper Form angeben:

a) die Art der Gefahr, die die gefährlichen Güter in sich bergen, sowie die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, um ihr zu begegnen;

b) die zu ergreifenden Maßnahmen und Hilfeleistungen, falls Personen mit den beförderten Gütern oder entweichenden Stoffen in Berührung kommen;

c) die im Brandfalle zu ergreifenden Maßnahmen, insbesondere die Mittel oder Ausrüstungen, die zur Feuerbekämpfung nicht verwendet werden dürfen;

d) die bei Bruch oder sonstiger Beschädigung der Verpackungen oder der beförderten gefährlichen Güter zu ergreifenden Maßnahmen, insbesondere, wenn sich diese Güter auf der Straße ausgebreitet haben;

e) bei Tankfahrzeugen oder Beförderungseinheiten mit Tanks oder mit Tankcontainern, die einen Gesamtfassungsraum von mehr als 3000 Liter und/oder eine zulässige Gesamtmasse von mehr als 3,5 t haben und in denen im Anhang B.5 aufgezählte Stoffe befördert werden, die Bezeichnung des oder der beförderten Stoffe(s), die Klasse(n), die Ziffer(n) und Buchstabe(n) der Stoffaufzählung und die Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr und des Stoffes gemäß Anhang B.5;

f) die zu ergreifenden Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von Schäden beim Freiwerden von Stoffen, die zusätzlich zu den durch Gefahrenzettel angezeigten Gefahren als wasserverunreinigend gelten.

(2) Diese Weisungen müssen vom Hersteller oder vom Absender für jedes gefährliche Gut oder jede Klasse von gefährlichen Gütern aufgestellt werden; sie müssen in einer der Sprachen des Ursprungslandes abgefaßt sein; wenn diese Sprache nicht diejenige der Durchgangs- oder Bestimmungsstaaten ist, müssen sie auch in deren Sprachen abgefaßt sein. Eine Ausfertigung dieser Weisungen muß sich im Führerhaus befinden.

(3) Diese Weisungen sind dem Beförderer spätestens bei der Erteilung des Beförderungsauftrages zu übergeben, damit er sicherstellen kann, daß das beteiligte Personal von diesen Weisungen Kenntnis nimmt und in der Lage ist, sie wirksam anzuwenden."

Hinsichtlich des durch den angefochtenen Bescheid rezipierten Spruchpunktes 1 des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde den Schuldspruch auch auf die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 9 GGSt stützen hätte müssen. Nur diese Bestimmung normiere, daß die orangefarbenen Tafeln den Vorschriften entsprechend am Fahrzeug angebracht werden müßten.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht, weil § 10 Abs. 1 Z. 9 GGSt keine weitere spezielle Bestimmung enthält, die die Gebotsnorm des § 32 Abs. 1 Z. 3 GGSt, deren Verletzung dem Beschwerdeführer (als Lenker) zum Vorwurf gemacht wurde, konkretisieren würde. Welche Tafel (und wie diese) "vorschriftsmäßig" anzubringen war, konkretisiert die im Spruch genannte Rn 10 500/Abs. 1/Anlage B des ADR.

Sowohl zum Tatvorwurf des Mitführens einer dem ADR nicht entsprechenden schriftlichen Weisung (Unfallmerkblatt) als auch zum Tatvorwurf der nicht erfolgten Anbringung der orangefarbenen Tafel an der Vorderseite des Sattelzugfahrzeuges rügt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes jeweils vom 15. Februar 1991, Zlen. 90/18/0187 und 90/18/0188, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides das Tatbestandsmerkmal der Durchführung des Transportes eines gefährlichen Gutes fehle.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß der vom angefochtenen Bescheid rezipierte Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides die Wendung "nicht als Gefahrenguttransport erkennbar" enthält. Eine solche Wendung setzt logisch zwingend voraus, daß es sich um einen Gefahrenguttransport handelt. Auch aus dem Spruchpunkt 2 ist aus der Nennung des Stoffes Distickstoffoxid entnehmbar, daß es sich um einen den Bestimmungen des GGSt unterliegenden Transport gehandelt hat. Den vom Beschwerdeführer genannten Erkenntnissen vom 15. Februar 1991, Zlen. 90/18/0187 und 90/18/0188, lagen insoweit anders gelagterte Sachverhalte zugrunde. Derart vermag das einen Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG geltend machende Beschwerdevorbringen - vor dem Hintergrund der an Rechtsschutzüberlegungen orientierten Grundsätze des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Sofern unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt wird, daß sich die Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob es sich bei dem gegenständlichen Transport um einen grenzüberschreitenden Transport oder eine nationale Beförderung allenfalls gefährlicher Güter gehandelt habe, so unterläßt es der Beschwerdeführer, die Wesentlichkeit eines allenfalls darin gelegenen Verfahrensmangels aufzuzeigen.

Der Beschwerdeführer ist aber mit seinem Vorbringen hinsichtlich des Tatvorwurfes einer dem ADR nicht entsprechenden schriftlichen Weisung im Recht:

Aus dem Wortlaut des Spruches ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer eine inhaltliche Nichtentsprechung der mitgeführten schriftlichen Weisung zum Vorwurf gemacht wurde. In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde dazu aus, daß in einer schriftlichen Weisung auch angegeben sein müsse, ob bei Unfällen oder Zwischenfällen eine Schutzausrüstung notwendig sei und worin diese bejahendenfalls bestehe, zumal die Festlegung der für die ersten Hilfsmaßnahmen notwendigen Ausrüstungen durch einen Sachverständigen im Falle eines Unfalles mit enormen Verzögerungen verbunden sei und demzufolge nicht dem beabsichtigten Zweck der Vorschrift entspreche. Das Fehlen der Angabe der entsprechenden Schutzausrüstung könne somit dem § 32 Abs. 3 GGSt unterstellt werden.

Aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 3 GGSt ergibt sich, daß die näher genannten Begleitpapiere, Bescheide und Ausrüstungsgegenstände "dem ADR entsprechend mitzuführen" sind. Hinsichtlich der schriftlichen Weisungen enthält auch Rn 10385/Abs. 2/Anlage 2 des ADR nur die Verpflichtung des Mitführens einer Ausfertigung dieser Weisungen im Führerhaus. § 32 Abs. 3 GGSt enthält keinen Hinweis darauf, daß der Lenker, dem eine mangelhafte schriftliche Weisung übergeben worden ist, für deren mangelhaften Inhalt nach dieser Bestimmung verwaltungsstrafrechtlich belangt werden könne. Die sich aus dem GGSt ergebende Verpflichtung des Lenkers beschränkt sich darauf, die ihm übergebene Weisung dem ADR entsprechend mitzuführen bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen. Für den von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift dem § 32 Abs. 3 GGSt unterstellten Zweck findet sich kein Anhaltspunkt. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof vielmehr durchaus sachgerecht, wenn der Normgeber dem Lenker nicht eine - jedenfalls nicht auszuschließende - materienbezogen schwierige inhaltliche (Fach-)Prüfung unter verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion überbürdet hat.

Daraus ergibt sich aber, daß dem Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung gemäß § 32 Abs. 3 GGSt zu Unrecht vorgeworfen wurde, weshalb die belangte Behörde ihren Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete und dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in dem im Spruch angeführten Umfange aufzuheben war.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 MRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde (UVS), einem Tribunal iSd MRK, genüge getan wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 1997, Zl 95/09/0200).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 416/1994. Für den Kostenersatz hat das Land aufzukommen (hg. Beschluß vom 6. Mai 1998, Zl. 96/21/0735).

Wien, am 16. Dezember 1998

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