VwGH 97/21/0229

VwGH97/21/022926.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 9. Jänner 1997, Zl. Fr-588/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 idF 1996/436;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
MRKZP 07te Art1;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 idF 1996/436;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
MRKZP 07te Art1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 9. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsbürger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) ausgewiesen.

Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 16. Oktober 1996 im Gemeindegebiet von Loipersbach unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn kommend nach Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden sei. Bei ihm seien nur geringfügige Barmittel vorgefunden worden und er habe den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht. Die Hintanhaltung der illegalen Einreise von einer großen Anzahl von Fremden - überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente - liege im öffentlichen Interesse und es komme der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen ein großes Gewicht zu. Daher sei anzunehmen, daß die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sei.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß er gemäß § 6 des Asylgesetzes 1991 direkt nach Österreich eingereist sei, treffe nicht zu, weil diese Bestimmung allein darauf abstelle, aus welchem Gebiet der Fremde "direkt" (unmittelbar) in einen Vertragsstaat (der Genfer Flüchtlingskonvention, hier: Österreich) einreise. Der Beschwerdeführer sei aber aus Ungarn nach Österreich eingereist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde; sie sah von der Erstattung einer Gegenschrift aber ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er im Grunde des § 7 Asylgesetz 1991 im Besitz einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung sei. Sein Fluchtweg habe von Teheran über Istanbul, wo er sich nur wenige Stunden im Transitbereich des Flughafens aufgehalten habe, über Ungarn nach Österreich geführt. In Ungarn sei ihm von der Einwanderungsbehörde die Erteilung eines Sichtvermerkes verweigert worden. In keinem der Durchreisestaaten sei der Beschwerdeführer vor Verfolgung sicher gewesen; die Türkei schiebe immer wieder Flüchtlinge in den Iran ab; Ungarn habe die Genfer Flüchtlingskonvention bezüglich Flüchtlinge aus nicht-europäischen Staaten nicht ratifiziert und besitze kein förmliches Verfahren zur Prüfung der Einhaltung des Refoulement-Verbotes für Schutzsuchende aus nicht-europäischen Staaten. Der Beschwerdeführer habe auch rechtzeitig einen Asylantrag gestellt. Daß er gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, sei auch daraus zu erschließen, daß er in die Bundesbetreuung aufgenommen worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde durfte sich nämlich über das bereits in der Berufung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er in den Durchreisestaaten von einer Rückschiebung in jenen Staat bedroht sei, in dem verfolgt zu werden er behauptet, und daß er aus diesem Grunde gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, nicht mit der bloßen Begründung hinwegsetzen, daß er aus Ungarn nach Österreich eingereist sei. Bezüglich der Frage, ob ein Asylwerber zum vorläufigen Aufenthalt gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 berechtigt - und daher eine Ausweisung gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unzulässig - ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auch maßgeblich, ob der Betroffene in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht war oder ob er wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht zurückgewiesen hätte werden dürfen und ihm die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu gestatten gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0005, vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1170, vom 29. Februar 1996, Zl. 94/18/0746, vom 19. Juni 1996, Zl. 96/21/0403, und vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0701). Nach dem Auftrag dieser Gesetzesstelle ist nämlich solchen Fremden in Beachtung des Refoulement-Verbotes die Einreise zu gestatten, und stellt das Gesetz hinsichtlich der Erlangung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht darauf ab, ob die Einreise gestattet wurde. Daher kommt auch solchen Asylwerbern, die triftige Gründe für ihre illegale Einreise vorbringen können (etwa daß sie im Falle des Versuches einer legalen Einreise aus dem Drittstaat unter Verletzung des Refoulement-Verbotes des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG direkt oder indirekt in den Verfolgerstaat zurückgeschoben worden wären), die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zu, wenn sie unverzüglich nach Wegfall entgegenstehender Hindernisse innerhalb der Frist des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 den Wunsch oder die Absicht erkennen lassen, einen Asylantrag zu stellen (vgl. § 6 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991). Die belangte Behörde hätte sich somit bei der Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 i. V.m. § 6 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob einer Zurückweisung des Beschwerdeführers an der Grenze angesichts einer in Ungarn drohenden Gefahr einer Zurückschiebung in jenen Staat, in dem er verfolgt zu werden behauptet, das Zurückweisungsverbot des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG entgegenstand und ob der Beschwerdeführer aus diesem Grunde gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen wäre.

Die Beschwerde ist im übrigen auch deswegen berechtigt, weil sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, aus welchen konkreten - die spezielle Situation des Beschwerdeführers betreffenden - Gründen seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 17 Abs. 2 letzter Halbsatz FrG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 436/1996 tatsächlich erforderlich war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 96/21/1007, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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