Normen
AufG 1992;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
AufG 1992;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Jänner 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Beschwerdeerledigung von Belang - folgendes aus:
Der Beschwerdeführer sei im April 1988 als Tourist in das Bundesgebiet eingereist. Seine türkische Ehegattin habe er nach 20 Tagen nachkommen lassen. Ein vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei abgelehnt worden. Auch die türkische Ehegattin habe keine Arbeitserlaubnis gehabt. Daraufhin habe sich der Beschwerdeführer von seiner türkischen Gattin scheiden lassen und am 31. Juli 1989 die österreichische Staatsbürgerin Irene Maria S. geheiratet. In der Folge habe er einen Befreiungsschein und kurz darauf Arbeit gefunden, woraufhin er auch Sichtvermerke und zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung (gültig vom 31. Mai 1994 bis 31. Mai 1996) erhalten habe, die jedenfalls auf die Scheinehe zurückzuführen seien.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1. Juni 1995, rechtskräftig seit 11. Mai 1996, sei die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden. Aus dem Nichtigkeitsurteil ergebe sich, daß die Ehe nur geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, wie die Erlangung eines Befreiungsscheines, einer Aufenthaltsbewilligung und der österreichischen Staatsbürgerschaft, wobei die Begründung einer ehelichen Gemeinschaft nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt sei. Die österreichische Gattin, die sich in einer wirtschaftlich angespannten Lage befunden habe, habe für die Eheschließung Geld erhalten. Seit 27. Juni 1994 sei der Beschwerdeführer als Maurer beschäftigt.
Bei einer Eheschließung, die nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte erfolge, handle es sich um einen Mißbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe, der als schwerwiegende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung anzusehen sei. Dieses Fehlverhalten sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stelle eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige. In einem solchen Fall sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, sofern dem nicht die §§ 19 und 20 leg. cit. entgegenstünden (dazu folgt eine - hier nicht wiedergegebene - nähere Begründung).
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er die (inzwischen für nichtig erklärte) Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin bereits vor siebeneinhalb Jahren geschlossen habe. Er habe sich seither wohlverhalten, sei bei einem Bauunternehmen beschäftigt, habe zwischenzeitlich eine Eigentumswohnung erworben und lebe mit seiner von ihm geschiedenen Frau wieder zusammen. Er sei vollkommen integriert. Durch sein lang zurückliegendes Fehlverhalten erscheine die öffentliche Ordnung nicht mehr gefährdet.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn zwar keiner der (demonstrativ aufgezählten) Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582, vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315, vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053, vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1084, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/18/0290).
2.2. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Befreiungsschein, Aufenthaltsberechtigung) erblickt.
2.3. Der Gerichtshof hat in zahlreichen Fällen die Ansicht vertreten, daß es sich bei einem derartigen rechtsmißbräuchlichen Verhalten eines Fremden um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Fehlverhalten handelt, das eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstellt, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigt (vgl. auch dazu beispielsweise die oben 2.1. zitierten Erkenntnisse). Diese Judikatur kann indes nicht für alle Fälle des in Rede stehenden Rechtsmißbrauches - unabhängig davon, wie lang dieses Fehlverhalten zurückliegt und wie sich der Fremde seither verhalten hat - Gültigkeit in Anspruch nehmen.
2.4. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung, oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen gefährdet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0049). Um eine solche Prognose treffen zu können, ist nicht allein auf das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden Bedacht zu nehmen, sondern - unter der Voraussetzung seitherigen Wohlverhaltens - auch auf den seit Verwirklichung dieses Fehlverhaltens verstrichenen Zeitraum. Dieser zuletzt genannte vom Gerichtshof in Ansehung des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG als wesentlich erachtete Gesichtspunkt (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/18/1244) kommt auch für die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger (einer österreichischen Staatsbürgerin) zum Tragen: Je länger die Eheschließung zurückliegt, umso mehr Gewicht ist dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitpunkt für die zu treffende Prognose zuzumessen. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
3. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides waren seit der rechtsmißbräuchlichen Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer siebeneinhalb Jahre vergangen. Unter Zugrundelegung der Ausführungen der belangten Behörde in diesem Bescheid hat der Beschwerdeführer seit seiner Eheschließung kein (fremdenrechtlich relevantes) Fehlverhalten gesetzt. Auch aus dem Inhalt der vorgelegten Akten ergibt sich nichts Gegenteiliges. Angesichts dieses langen Zeitraumes des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde nicht (mehr) zu dem Ergebnis gelangen, der besagte Rechtsmißbrauch rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG). Der Umstand, daß dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagt worden ist (Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Dezember 1996) und er sich zur Zeit der Erlassung der hier bekämpften Entscheidung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, kann im gegebenen Zusammenhang nicht zuungunsten des Beschwerdeführers gewertet werden, ist doch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung mit der, wie dargetan, für die Erstellung einer Prognose nach § 18 Abs. 1 FrG nicht (mehr) tragfähigen rechtsmißbräuchlichen Eheschließung durch den Beschwerdeführer begründet worden.
4. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde die für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wesentliche Voraussetzung, nämlich das Gerechtfertigtsein der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme, zu Unrecht bejaht hat, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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