VwGH 94/18/0315

VwGH94/18/031521.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. April 1994, Zl. III 11-7/94, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
VwRallg;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 3. April 1990 gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien und am 4. September 1992 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet in Form eines Sichtvermerkes zu verschaffen. Die unrichtigen Angaben hätten darin bestanden, daß er die genannten Behörden bzw. ihre Organe glauben gemacht habe, er führe mit einer namentlich genannten österreichischen Staatsbürgerin eine Ehe, während dies nicht der Fall gewesen sei.

Bei der Beweiswürdigung sei zu beachten gewesen, daß der Beschwerdeführer drei Monate nach seiner Einreise, vor Stellung seines ersten Sichtvermerksantrages geheiratet habe. Die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin stimmten nicht miteinander überein, soweit es sich um die Umstände ihres Kennenlernens handle. Hinsichtlich der Zeit des Kennenlernens ließen die Aussagen eine auf eine Absprache zurückzuführende Tendenz erkennen, den Zeitpunkt des Kennenlernens möglichst weit vor der Eheschließung anzugeben (Herbst 1989 bzw. 5 Monate vor der Eheschließung). Dem stehe allerdings gegenüber, daß der Beschwerdeführer laut seinen Angaben im Sichtvermerksantrag vom 3. April 1990 erst am 17. Dezember 1989 in das Bundesgebiet eingereist sei. Die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin seien unglaubwürdig. Richtig sei vielmehr, daß der Beschwerdeführer während seines sichtvermerksfreien Aufenthaltes in der Dauer von drei Monaten nach einer Möglichkeit gesucht habe, eine Bewilligung für seinen weiteren Aufenthalt zu erlangen, weil er länger hier bleiben habe wollen, um zu arbeiten. Über Bekannte sei er an eine in Geldnöten befindliche Österreicherin geraten, die er mit dem Versprechen, ihr bei der Lösung ihrer finanziellen Schwierigkeiten zu helfen, zur Heirat überredet habe. Diese Vorgangsweise entspreche der Lebenserfahrung in ähnlichen Fällen. Für die Richtigkeit dieser Annahmen spreche auch die Scheidungsklage der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 25. September 1990. Das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG und rechtfertige die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme. Im Hinblick auf den Mißbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten und damit gemäß § 19 FrG zulässig.

Die im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung falle zuungunsten des Beschwerdeführers aus. Sein Aufenthalt sei seit 21. März 1993 infolge Fehlens einer Aufenthaltsbewilligung unrechtmäßig. Er arbeite als Hilfsarbeiter. Familiäre Bindungen habe er zu einer in Tirol lebenden Schwester. Die Bindung an seine in Wien lebende Ehefrau sei nicht von Gewicht, zumal es sich ohnehin um eine sogenannte Schein- oder Zweckehe handle. Im Hinblick auf das Gewicht der durch das Verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen müßten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen in Kauf genommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Sachverhaltsfeststellung, daß die Eheschließung von vornherein nur dem Zweck gedient habe, dem Beschwerdeführer die für seinen Aufenthalt und seine Beschäftigung erforderlichen Berechtigungen zu verschaffen. Mit seinem Hinweis darauf, daß er und seine Ehefrau übereinstimmend angegeben hätten, die am 19. März 1990 geschlossene Ehe sei eine Liebesheirat gewesen, vermag er keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung darzutun. Die belangte Behörde hat ausgeführt, aus welchen Erwägungen sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau kein Glauben geschenkt werden könne. Diese Erwägungen stehen mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens im Einklang.

Die Feststellung, die Ehe sei bloß zum Zweck der Erreichung der Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers geschlossen worden, begegnet somit keinen Bedenken.

2.1. Die belangte Behörde hat in rechtlicher Hinsicht die Aufffassung vertreten, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei erfüllt. Diese Rechtsansicht ist verfehlt, weil die in den Sichtvermerksanträgen enthaltenen Angaben betreffend den Familienstand des Beschwerdeführers und den Namen seiner Ehefrau im Hinblick auf den aufrechten Bestand der Ehe nicht unrichtig gewesen sind. Welche konkreten anderen Angaben des Beschwerdeführers unrichtig gewesen sein könnten, ist den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen.

2.2. Dieser Rechtsirrtum der belangten Behörde führte allerdings zu keiner Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, weil die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, das Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, im Ergebnis zu Recht besteht. Ein Aufenthaltsverbot kann rechtens nämlich ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0482, mwN).

Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG fällt entscheidend ins Gewicht, daß die Eingehung einer Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmißbrauch darstellt, der die öffentliche Ordnung gefährdet und seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582). Dazu kommt noch der unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 21. März 1993. Mit seinen Ausführungen, es erscheine aus rechtsstaatlichen Überlegungen unzulässig, einer fremdenpolizeilichen Behörde die Beurteilung zu überlassen, aus welchen Überlegungen eine Ehe geschlossen worden sei, führt der Beschwerdeführer keine Argumente ins Treffen, die den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von der zitierten Rechtsprechung veranlassen könnten. Die Tatsache, daß die Ehe nicht für nichtig erklärt wurde, vermag den Standpunkt des Beschwerdeführers nicht zu stützen, weil die Beurteilung, daß eine Ehe rechtsmißbräuchlich, weil ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen, eingegangen worden sei, die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 19. Mai 1994).

3.1. Im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (seit 17. Dezember 1989) ist mit der belangten Behörde davon auszugehen, daß das Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreift. Ein relevanter Eingriff in sein Familienleben ist damit jedoch nicht verbunden, weil die mißbräuchliche Eingehung der Ehe zur Folge hat, daß sich der betreffende Fremde nicht mit Erfolg auf die Schutzwürdigkeit einer solchen Ehe berufen kann. Die Tatsache, daß eine Schwester des Beschwerdeführers in Österreich lebt, ist im gegebenen Zusammenhang ohne Belang, weil Beziehungen zu Geschwistern, sofern sie nicht mit dem Fremden im gemeinsamen Haushalt leben (was vorliegend nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides nicht zutrifft) vom Schutzbereich des Familienlebens im Sinne des § 19 FrG nicht umfaßt sind (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 19. Mai 1994 mwN).

3.2. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei, kann im Hinblick auf das Ausmaß der durch das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers bewirkten Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens nicht entgegengetreten werden.

4. Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung fällt die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und die damit verbundene Integration nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht, weil der Aufenthalt seit 21. März 1993 unrechtmäßig ist und die Rechtmäßigkeit des Großteils des davor gelegenen Aufenthaltes im Bundesgebiet nur durch die Schließung einer sogenannten Scheinehe herbeigeführt wurde. Angesichts dessen ist die Auffassung der belangten Behörde nicht rechtswidrig, daß das hier maßgebliche öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen höher zu werten sei.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte