VwGH 95/18/0290

VwGH95/18/029014.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Z in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Dezember 1994, Zl. SD 995/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Dezember 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 25. Mai 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle ohne (den erforderlichen) Sichtvermerk mit Hilfe eines Schleppers illegal nach Österreich eingereist. Am 30. Oktober 1991 habe er die Ehe mit einer Österreichischen Staatsbürgerin deshalb geschlossen, um einen Befreiungsschein und eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Augrund seines Antrages vom 13. Februar 1992 sei ihm aufgrund der Ehe ein bis 17. Februar 1995 befristeter Sichtvermerk erteilt worden. Wegen seines bis dahin illegalen Aufenthalts sei er rechtskräftig bestraft worden. Die Ehe sei mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. April 1993 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil sie nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Der Beschwerdeführer habe darüberhinaus vor der Erstbehörde ausdrücklich zugegeben, mit seiner "Ehegattin", der er für die Eheschließung einen Betrag von S 70.000,-- versprochen habe, nie im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben.

Die Eingehung einer Ehe zwecks Beschaffung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. einer Arbeitserlaubnis stelle einen evidenten Rechtsmißbrauch und daher ein Fehlverhalten dar, das die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, "gravierend" beeinträchtige, sodaß die im § 18 Abs. 1 "leg. cit."

(offensichtlich gemeint: FrG) umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Aufgrund des relativ kurzen und zum Teil illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich könne im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG "nicht die Rede sein". Es sei daher nicht zu überprüfen gewesen, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Ebenso habe eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG nicht vorgenommen werden müssen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei von der Erstbehörde mit zehn Jahren richtig bemessen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, das Eingehen einer "Scheinehe" rechtfertige nicht die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, zumal dieses Verhalten bereits längere Zeit zurückliege und sich der Beschwerdeführer seitdem wohlverhalten habe. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers sei kein ähnlich schwerwiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung wie die im § 18 Abs. 2 FrG aufgezählten Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, wie z.B. die Verurteilung des Fremden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als drei Monaten.

1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der (demonstrativ aufgezählten) Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053, mwN.).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) erblickt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handelt es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Fehlverhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstellt, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen sowie einer geordneten Ausländerbeschäftigung) rechtfertigt (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/1053).

1.3. Der Beschwerdeführer vermeint, er sei "in Österreich seit Jahren sozial integriert", habe hier seinen Lebensmittelpunkt und aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts in Österreich seine "sozialen Bindungen zur Türkei bereits längst verloren". Für den Fall, daß er Österreich verlassen müsse, würde er "beruflich und sozial völlig entwurzelt werden". Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei daher im Grunde des § 19 FrG nicht zulässig.

Dieser Beschwerdeeinwand ist nicht zielführend. Zunächst ist festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur teilweise rechtmäßig war und - soweit berechtigt - ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlichen eingangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen basiert. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für den Standpunkt der Beschwerde nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgeht, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstößt gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen lassen - eine Beurteilung, die umsomehr zutrifft, als der Beschwerdeführer bei Zugrundelegung der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im bekämpften Bescheid - unter Umgehung der Grenzkontrolle mit Hilfe eines Schleppers illegal nach Österreich eingereist und aufgrund des anschließenden illegalen Aufenthaltes bestraft worden ist, wodurch er das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zusätzlich beeinträchtigt hat.

1.4. Bei Annahme eines Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG, wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Dauer seines Aufenthaltes, die Berufstätigkeit und "Selbsterhaltungsfähigkeit" sowie auf die Tatsache, daß er über eine angemessene Wohnung verfüge. Im Falle einer "Abschiebung" wäre seine berufliche und soziale Existenz "vernichtet".

Im Hinblick darauf, daß der Aufenthalt und die Beschäftigung des Beschwerdeführers nur auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen sind, können weder diese Umstände noch die aus der Berufstätigkeit resultierende "Selbsterhaltungsfähigkeit" und Innehabung einer Wohnung wesentlich zu seinen Gunsten veranschlagt werden (vgl. auch dazu etwa das bereits mehrfach zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/1053). Die Tatsache einer geregelten Arbeit war im übrigen gemäß § 20 Abs. 1 FrG auch nicht in der Form zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß er durch ein Aufenthaltsverbot in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt sein könnte, da dieser Gesichtspunkt bei der Abwägung nach dieser Bestimmung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0338). Selbst bei Durchführung einer Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG wäre die belangte Behörde daher jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen als die dargestellten gewichtigen gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

1.5. Die Beschwerde vermeint, daß aufgrund des (geringen) Unrechtsgehaltes einer "bereits längere Zeit zurückliegenden Scheinehe" die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot für eine zu lange Dauer festgesetzt habe. Die Anwendung der "Höchstdauer" entspreche keinesfalls den "maßgeblichen Umständen" im Sinne des § 21 Abs. 2 FrG.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Danach ist - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, zu erlassen. Wenn sich die belangte Behörde im Ergebnis nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes - nämlich der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers hervorgerufenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung (konkret: eines geordneten Fremdenwesens) - vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582).

2. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerde den Umstand, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides als erste Gesetzesstelle § 23 Ehegesetz zitiert sei und in der Folge die Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und der §§ 19 und 20 jeweils nur mit dem Zusatz "leg. cit." zitiert seien. Aus dem Zusammenhang ergebe sich somit, daß auch mit den letztgenannten Zitaten auf Bestimmungen des Ehegesetzes Bezug genommen werde.

Die belangte Behörde hat im Spruch ihres Bescheides ausgesprochen, daß sich das Aufenthaltsverbot auf "§ 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992" stützt. Bereits daraus wird deutlich, daß es sich bei der Zitierung von "§ 18 Abs. 1 leg. cit." (nach vorangegangenem Zitat von § 23 Ehegesetz) in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur um ein Versehen handelt und es richtig "§ 18 Abs. 1 Fremdengesetz" heißen soll. Entsprechendes gilt für die Zitierung "§§ 19 und 20 leg. cit". Daß damit eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers bewirkt worden wäre, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen.

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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