VwGH 97/11/0088

VwGH97/11/00885.8.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. März 1997, Zl. MA 65-8/674/96, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §76 Abs3;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §44a Z1;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §76 Abs3;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers verfügt wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde - soweit er Gegenstand der vorliegenden Beschwerde und damit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist - dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 3 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von zwei Wochen vorübergehend entzogen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Abspruches geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde ging bei der Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers von dessen Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 aus. Sie nahm als erwiesen an, daß er zu einer näher bezeichneten Tatzeit auf einer im Wiener Gemeindegebiet gelegenen Straßenstrecke mit dem von ihm gelenkten Pkw die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 50 km/h überschritten habe, also mit 100 km/h oder schneller gefahren sei. Deswegen sei er mit Berufungbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Februar 1996 (richtig: 1997) rechtskräftig einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 für schuldig erkannt worden.

Soweit sich die belangte Behörde auf die aus der rechtskräftigen Bestrafung erfließende Bindungswirkung beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß sich diese Wirkung lediglich auf den Umstand bezieht, daß der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, also schneller als 50 km/h gefahren ist. In Ansehung des Ausmaßes dieser Geschwindigkeitsüberschreitung besteht hingegen eine solche Bindungswirkung nicht, weil dieses nicht Tatbestandselement der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ist. Umgekehrt ist vorauszuschicken, daß die Feststellung der Geschwindigkeit unter Zuhilfenahme eines - wenn auch nicht geeichten - Tachometers "mit einem technischen Hilfsmittel" im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 erfolgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1997, Zl. 96/11/0291, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Zu dem im vorliegenden Fall entscheidenden, vom Beschwerdeführer jedenfalls bestrittenen Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, zu dem sich die belangte Behörde offenbar im Hinblick auf die von ihr rechtsirrtümlich angenommene Bindung an die rechtskräftige Bestrafung in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht geäußert hat, wird in der Gegenschrift ausgeführt, die vom Beschwerdeführer eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h "sei der Aktenlage, insbesondere dem Inhalt der dem Beschwerdeführer bekannten Anzeige ... entnommen worden". Der Beschwerdeführer hat aber sowohl im Entziehungsverfahren als auch im Verwaltungsstrafverfahren bestritten, mit einer höheren Geschwindigkeit als 90 km/h gefahren zu sein. Wenn auch die dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende Anzeige ein Beweismittel darstellt, wurde dessen Richtigkeit in Frage gestellt. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, eigene Ermittlungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung anzustellen oder auszuführen, warum sie in freier Beweiswürdigung ohne solche Ermittlungen zur Annahme gekommen sei, die Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers habe mehr als 90 km/h betragen. Dazu kommt - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist -, daß der Unabhängige Verwaltungssenat Wien in seinem Berufungsbescheid vom 5. Februar 1997 ausdrücklich ausgeführt hat, anders als die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eine geringere Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers als 100 km/h als erwiesen anzunehmen; aus diesem Grunde setzte er die im erstinstanzlichen Straferkenntnis mit S 4.000,-- bemessene Strafe auf S 2.500,-- herab.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil der Sachverhalt in der Frage, ob eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 vorliegt, in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf. Der angefochtene Bescheid war - im Rahmen der Anfechtung - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz des Schriftsatzaufwandes nach der zitierten Verordnung mit S 12.500,-- pauschaliert und die Umsatzsteuer in diesem Betrag bereits enthalten ist.

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