VwGH 97/10/0189

VwGH97/10/018922.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des Mag. F in Baden, vertreten durch Dr. Günther Steiner und Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwälte in Wien VIII, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Juli 1997, Zl. UVS-07/L/06/00247/97, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4 idF 1983/176;
VStG §9 Abs4;
AVG §45 Abs2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4 idF 1983/176;
VStG §9 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der W. GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit Sitz in W., H.-Gasse X., am 21. November 1996 um 10.30 Uhr in W., R.-Straße Y, insofern nicht dafür Sorge getragen habe, daß Lebensmittel nicht hygienisch nachteilig beeinflußt in Verkehr gebracht werden, obwohl eine Vorsorge gegen hygienisch nachteilige Beeinflußung nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar gewesen sei, als

1. in einem von der Küche aus begehbaren Lagerraum im Erdgeschoß auf einem Holzrost eine tote Schabe und Schabenexekremente gefunden worden seien, in der Küche unter einem Tuch, welches auf einer Ablagefläche unter einer Abwäsche und mit Schabenexkrementen verunreinigt gewesen sei, zwei lebende Schaben wahrgenommen worden seien, in 50 cm Entfernung neben genannter Ablagefläche ein Rollwagen abgestellt gewesen sei, auf dem Behältnisse mit Pannadenflüssigkeit und Brösel gelagert worden seien und gegenüber der genannten Abwäsche im Zeitpunkt der Revision in 1 m Entfernung auf einer Arbeitsfläche von einem Koch Frischfleisch geschnitten worden sei,

2. auf dem oben genannten Holzrost, auf dem eine tote Schabe gefunden worden sei, ein offener Sack mit Staubzucker abgestellt und ein Kunststoffgefäß mit Mehl nicht verschlossen gewesen sei.

Eine nach dem Stand der Wissenschaft mögliche und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbare Hintanhaltung einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung sei die Schädlingsbekämpfung durch ein Fachunternehmen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86/1975 (LMG) in Verbindung mit § 20 leg. cit. begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, für das Restaurant W., R.-Straße Y, sei H.E. zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Dies sei der Verwaltungsstrafbehörde auch unter Anschluß des Zustimmungsnachweises und der Dienstzettel bekanntgegeben worden. Es sei klar ersichtlich gewesen, für welchen räumlich und sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens H.E. zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, nämlich für das Restaurant in W., R.-Straße Y. Die Notwendigkeit der expliziten Anführung eines räumlich und sachlich abgegrenzten Bereiches im Zustimmungsnachweis selbst sei weder dem Gesetz noch der Judikatur zu entnehmen. Der Beschwerdeführer habe in der Berufungsverhandlung zur Feststellung des räumlichen Verantwortungsbereiches die Ladung und Einvernahme von H.E. als Zeugen beantragt. Die belangte Behörde habe diesen Beweisantrag zu Unrecht abgewiesen.

Was die angelasteten Hygienemängel betreffe, so sei dem Beschwerdeführer Fahrlässigkeit nicht anzulasten. Der angefochtene Bescheid verkenne, daß die nach der Verkehrsauffassung mögliche und zumutbare Hintanhaltung einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln erfolgt sei. Im gegenständlichen Betrieb seien regelmäßig - im Abstand weniger Wochen - Schädlingsbekämpfungen vorgenommen worden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind nach § 9 Abs. 2 leg. cit. berechtigt, und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Um von einem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG sprechen zu können, ist dessen nachweisliche Zustimmung zu seiner Bestellung erforderlich. Diese Bestellung wird erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, wirksam. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle der zur Vertretung nach außen Berufenen. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. N.F. 12.375/A, u.a.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuweisung der (der Verantwortung) "entsprechenden Anordnungsbefugnis" (§ 9 Abs. 4 VStG) - gleich der Zustimmung zur Bestellung - der Behörde nachzuweisen. Andernfalls liefe die Anordnung des § 9 Abs. 4 VStG insoweit leer, als die Behörde keine Möglichkeit hätte, zu überprüfen, ob die von einer bestimmten Person (für einen klar abzugrenzenden Bereich) übernommene Verantwortung nicht bloß eine leere Hülse ist, sondern tatsächlich in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann, wozu es eben der "entsprechenden Anordnungsbefugnis" bedarf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1990, 90/19/0323, vom 25. Oktober 1994, 94/07/0027, u.a.).

Die Anordnungsbefugnis des verantwortlichen Beauftragten und der seiner Verantwortung unterliegende klar abzugrenzende Bereich sind untrennbar miteinander verbunden; die Anordnungsbefugnis hat sich auf diesen Bereich zu beziehen. Für den der Verantwortung des verantwortlichen Beauftragten unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich gilt daher dasselbe wie für die Anordnungsbefugnis, nämlich daß dieser Bereich der Behörde durch ein aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammendes Beweismittel nachzuweisen ist. Dies ergibt sich im übrigen auch noch aus einer weiteren Überlegung:

§ 9 Abs. 4 VStG verlangt eine nachweisliche Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung. Diese Zustimmung muß sich auf alle für den Umfang der Verantwortung relevanten Umstände beziehen, somit also auch auf den der Verantwortung des bestellten Beauftragten unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich.

Der vom Beschwerdeführer angesprochene Zustimmungsnachweis betreffend die Bestellung von H.E. als verantwortlicher Beauftragter enthält nicht den geringsten Hinweis darauf, auf welchen räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens H.E. zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden sollte. Aus diesem Zustimmungsnachweis ergibt sich nicht einmal, für welches Unternehmen er gelten soll.

Dem vom Beschwerdeführer angesprochenen Dienstzettel für H.E. ist zu entnehmen, wann H.E. in das Unternehmen W. GesmbH eingetreten ist, was seine Funktion war, wie er eingestuft wurde und welchen Bruttomonatslohn er erhielt. Weiters finden sich darin arbeitsrechtliche Hinweise, darunter der, daß das abgeschlossene Arbeitsverhältnis sich nicht auf einen Einzelbetrieb, sondern auf das Gesamtunternehmen W. GesmbH bezieht.

Der Änderungsdienstzettel enthält die an H.E. gerichtete Mitteilung, daß er mit Wirkung vom 1. Juli 1991 als Betriebsleiter ein bestimmtes Bruttoeinkommen erhalten werde.

Was aus dem Dienstzettel und aus dem Änderungsdienstzettel für die Frage des der Verantwortung von H.E. unterliegenden klar abzugrenzenden Bereiches zu gewinnen sein soll, bleibt unerfindlich.

Der Antrag auf zeugenschaftliche Einvernehmung von H.E. war von vornherein ungeeignet, den in Rede stehenden Nachweis zu erbringen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 822, unter Nr. 6 B angeführte Judikatur).

Der Verwaltungsstrafbehörde wurde somit nicht nachgewiesen, daß- H.E. zum verantwortlichen Beauftragten für das Restaurant der W. GesmbH in W., R.-Straße Y bestellt wurde.

Die Zustimmungserkläung des H.E. war im übrigen auch deswegen nicht geeignet, einen Übergang der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vom Beschwerdeführer auf H.E. zu bewirken, weil sie nicht erkennen läßt, für welche juristische Person sie gelten soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 94/07/0027).

Zu Recht wurde daher der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Übertretung des LMG zur Verantwortung gezogen.

Nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (u.a.) den Bestimmungen des § 20 LMG zuwiderhandelt.

Nach § 20 LMG hat derjenige, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, es sei im fraglichen Betrieb die nach der Verkehrsauffassung mögliche und zumutbare Hintanhaltung einer hygienisch nachteiligen Beeinflußung von Lebensmitteln erfolgt, ausschließlich damit, daß regelmäßig im Abstand weniger Wochen Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen vorgenommen worden seien. Diese Behauptung ist durch das Ergebnis des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens widerlegt. Wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde ergibt, erfolgte lediglich am 8. März 1996 eine Schädlingsbekämpfung im gesamten Betrieb durch ein befugtes Fachunternehmen. Weitere Bekämpfungsmaßnahmen erfolgten erst am 28. September 1996 und am 25. Oktober 1996; diese bezogen sich aber jeweils nur auf den Keller. Von einer regelmäßigen, im Abstand weniger Wochen durchgeführten Schädlingsbekämpfung kann daher keine Rede sein. Daß die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen der Schädlingsbekämpfung nicht ausreichten, ist durch die festgestellten Mißstände erwiesen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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