Normen
AsylG 1991 §6 Abs3;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
AsylG 1991 §6 Abs3;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. April 1996 gerichtet, mit welchem der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG), in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 436/1996, ausgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 5. Februar 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist sei. Er sei weder im Besitz eines gültigen Reisepasses noch einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich gewesen. Er habe am 5. Februar 1996 einen Asylantrag gestellt, welcher abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat am 1. Februar 1996 verlassen und sei auf dem Landweg über Ungarn, wo er sich zwei Tage aufgehalten habe, nach Österreich eingereist. Er sei somit nicht direkt aus dem Land eingereist, in dem er behaupte, verfolgt zu werden. Es komme ihm demnach auch kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zu. Der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner Einvernahme am 8. Februar 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden angegeben, daß er illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und derzeit völlig mittellos sei. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher, nunmehr fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liege dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage sei. Wolle er diese Rechtsfolgen vermeiden, so liege es an ihm, von sich aus initiativ zu beweisen, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Beweislast entsprechend zu handeln, seien demnach keineswegs geboten. Der Mißachtung der für die Einreise nach und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle stelle einen Verstoß gegen das österreichische Grenzkontrollgesetz dar. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei ein rechtswidriger, der als Übertretung des Fremdengesetzes von nicht unerheblicher Bedeutung zu werten sei. Somit seien sämtliche Tatbestandsmerkmale der zitierten gesetzlichen Bestimmungen erfüllt.
Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er zum Zeitpunkt seiner Erlassung im Besitz eines vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 gewesen sei und deswegen nicht hätte ausgewiesen werden dürfen. Er sei in einer ununterbrochenen, kontinuierlichen Fluchtbewegung von Jugoslawien nach Österreich gelangt und habe Ungarn nur durchreist, wobei er dort in keiner Weise stationär Aufenthalt genommen habe. Er habe sich während seines Aufenthalts in Ungarn im Stadium der Flucht befunden. Angesichts der objektiven Verhältnisse in Ungarn sei es nicht gerechtfertigt, diesen Staat für kosovo-albanische Flüchtlinge generell als verfolgungssicheren Staat einzustufen. Flüchtlinge in Ungarn müßten vielfach mit der Anhaltung in Abschiebelagern rechnen, in welchen katastrophale Zustände herrschten, und es bestehe keine rechtliche Möglichkeit, einen Schutz vor Refoulement im Sinne des Art. 33 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention geltend zu machen. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auf sein in der Berufung erstattetes Vorbringen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Der Beschwerdeführer hat nämlich in der gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz erhobenen Berufung ausführlich zur Situation von Asylwerbern und Flüchtlingen aus dem Kosovo Stellung genommen und unter Hinweis auf der Berufung auszugsweise angefügte diesbezügliche Berichte von nicht-staatlichen Organisationen ausgeführt, daß er - wäre er länger in Ungarn verblieben und nicht nach Österreich weitergereist - in ein Abschiebelager eingewiesen worden wäre, in welchem entwürdigende Zustände herrschten, und daß er vor einer Abschiebung nach Jugoslawien, insbesondere angesichts des Fehlens eines dagegen bestehenden Rechtsmittels, nicht sicher gewesen sei.
Über dieses Vorbringen durfte sich die belangte Behörde nicht mit der bloßen Begründung hinwegsetzen, daß der Beschwerdeführer aus Ungarn nach Österreich eingereist sei.
Bezüglich der Frage, ob ein Asylwerber zum vorläufigen Aufenthalt gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 berechtigt - und daher eine Ausweisung gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unzulässig - ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auch maßgeblich, ob der Betroffene in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht war oder ob er wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht zurückgewiesen hätte werden dürfen und ihm die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu gestatten gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0005, vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1170, vom 29. Februar 1996, Zl. 94/18/0746, vom 19. Juni 1996, Zl. 96/21/0403, und vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0701). Nach dem Auftrag dieser Gesetzesstelle ist solchen Fremden in Beachtung des Refoulement-Verbotes die Einreise zu gestatten, und stellt das Gesetz hinsichtlich der Erlangung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht darauf ab, ob die Einreise gestattet wurde. Daher kommt auch solchen Asylwerbern, die triftige Gründe für ihre illegale Einreise vorbringen können, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zu, wenn sie unverzüglich nach Wegfall entgegenstehender Hindernisse innerhalb der Frist des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 den Wunsch oder die Absicht erkennen lassen, einen Asylantrag zu stellen (vgl. § 6 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, Zl. 97/21/0229).
Die belangte Behörde hätte sich im Sinne der genannten Rechtsprechung mit der konkreten und aktuellen Praxis von Ungarn hinsichtlich der Einhaltung des Refoulement-Verbotes in bezug auf die in § 37 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren auseinandersetzen müssen. Weil sie dies in Verkennung der Rechtslage verabsäumt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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