VwGH 96/18/0582

VwGH96/18/058218.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der A in Wien, vertreten durch Dr. Theresa Jordis, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid (Spruchpunkt 1.) der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juni 1996, Zl. SD 699/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AVG §13a;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AVG §13a;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Juni 1996 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung verfügt (Spruchpunkt 1.).

Die Beschwerdeführerin sei nach eigenen Angaben am 2. März 1995 aus Deutschland kommend in Österreich eingereist. Am 10. April 1995 habe sie die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragt. Dieser Antrag sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 8. Mai 1995 und mit dem aufgrund einer Berufung im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. September 1995 abgewiesen worden. Am 7. November 1995 habe die Beschwerdeführerin bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes (Aufenthaltsrecht gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes) eingebracht.

Bosnische Staatsangehörige seien nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes in Verbindung mit dem Sichtvermerksabkommen bis zum 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen, wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügt hätten. Sie seien darüber hinaus aufgrund der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zum vorübergehenden Aufenthalt - nach dieser Verordnung bis Ende Juni 1996 - berechtigt, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte hätten verlassen müssen und anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 nach Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden wäre.

Die Beschwerdeführerin vertrete den Standpunkt, daß sie als bosnisch-herzegowinische Staatsbürgerin (moslemischer Abstammung) aufgrund des bewaffneten Konfliktes in ihrer Heimat diese hätte verlassen müssen und im Dezember 1995 aus Deutschland kommend mit einem bosnischen Paß nach Österreich eingereist wäre und daher als bosnischer Kriegsflüchtling im Sinne der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ein Aufenthaltsrecht bis 30. Juni 1996 hätte.

Diese Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin sei verfehlt. Sie behaupte nicht einmal, sich der Grenzkontrolle gestellt zu haben. Dies sei aber eine der wesentlichen Voraussetzungen für das vorübergehende Aufenthaltsrecht. Es sei daher mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertritts der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle auch die Verwirklichung des weiteren kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihr ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht gekommen, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedinge.

Da die Beschwerdeführerin weder ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht habe noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfüge, sei sie nicht zum Aufenthalt berechtigt. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstünde.

Soweit die Beschwerdeführerin angebe, daß sie bei ihrer Schwester und ihrem Schwager wohne, sei von einem Eingriff in ihr Familienleben auszugehen. Dieser Einfgriff sei aber zur Verteidigung eines geordneten Fremendwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten, zumal einem geordneten Fremdenwesen ein hoher Stellenwert zukomme. Die Beschwerdeführerin sei, wie die Erstbehörde zutreffend festgestellt habe, seit 3. Juni 1995 nicht mehr rechtmäßig in Österreich. Die Tolerierung eines weiteren illegalen Aufenthaltes würde der Beschwerdeführerin einen tatsächlichen, jedoch rechtswidrigen Aufenthalt auf Dauer verschaffen, was einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderliefe. Soweit die Beschwerdeführerin in der Berufung vorbringe, daß sie nach Bosnien-Herzegowina nicht zurückkehren könne, da sie dort der Gefahr von Terror und Verfolgung ausgesetzt wäre, sei dem zu erwidern, daß die Ausweisung lediglich das Verlassen des Bundesgebietes anordne. Durch die Ausweisung werde nicht festgestellt, daß die Beschwerdeführerin in ein bestimmtes Land auszureisen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß ihr eine Aufenthaltsberechtigung nach der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, zukomme. Sie habe sich an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich der Grenzkontrolle gestellt, ihr sei die Einreise gestattet worden und sie habe somit das österreichische Bundesgebiet im Sinne der internationalen Gepflogenheiten betreten. Daß die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei, entbehre einer haltbaren Begründung, zumal es Aufgabe der Behörde sei, den Nachweis darüber zu führen, daß die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist wäre. Für eine solche Umgehung gebe es aber weder im angefochtenen Bescheid noch in dem diesem zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren einen Hinweis. Da in ihrem Fall auch die "übrigen Voraussetzungen der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 unbestritten" vorlägen, komme der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht im Sinn dieser Verordnung zu.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Nach § 1 Abs. 2 dieser Veordnung besteht dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) bei der Grenzkontrolle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 95/18/0451, mwH). Wenn die belangte Behörde angenommen hat, daß die Beschwerdeführerin diesem Erfordernis nicht nachgekommen sei, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen, hat doch die Beschwerdeführerin nicht behauptet, in dem genannten Sinn an ein Grenzkontrollorgan herangetreten zu sein. Der Beschwerdeführerin ist es weiters im verwaltungsbehördlichen Verfahren im Rahmen der sie treffenden Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, nicht gelungen, für die in ihrer Berufung vorgebrachte Behauptung, ihre Einreise sei "im Sinne internationaler Gepflogenheiten erfolgt", entsprechende Beweise anzubieten (vgl. in diesem Sinn das zitierte Erkenntnis vom 22. Mai 1997, mwH). Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertritts der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet durch zur Grenzkontrolle berufene österreichische Organe kam daher - wie die belangte Behörde zutreffend festgehalten hat - die Verwirklichung des im § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung normierten, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. das besagte Erkenntnis vom 22. Mai 1997, mwH).

1.3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe nicht ausreichend ermittelt, ob sich die Beschwerdeführerin der Grenzkontrolle gestellt hätte bzw. unter welchen konkreten Umständen sie in das Bundesgebiet eingereist wäre, nicht zielführend. Entgegen der Beschwerde war die Behörde im Grunde des § 13a AVG auch nicht gehalten, der Beschwerdeführerin Unterweisungen dahingehend zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten habe, damit ihrem Standpunkt Rechnung getragen werden könne (vgl. in diesem Sinne die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, 1996, S 181, unter E 3, zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grunde des § 19 FrG. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei ihre Ausweisung nicht dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe weder die Grenzkontrolle umgangen noch habe sie gegen irgendeine Bestimmung der österreichischen Rechtsordnung verstoßen. Im gesamten Verfahren habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, daß sich die Beschwerdeführerin den Aufenthalt in Österreich erschlichen oder sich sonst unrechtmäßig verhalten hätte. Die Beschwerdeführerin sei vielmehr rechtmäßig nach Österreich eingereist und habe in der Folge alle ihr tunlich und notwendig erscheinenden Anträge gestellt. Sie habe auch in keinem der Anträge irgendwelche relevanten Umstände verschwiegen. Der Unterhalt und ihre Unterkunft bei ihrer Schwester und ihrem Schwager seien dauerhaft gesichert.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Ebenso zutreffend hat die Behörde aber die Auffassung vertreten, daß der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse wurde - entgegen der Beschwerde - durch den etwas mehr als einjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich erheblich beeinträchtigt. Dem gegenüber sind die privaten Interessen der Beschwerdeführerin angesichts ihres insgesamt nur kurzen Aufenthaltes in Österreich in der Dauer von etwa 15 Monaten und der daraus (allenfalls) abzuleitenden Integration nicht so stark ausgeprägt, daß sie dieses maßgebliche öffentliche Interesse überwiegen könnten. Daß die Beschwerdeführerin laut Beschwerde weder den Aufenthalt in Österreich erschlichen noch sich sonst unrechtmäßig verhalten habe, und daß ihr Unterhalt und ihre Unterkunft gesichert seien, hat weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0043).

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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