VwGH 96/04/0183

VwGH96/04/01831.7.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der A in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juni 1996, Zl. KUVS-1287/8/95, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §366 Abs1 Z2;
VStG §45 Abs1;
VStG §5 Abs1;
GewO 1994 §366 Abs1 Z2;
VStG §45 Abs1;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juni 1996, Zl. KUVS-1287/8/95, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 5. Juli 1995 als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben es als Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Espresso" zu verantworten, daß vom 10.7.1994 bis 22.8.1994 im Standort K, S-Weg 3 eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage, die geeignet ist, Nachbarn durch Lärm zu belästigen, indem Lärm durch lautes Musikspielen bei geöffneten Türen verursacht wurde, ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wurde."

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift: § 366 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994.

Hinsichtlich der Strafe wurde die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt, die Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- blieb unverändert.

Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, es stehe auf Grund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten vom 14. Juni 1996 sowie der Aussagen des beantragten Zeugen und eines Sachbearbeiters des Strafreferates der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als erwiesen fest, die Beschwerdeführerin sei auf Grund des Konzessionserteilungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 16. Februar 1993 zur Ausübung des gegenständlichen Gastgewerbes berechtigt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 5. August 1994 sei die Verlegung des Standortes des Gewerbebetriebes in den Standort S-Weg 3, K, mit Wirkung vom 1. Juli 1993 zur Kenntnis genommen worden. Die Beschwerdeführerin betreibe in diesem Gewerbestandort ein Espresso, dem ein Gastgarten, in welchem Stehpulte aufgestellt seien, vorgelagert sei. Das Lokal sei von der Terrasse durch eine Schiebetüre getrennt, welche geöffnet sei, um dem Servierpersonal die Bedienung der sich im Gastgarten aufhaltenden Gäste zu ermöglichen. Durch die geöffnete Lokaltüre dringe Musik aus einer im Lokal aufgestellten Stereoanlage ins Freie. In einer Entfernung von ca. 50 - 100 m vom Gastlokal befänden sich drei Hotels. Feststellungen darüber, ob Belästigungen der Nachbarn zumutbar seien, sei nicht im Strafverfahren, sondern erst im Genehmigungsverfahren zu treffen. Die Genehmigungspflicht sei immer schon dann gegeben, wenn die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 bezeichneten Auswirkungen nicht auszuschließen seien. Nach ständiger Spruchpraxis liege eine Genehmigungspflicht bereits dann vor, wenn das Auftreten nachteiliger Auswirkungen (Lärm durch eine Stereoanlage) auf Personen nicht ausgeschlossen werden könne. Auf die Beischaffung "entsprechender Vorakte" habe auf Grund der rechtlichen Beurteilungsmöglichkeit des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes auf Grundlage des vorgelegten Strafaktes verzichtet werden können. Mit der bloßen Behauptung der Beschwerdeführerin, sie betreibe das Gastlokal seit Jahren ohne ihr Verschulden ohne Betriebsanlagengenehmigung, könne sie mangelndes Verschulden nicht glaubhaft machen. Der Umstand, daß die Behörde erster Instanz erst nach vier Jahren des genehmigungslosen Betriebes der Betriebsanlage ein Strafverfahren eingeleitet habe, beweise in keiner Weise mangelndes Verschulden. Der Spruch des Straferkenntnisses entspreche vollinhaltich § 44a VStG, zumal die Umschreibung der Tat so genau erfolgt sei, daß die Beschuldigte in die Lage versetzt worden sei, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und bestraft zu werden. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, daß es sich beim Betrieb der Beschwerdeführerin um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 handle, wobei Feststellungen darüber, ob Belästigungen der Nachbarn zumutbar seien, nach Ansicht der Vorinstanz nicht im Strafverfahren zu treffen seien, sondern erst im Genehmigungsverfahren. Ohne Beiziehung von Sachverständigen sei die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die Betriebsanlage durch die Ausstattung geeignet wäre, Nachbarn zu belästigen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe allerdings in einem derartigen Fall eine Prüfung durch die Behörde vorgenommen zu werden, ob einerseits Gefährdungen von Nachbarn ausgeschlossen werden könnten bzw. ob Belästigungen auf das zumutbare Maß beschränkt seien. Diesbezüglich sei auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0238 bzw. Zl. 90/04/0281, zu verweisen. Das Ermittlungsverfahren sei auch deshalb mangelhaft geblieben, weil die Bezeichnung des Gastgewerbebetriebes der Beschwerdeführerin mit "Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart Espresso" nicht ausreichend sei, um eine Genehmigungspflicht daraus ableiten zu können. Im Zusammenhang damit sei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1991, Zl. 90/04/0216, zu verweisen. Die belangte Behörde habe in ihrem Ermittlungsverfahren auch keine Feststellungen über das konkrete Vorhandensein von Nachbarn getroffen. Schon im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß sie schuldlos im Sinne des § 5 VStG gehandelt habe, da sie den vorliegenden Betrieb bereits seit mehreren Jahren ohne Betriebsanlagengenehmigung betreibe. Sie habe deshalb davon ausgehen können, daß eine Betriebsanlagengenehmigung nicht erforderlich sei. Ein in der Vergangenheit gegen sie eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen desselben Vorwurfes sei von der Erstbehörde bereits eingestellt worden. Aus dieser Einstellung habe die Beschwerdeführerin berechtigterweise abgeleitet, daß eben das von ihr betriebene Espresso keine genehmigungspflichtige Betriebsanlage sei. Sie sei niemals von der Behörde aufgefordert worden, einen entsprechenden Antrag auf Betriebsanlagengenehmigung einzubringen. Die Beschwerdeführerin hätte aus all dem abgeleitet, daß es sich um eine geduldete Praxis durch die Behörde handle, insbesondere weil am Klopeinersee fast sämtliche Betriebe ohne Betriebsanlagengenehmigung ihre Arbeit aufnehmen würden. Diesbezüglich sei auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/11/0227, hinzuweisen. Die Beschwerdeführerin treffe aber auch deshalb kein Verschulden an der Tat, weil sie einen Antrag gemäß § 358 GewO 1994 an den Landeshauptmann von Kärnten gerichtet habe, damit festgestellt werde, ob der vorliegende Betrieb überhaupt einer Betriebsanlagengenehmigung bedürfe. Sie habe nicht wissen können, daß trotz Einleitung eines solchen Überprüfungsverfahrens während der Dauer dieses Verfahrens die Strafbarkeit eines Verwaltungsdeliktes nicht gehemmt sei. Die Behörde habe auch die Frage der Aktivlegitimation zur Bestrafung der Beschwerdeführerin falsch gelöst. Die Beschwerdeführerin habe "die besagten Objekte selbst in Bestand genommen" und sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, daß als Betreiber der Anlage der Vermieter des gesamten Betriebsareals anzusehen sei.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
  2. 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen,
  3. 3. ...

Soweit die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Genehmigungspflicht das Ermittlungsverfahren rügt und dabei auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verweist

(Zl. 90/04/0238 sowie Zl. 90/04/0281), so betreffen diese eine andere Frage, da es sich dort um Genehmigungsverfahren gemäß § 77 Abs. 1 GewO und nicht (wie im Beschwerdefall) um ein Verwaltungsstrafverfahren handelte. Die Beschwerde bietet aber auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde nicht von einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage hätte ausgehen dürfen, wenn sie auf Grund ihrer Ausführungen zu der Ansicht gelangt, daß nachteilige Auswirkungen (Lärm aus Stereoanlage) auf bestimmte Personen nicht auszuschließen sind.

Hinsichtlich des Vorwurfes der mangelhaften Bezeichnung des Gewerbebetriebes mit "Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart Espresso" und des diesbezüglichen Verweises auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 90/04/0216, ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides - anders als im Fall des zitierten Erkenntnisses - sehr wohl Sachverhaltselemente enthält, die eine Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 hervorrufen können (vgl. die Formulierung:

"... "Espresso" ... eine genehmigungpflichtige Betriebsanlage, die geeignet ist, Nachbarn durch Lärm zu belästigen, in dem Lärm durch lautes Musikspielen bei geöffneten Türen verursacht wurde ...").

Soweit gerügt wird, es seien keine Feststellungen über das "konkrete Vorhandensein" von Nachbarn getroffen worden, ist darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen ist, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist und erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihre Zurückhaltung ablegt und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft bekämpft, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat.

Zu den Einwänden des mangelnden Verschuldens der Beschwerdeführerin ist zunächst festzustellen, daß es sich bei einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 um ein Ungehorsamsdelikt handelt. Es besteht in solchen Fällen von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welches aber von ihm widerlegt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1992, Zl. 91/04/0019). Dazu muß dargetan werden, daß alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/04/0024). Insbesondere durfte die Beschwerdeführerin aus der Einstellung eines - dasselbe Delikt betreffenden - Strafverfahrens nicht ohne weiteres schließen, die Behörde teile ihre Rechtsansicht, weil ein Strafverfahren aus verschiedenen Gründen eingestellt werden kann (vgl. da hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1989, Zl. 88/03/0202).

Dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, daß es sich um eine geduldete Praxis durch die Behörde handle, insbesondere weil am Klopeinersee fast sämtliche Betriebe ohne Betriebsanlagengenehmigung ihre Arbeit aufnehmen, ist entgegenzuhalten, daß aus dem Umstand, daß Behördenorgane den Betrieb genehmigungsloser Betriebsanlagen "billigen", nicht die Rechtmäßigkeit eines solchen Verhaltens abgeleitet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1986, Zl. 85/02/0179). Das von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Standpunktes herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/11/0227, betraf schon deshalb einen anderen Fall, weil die Beschwerdeführerin gar nicht behauptet, von einer Änderung der Praxis der Behörde "überrascht" worden zu sein.

Daß die Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit einen Antrag gemäß § 348 GewO 1994 gestellt hat, ändert nichts an ihrem schuldhaften Verhalten.

Zur von der Beschwerdeführerin bestrittenen "Aktivlegitimation" genügt der Hinweis, daß hinsichtlich des Tatverhaltens des Betreibens nur der INHABER des betreffenden Standortes als unmittelbarer Täter in Betracht kommt (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/04/0223). Daß die Beschwerdeführerin nicht Inhaberin sei, also die Sache nicht in ihrer Gewahrsame habe, wird gar nicht behauptet.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte