Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2 idF 1994/610;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2 idF 1994/610;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, ist am 24. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 25. Oktober 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 6. März 1992 gab er an: Er sei Mitarbeiter der pentikostalen Kirche in Kafashan, der er seit Geburt angehöre. Es habe immer Kämpfe zwischen Moslems und Angehörigen anderer Glaubensrichtungen gegeben. Im letzten Jahr (vor der Flucht) seien die Moslems, unterstützt von der moslemischen Regierung, gewalttätig gegen Andersgläubige vorgegangen. Am 14. Oktober 1991 habe er sich zusammen mit seinem Bruder, der Rechtsanwalt in Kaduna sei, in der pentikostalen Kirche zu einer Messe eingefunden. Auf dem Nachhauseweg seien sie von Moslems unter Waffengewalt angehalten, gefangengenommen und in einem Wald festgehalten und geschlagen worden. Dabei sei er derart geschlagen worden, daß er bewußtlos geworden sei. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei er allein gewesen. Die Moslems, die sie geschlagen hätten, hätten ihm auch gedroht, in sein Dorf zu kommen und dort alles zu zerstören. Da auch von der Regierung gegen die gewalttätigen Moslems nichts unternommen würde und er in Nigeria nicht mehr habe leben wollen, habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Die Reise sei durch Freunde und durch die Kirche finanziert worden. Bis auf Probleme, die er als Mitglied der pentikostalen Kirche mit den Moslems gehabt habe, sei er in Nigeria keinen Verfolgungen durch Behörden ausgesetzt, nie in Haft gewesen und seien auch niemals grundlos Hausdurchsuchungen bei ihm vorgenommen worden.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark stellte mit Bescheid vom 11. Juni 1992 fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, nicht erfülle.
In der dagegen erhobenen Berufung ersuchte der Beschwerdeführer um eine nochmalige Prüfung seiner Fluchtgründe mit der Begründung, die bei seiner Einvernahme vorgebrachten Gründe hätten in der genannten Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden, obwohl diese ausschließlich "politischer" Art gewesen seien und diese sowie die begründete Furcht davor oder vor weiteren Benachteiligungen aus "politischen" Gründen ihn zum Verlassen seines Heimatlandes und zur Suche nach Schutz in Österreich gezwungen hätten.
Mit dem Bescheid vom 12. August 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab, begründete dies nach Wiederholung des Verfahrensganges und Darstellung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe Fluchtgründe nicht glaubwürdig dargetan, habe er doch in seiner Niederschrift behauptet, aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, dies auf Grund seiner Zugehörigkeit zur pentikostalen Glaubensgemeinschaft, während in der Berufung die Fluchtgründe "rein politischer Natur" gewesen seien, und führte sodann aus,
"Im gesamten Vorbringen haben Sie nicht einmal den Versuch unternommen, Ihre widersprüchlichen Angaben einer nachvollziehbaren Klärung zuzuführen."
Diesem Berufungsvorbringen könne daher die volle Glaubwürdigkeit in keiner Weise zugesprochen werden, es sei daher gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nicht näher darauf einzugehen. Darauf unterzog die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer angegebenen (religiösen) Fluchtgründe einer rechtlichen Beurteilung, nämlich daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, auch religiösen Minderheit allein noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling sei und es sich bei der allfälligen Bedrohung durch Angehörige des islamischen Glaubens nicht um aslybegründende mittelbare staatliche Verfolgung handle, da dies Übergriffe von Einzelpersonen gewesen seien, die nicht politisch, religiös oder ethnisch motivierte, vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen seien. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer selbst diesen Übergriffen ausgesetzt, wäre es ihm doch freigestanden, in den Süden Nigerias, wo die Mehrheit der Bevölkerung dem Christentum anhänge, zu übersiedeln, es habe daher für ihn eine inländische Fluchtalternative bestanden. Im übrigen entgegnete die belangte Behörde seinem Vorbringen, die Polizei habe nichts unternommen, um die gewalttätigen Moslems zu stoppen, wie folgt:
"Dies behaupten Sie, ohne jedoch diese Behauptung weiter zu konkretisieren. Keinesfalls kann die bloße Behauptung asylbegründender Tatsachen als ausreichend angesehen werden. Würde es bereits genügen, wenn das Vorliegen der asylbegründenden Tatsachen abstrakt möglich wäre, also nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinn wohl kaum gesprochen werden.
Ein hervorstehendes Charakteristikum ist, daß das Vorbringen, wenngleich es bis zu einem gewissen Grad auf Ihren eigenen Erfahrungen beruht, regelmäßig so abstrakt und allgemein gehalten ist, daß es sich einer Überprüfbarkeit an der Wirklichkeit entzieht. Ihren Angaben ist nicht zu entnehmen, daß Sie jemals den Versuch unternommen hätten, sich des Schutzes des Staates zu bedienen."
Insgesamt erachtete die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 des AsylG 1991 nicht als gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zunächst ist klarzustellen, daß - ausgehend von der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (20. August 1992) die belangte Behörde unrichtigerweise davon ausgegangen ist, daß sie bereits das AsylG 1991 anzuwenden hatte. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831 - auf das, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - ausführlich begründet hat, bewirkt die Anhängigkeit eines Asylverfahrens in erster Instanz am 1. Juni 1992, daß für das gesamte Verfahren das Asylgesetz (1968) anzuwenden gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte daher im vorliegenden Beschwerdefall das bei ihr erst nach dem 1. Juni 1992 anhängig gewordene Verwaltungsverfahren gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage (also nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1968) zu Ende zu führen gehabt. Daß sie demgegenüber - anders als die Behörde erster Instanz - bereits die materiellen Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 angewendet hat, würde für sich allein jedoch noch nicht zwangsläufig eine zu seiner Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bedeuten, setzt doch eine solche eine damit verbundene Rechtsverletzung des Beschwerdeführers voraus. Diese ist aus der Anwendung des § 1 Z. 1 AsylG 1991 noch nicht gegeben, weil der Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 AsylG 1991 von jenem des § 1 AsylG (1968) - ungeachtet dessen, daß es nach der neuen Rechtslage für den Erwerb dieses Status keiner behördlichen Feststellung mehr bedarf, was im gegebenen Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung ist - nicht abweicht, sondern mit dem des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention, soweit es sich um dessen Z. 2 (in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 18/1974), handelt, vollinhaltlich übereinstimmt.
Da das AsylG (1968) eine dem § 20 Abs. 1 AsylG 1991 vergleichbare Bestimmung nicht kannte, hätte die belangte Behörde auf Grund der allgemeinen Bestimmungen des AVG auch auf das Berufungsvorbringen Bedacht zu nehmen gehabt. Wiewohl sie dies ausdrücklich ausgeschlossen hat, ist allein in dieser - rechtsirrigen - Unterlassung der belangten Behörde für den Beschwerdeführer noch nichts zu gewinnen, da sich aus seinen Berufungsausführungen ein von dem erstinstanzlichen Vorbringen abweichender Sachverhalt nicht ergibt. Im übrigen wäre die belangte Behörde sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage verpflichtet gewesen, im Falle von Zweifeln, welcher Art die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründe nun seien, religiöser oder eher politischer Natur, welche Abgrenzung in vielen Fällen ohnedies nicht leicht zu ziehen ist, selbst für eine Behebung dieser Unklarheit zu sorgen.
Der Beschwerdeführer hat aber bereits in erster Instanz dargestellt, daß die moslemische Regierung Nigerias den Gewaltausschreitungen moslemischer Gruppen nicht Einhalt zu gebieten in der Lage oder willens sei. Wie die belangte Behörde selbst zutreffend zitiert, ist eine auch von Dritten bzw. nichtstaatlichen Gruppierungen ausgehende Verfolgung dann asylrelevant, wenn der Heimatstaat des Asylwerbers nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. hiezu u. a. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0025, und vom 30. Mai 1996, Zl. 95/19/0058). Die belangte Behörde tritt dieser Behauptung des Beschwerdeführers aber lediglich mit einer im Zusammenhang unverständlichen Phrase (vgl. oben wörtlich "keinesfalls kann die bloße Behauptung ...") und mit der Aussage entgegen, der Beschwerdeführer habe niemals den Versuch unternommen, sich des Schutzes des Staates zu bedienen. Die letzte Aussage ist nicht schlüssig, kann doch von einer Person, die von vornherein keinen Schutz der staatlichen Behörden erwartet, weil diese die gewalttätigen Moslems unterstützten bzw. gegen die gewalttätigen Moslems nichts unternähmen, nicht ernsthaft verlangt werden, sie solle dennoch solchen Schutz suchen. Die belangte Behörde hat weder Ermittlungen durchgeführt, noch begründet, warum sie die Behauptung des Beschwerdeführers, die staatlichen Behörden würden Christen oder Andersgläubige nicht schützen, als unzutreffend erachtet. Ohne Ermittlungen über das behauptete Verhalten der Behörden in Fällen religiöser Konflikte zwischen Moslems und Christen ist aber die Behauptung des Beschwerdeführers nicht ohne weiteres widerlegbar. Dies hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch zutreffend gerügt. Zutreffend ist auch der Verweis darauf, daß ihm zur Frage der von der belangten Behörde erstmals angenommenen "inländischen Fluchtalternative" Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG nicht eingeräumt worden war, weshalb sein diesen Umstand bestreitendes Vorbringen in der Beschwerde dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG nicht unterliegt und beachtlich ist. Auch hat die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht mit der wörtlich zitierten Floskel nicht genügt, weil daraus nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde der Ansicht ist, die im Vorbringen des Beschwerdeführers behauptete Schutzunwilligkeit seines Heimatlandes liege nicht vor, zumal diese keine offenkundigen Tatsachen sind.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da ein Einheitssatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgesehen ist und die Umsatzsteuer in dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
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