VwGH 94/13/0047

VwGH94/13/004711.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden

1) des Dr. L (94/13/0047), 2) der R (94/13/0049) und 3) des Dr. F (94/13/0050), alle in W und alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland jeweils vom 20. Dezember 1993, 1) Zl. GA 7 - 795/25/93,

2) Zl. GA 7 - 795/27/93 und 3) Zl. GA 7 - 795/26/93, jeweils betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem den Beschwerdeführern mit Bescheiden aus den Jahren 1987 und 1988 bereits Abgabennachsichten in Millionenhöhe gewährt worden waren, kamen sie mit Eingabe vom 26. November 1987 beim Bundesministerium für Finanzen um Nachsicht ihrer Einkommensteuer für die Jahre 1987 und 1988 ein, welches Ansuchen sie mit Eingabe vom 6. Dezember 1990 auf das Jahr 1989 erstreckten und mit einer Eingabe vom 5. Juli 1991 durch ein weiteres Vorbringen ergänzten. Zur Rechtfertigung ihres Nachsichtsansuchens trugen sie dabei im wesentlichen folgenden Sachverhalt vor:

Durch die Vorgangsweise der X-Bank, welche getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten und die Beschwerdeführer mit exorbitanten Zinsen im Wege von Überziehungs- und Verzugszinsen bei an sich bereits hoher Normalverzinsung belastet habe, sei es zu einer existenziellen Bedrohung der Beschwerdeführer gekommen. Einem Ersuchen der Beschwerdeführer um Reduktion der Zinsenbelastung auf eine angemessene Höhe habe die X-Bank, abgesehen von geringfügiger Zinssatzkosmetik, nicht entsprochen. Sie habe vielmehr mit den vorhandenen Sicherheiten gerade jene Kontostände abgedeckt, die sie offensichtlich auch selbst als am anfechtbarsten erkannt habe, und bezüglich der solcherart verbliebenen restlichen Verbindlichkeiten auf Verlängerung der abgelaufenen Kreditverträge oder Rückzahlung gedrängt. Die Beschwerdeführer hätten dem von der X-Bank ihnen gegenüber ausgeübten Druck nicht nachgeben wollen, weil dies ihre wirtschaftliche Gesundung nur hätte verzögern können, seien jedoch auch in ihren Bemühungen zum Aufbau einer neuen Bankverbindung gescheitert, weil das abzudeckende Obligo im Zusammenhang mit einem weiteren Kreditvolumen für die laufenden Verbindlichkeiten den Geldinstituten derzeit offensichtlich zu hoch sei. Der von der X-Bank fällig gestellte Kontostand vom 30. September 1987 betrage S 9,277.692,--. Dieser Kontostand werde durch Zufluß der zedierten Pachtzinse zwar abgebaut, was allerdings den Nachteil mit sich bringe, daß die Beschwerdeführer während dieses Zeitraumes keine Zahlungsmittel zur Verfügung hätten. Das bevorstehende Ende des U-Bahn-Baues im Bereiche eines Geschäftes lasse erwarten, daß dieses Geschäft wieder höhere Erträgnisse abwerfen werde, was die Kreditposition der Beschwerdeführer so weit verbessern können müßte, daß ein neues Kreditengagement einer Bank bezüglich des dann herabgesetzten Saldos erwirkt werden könne. Dies drohe aber zu spät zu kommen, wenn den Beschwerdeführern durch die Belastung mit den Steuern für die Jahre 1987 und 1988 neue Schulden entstünden, die sie nicht bezahlen könnten, weil die zugrundeliegenden Eingänge der X-Bank zur Abdeckung überhöhter Zinsen zufließen würden. Bei Nachsicht der für die Jahre 1987 und 1988 anfallenden Einkommensteuern würde die Wirtschaftslage der Antragsteller im Hinblick auf die Regelmäßigkeit der eingehenden Pachtschillinge und die Abdeckung der Verlustquelle endgültig gesunden, sodaß zukünftig wieder eine normale Steuerleistung erwartet werden könne.

In der das Nachsichtsansuchen auf das Jahr 1989 ausdehnenden Eingabe der Beschwerdeführer vom 6. Dezember 1990 bezifferten die Beschwerdeführer die für die Jahre 1987 bis 1989 festgesetzten Einkommensteuerbeträge und berichteten darüber, daß in ihrer Gesamtsituation die erwartete Besserung bislang nicht eingetreten sei. Die Beschwerdeführer seien trotz einer sie dazu treffenden Verpflichtung nicht in der Lage gewesen, ihr neues Kreditengagement bei der Y-Bank zu reduzieren; das Obligo gegenüber diesem Institut sei gleich hoch geblieben wie 1988. Demgegenüber seien den Beschwerdeführern durch den Wechsel von der X-Bank zur Y-Bank Kosten beträchtlichen Ausmaßes entstanden, die sie bei ihren früheren Überlegungen außer acht gelassen hätten. Während es den Beschwerdeführern in den letzten Jahren nicht gelungen sei, ihre Position gegenüber der Y-Bank zu verbessern, müßten sie nunmehr mit einer Verschlechterung rechnen, weil die Entwicklung der Zinsen laufend steigend sei. Wie die Steuerakten dokumentierten, seien die Beschwerdeführer schon in den vergangenen Jahren nicht in der Lage gewesen, die Vorauszahlungen aufzubringen und ihre trotz Aussetzung daraus verbliebenen Schulden abzudecken, sodaß teilweise die Aussetzungen wieder aufgehoben worden seien. Neben ausgesetzten Abgabenbeträgen in Höhe von S 851.078,-- hafteten auf den Konten der Beschwerdeführer aus diesem Grunde zusammen weitere S 1,251.650,-- aus. Der Drittbeschwerdeführer stehe infolge chronischer Erkrankung seit eineinhalb Jahren im Krankenstand und sei nicht imstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wie die Beschwerdeführer dies in früheren Überlegungen angenommen hätten. Auch die erwarteten Verbesserungen der Pachtschillinge seien nicht im erhofften Umfang eingetreten. Das Geschäft, hinsichtlich dessen die Beschwerdeführer wegen der Beendigung der U-Bahn-Bauten mit einer beträchtlichen Zunahme der Erträge gerechnet hätten, halte gerade seine Umsätze.

In ihrer Eingabe vom 5. Juli 1991 brachten die Beschwerdeführer vor, daß sich ihre Bankposition wegen gestiegener Höhe der Zinsen wiederum etwas verschlechtert habe. Der Erstbeschwerdeführer lebe von seiner Ordination, die Zweitbeschwerdeführerin werde vom Erstbeschwerdeführer unterstützt, der Drittbeschwerdeführer habe bis 31. Oktober 1989 ein Spitalsgehalt und daran anschließend Krankengeld bis März 1991 nebst einer monatlichen Wiedergutmachungsrente in Höhe von S 3.700,-- bezogen. Von der Bank würden den Beschwerdeführern lediglich die für ihre Sozialversicherungsbeiträge benötigten Beträge freigegeben. Zusätzlich sei ein auf Steuern im Dezember 1990 abgestatteter Betrag in Höhe von S 300.000,-- zur Verfügung gestellt worden. Diese wirtschaftliche Situation werde es den Beschwerdeführern auch in Hinkunft nicht erlauben, die aufgelaufenen Rückstände zurückzuzahlen. Sie könnten zwar mit einer Anhebung ihrer zukünftigen Einnahmen rechnen, dies aber nicht in einem solchen Maß, welches ihnen den Ausgleich alter Positionen erlauben werde. Zur Einschätzung der zukünftigen Einnahmenentwicklung sei vorzubringen, daß der Erstbeschwerdeführer im Begriffe sei, ein selbständiges Ambulatorium zur ambulanten Therapie chronischer Erkrankungen mit näher umschriebenen Bereichen zu errichten; derzeit liefen die Investitionen in das Ambulatorium und Labor noch, mit 1992 solle aber in Gemeinschaft mit einem Facharzt für Labormedizin der Betrieb anlaufen. Da die Nachfrage für derartige Behandlungen im Steigen begriffen sei, könne mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden. Der Pachtanteil an einem Geschäftslokal in Wien X habe sich durch aliquote Anwachsung des Geschäftsanteiles eines verstorbenen Mitgesellschafters erhöht, entsprechende Investitionen der Pächterin ließen eine positive Entwicklung der Pachteinnahmen erwarten. Der Drittbeschwerdeführer sei von seiner Krankheit wieder so weit hergestellt, daß er mit einer beruflichen Tätigkeit als Spitalsarzt beginnen könne, woraus ebenso eine Einnahmenvermehrung erwartet werden dürfe.

In einem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 2. August 1991 wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß dem Nachsichtsbegehren nicht nähergetreten werden könne. Ein im subjektiven Bereich eines Abgabepflichtigen liegender Nachteil könne dann nicht als gegeben angesehen werden, wenn die Abgabenbelastung eine Folge der wenn auch unglücklichen wirtschaftlichen Gestion des Abgabepflichtigen sei und die angestrebte Maßnahme letztendlich der Erhaltung des privaten Vermögens dienen würde. Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage könnten eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall nicht begründen. Es habe die Abgabenverwaltung der Argumentation der Beschwerdeführer dadurch Rechnung getragen, daß die ungünstige Kreditsituation bei einem bestimmten Kreditgeber zur Begründung der vom Gesetz geforderten Unbilligkeit als ausreichend angesehen worden sei. Die in der Vergangenheit ausgesprochenen Forderungsverzichte seien nicht als Präjudiz für weitere Nachsichtsmaßnahmen anzusehen; die Abgabenverwaltung sei bereit, auf den Widerruf bezüglich der bereits ausgesprochenen Abgabennachsichten an Einkommensteuer bis einschließlich 1986 zu verzichten. Über die Nachsichtsansuchen werde das zuständige Finanzamt abzusprechen haben.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 20. August 1991 wies das Finanzamt die Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführer ab, wobei es zur Begründung auf das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 2. August 1991 verwies.

In ihren gleichlautend gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen bestritten die Beschwerdeführer, daß lediglich die ungünstige Kreditsituation bei einem bestimmten Kreditgeber die seinerzeitige Nachsicht begründet hätte, und brachten vor, daß damals seitens der Oberinstanzen weiteren wesentlichen Umständen Rechnung getragen worden sei. Diese Umstände lägen darin, daß die Beschwerdeführer in ihre wirtschaftliche und finanzielle Situation durch Rechtsnachfolge nach ihrem verstorbenen Vater gekommen seien, ohne daß ihnen auch nur ein geringstes eigenes Verschulden daran zur Last gelegt hätte werden können. Die Beschwerdeführer seien der vom Vater auf sie überkommenen Bankverbindung gänzlich ausgeliefert gewesen und hätten deren ausbeuterische Zinsenanlastungen hinnehmen müssen, was lange Zeit jeden Wechsel des Kreditengagements zu einem anderen Institut verhindert habe. Nur die damalige Nachsicht habe es überhaupt ermöglicht, daß die Beschwerdeführer zur Y-Bank hätten wechseln können und sie damit wirtschaftlich überlebt hätten. Die Lage der Beschwerdeführer sei damit nicht Folge einer unglücklichen wirtschaftlichen Gestion, sondern ihrer Gestionsunfähigkeit zufolge Knebelung durch die Bankverbindung gewesen. Das wesentliche Einkommen der Beschwerdeführer, insbesondere die Pachtzinse aus den Geschäftslokalen flössen zur Gänze zur Bank, die wegen des höheren Kreditvolumens auch alle Sicherheiten habe, und selbst mit diesen Zuflüssen sei den Beschwerdeführern bislang noch keine Rückführung geglückt. Eine günstigere Verpachtung der geerbten Geschäfte wäre den Beschwerdeführern selbst dann nicht möglich, wenn sie rechtlich überhaupt möglich wäre; ebensowenig wären die Beschwerdeführer imstande, die Geschäfte mit gleichen Erträgen selbst zu führen. Wenn auch die Besserung der wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführer später als angenommen nunmehr realistischerweise zu erwarten sei, würde sie die Abstattung von Rückständen neben den laufenden Steuern nicht erlauben. Der Erhaltung privaten Vermögens diene im Grunde jede Nachsicht. Sinn einer Nachsicht sei es ja, Vermögen und damit die Quelle der dem Staat zufließenden Steuern und Erträge zu erhalten. Das wirtschaftliche Mißverhältnis zwischen der Einhebung der jetzt nachzusehenden Abgaben und den damit verbundenen Nachteilen für die Beschwerdeführer sei gegeben. Alle Pachtzinse seien zediert und die Liegenschaften belastet. Es stehe außer Zweifel, daß jede Abstattung oder Einbringung auf exekutivem Wege zur Zerstörung der Existenzgrundlagen der Beschwerdeführer führen müßte, wobei zweifelhaft sei, ob eine solche zwangsweise Vermögensverwertung überhaupt zur vollen Einhebung der Abgaben führen könnte. Es lägen sowohl die Voraussetzungen persönlicher als auch jener sachlicher Unbilligkeit der Einhebung vor.

Im Zuge eines vom Finanzamt durchgeführten Vorhalteverfahrens legten die Beschwerdeführer Aufstellungen und Unterlagen über den Sollstand ihrer Konten bei der Y-Bank und über die ihnen zufließenden Pachtzinseingänge vor. Einem Schreiben der Y-Bank vom 22. März 1991 war ein Saldo zu diesem Termin in Höhe von S 12,412.404,09, einem Schreiben derselben Bank vom 10. März 1993 die Mitteilung zu entnehmen, daß die vorgemerkten Kreditrahmen mit insgesamt S 1,500.000,-- überzogen seien, weshalb die Bank derzeit nicht in der Lage sei, Zahlungsaufträge durchzuführen. Eine die Jahre 1987 bis 1989 umfassende Kontostandsdarstellung ergab für das Jahr 1987 eine Verringerung, für die Jahre 1988 und 1989 hingegen eine Zunahme der Bankverbindlichkeiten der Beschwerdeführer.

Mit seinen Berufungsvorentscheidungen vom 31. März 1993 wies das Finanzamt die Berufungen der Beschwerdeführer wortgleich mit der Begründung ab, daß die mit der Bewirtschaftung der Pachtobjekte der Beschwerdeführer im Zusammenhang stehenden Ausgaben sowie Privatentnahmen und offensichtlich private Ausgaben die Kreditkonten in nicht unbeträchtlichem Ausmaße belasten würden, sodaß die aushaftenden Kreditschulden - trotz Überweisung sämtlicher Pachteinnahmen - nicht geringer, sondern höher würden. Es lasse der ermittelte Sachverhalt demnach keine andere als die im bekämpften Bescheid ausgesprochene Entscheidung zu.

In ihren gleichlautend gestellten Anträgen auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz erklärten die Beschwerdeführer, daß die in den Berufungsvorentscheidungen gegebene Begründung unrichtig sei. Die Schlußfolgerung, daß die mit der Bewirtschaftung der Pachtobjekte im Zusammenhang stehenden Ausgaben sowie Privatentnahmen und offensichtlich private Ausgaben die Kreditkonten in nicht unbeträchtlichem Ausmaße belasten würden, sei inhaltlich unrichtig; es lasse sich auch nicht nachvollziehen, aus welchen Positionen das Finanzamt diese Aussage konkret ableite.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab. In den wortgleichen Begründungen der angefochtenen Bescheide bejahte die belangte Behörde das Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO deswegen, weil der Umstand, daß die Abstattung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zur Zerstörung der Existenzgrundlage der Beschwerdeführer führen müßte, eine solche Unbilligkeit herstellte. Die auf der Basis dieser Beurteilung anzustellende Ermessensentscheidung schlage jedoch zu Ungunsten der Beschwerdeführer aus. Eine drohende Existenzgefährdung rechtfertige nur dann eine Nachsicht, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der betroffenen Abgaben gefährdet sei, sodaß mit einer Abgabennachsicht die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte. Da auch Bankverbindlichkeiten in einem beträchtlich höheren Ausmaß als die nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bestünden, erscheine eine Abwendung der Existenzgefährdung allein mit einer Abgabennachsicht ohne gleichzeitige Forderungsverzichte übriger Gläubiger nicht möglich; es würde sich die Nachsicht daher zu Lasten der Abgabenverwaltung nur zu Gunsten der übrigen Gläubiger der Beschwerdeführer auswirken. Dies werde auch dadurch bestätigt, daß - wie den Beschwerdeführern bereits in den Berufungsvorentscheidungen vorgehalten worden sei, ohne daß sie dem etwas entgegnet hätten - die Bankverbindlichkeiten trotz Überweisung sämtlicher Pachteinnahmen zu deren Tilgung nicht geringer, sondern höher geworden seien. Zu berücksichtigen sei ferner die Tatsache, daß den Beschwerdeführern bereits mit Bescheiden aus den Jahren 1987 und 1988 Beträge von S 2,179.581,-- (Erstbeschwerdeführer), S 2,792.022,-- (Zweitbeschwerdeführerin) und S 2,256.549,-- (Drittbeschwerdeführer) nachgesehen worden seien, ohne daß hiedurch eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführer eingetreten sei. Angesichts dieser Umstände sehe es die belangte Behörde als gerechtfertigt an, Erwägungen der Zweckmäßigkeit gegenüber denen der Billigkeit voranzustellen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, inhaltsgleich abgefaßten Beschwerden, in welchen die Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Bescheide aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehren, sich durch die angefochtenen Bescheide in ihrem Recht auf Abgabennachsicht als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die jeweiligen Akten ihres Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Fall eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, sondern der Antrag schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1996, 92/13/0291, und vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165, 0166).

In den Beschwerdefällen hat die belangte Behörde das Vorliegen - offenbar persönlicher - Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in den von ihr getroffenen Rechtsentscheidungen bejaht. Ob der von den Beschwerdeführern zur Rechtfertigung ihrer Nachsichtsansuchen vorgetragene Sachverhalt diese behördliche Beurteilung tragen konnte, braucht für die Entscheidung über die erhobenen Beschwerden nicht untersucht zu werden, da die Rechtsentscheidung der belangten Behörde ohnehin zu Gunsten der Beschwerdeführer ausgefallen ist.

In der Überprüfung von Ermessensentscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich zu beurteilen, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches - nicht der Fall gewesen ist; eine Ermessensüberschreitung liegt dabei nicht schon darin, daß die Behörde den Erwägungen der Zweckmäßigkeit gegenüber jenen der Billigkeit den Vorrang einräumt, sofern die Zweckmäßigkeitserwägungen mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang stehen und nicht unsachlich sind (vgl. erneut die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 27. März 1996, 92/13/0291, und vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165, 0166).

Der Gerichtshof vermag in der von der belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidung einen zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führenden Mißbrauch des der Behörde eingeräumten Ermessens in keiner Weise zu erkennen. Die Beschwerdeführer erwidern dem Argument der angefochtenen Bescheide, eine Abwendung der Existenzgefährdung allein mit einer Abgabennachsicht ohne gleichzeitige Forderungsverzichte der übrigen Gläubiger sei nicht möglich, mit dem Vorbringen, daß die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführer durch die erhöhten Bankverbindlichkeiten allein nicht, wohl aber bei Eintreibung der Einkommensteuern für die Jahre 1987 bis 1989 gefährdet wäre. Mit diesem Vorbringen bestätigen die Beschwerdeführer im Grunde den behördlichen Standpunkt, daß sich die von den Beschwerdeführern begehrte Nachsicht zu Lasten des Abgabengläubigers und zu Gunsten der übrigen Gläubiger der Beschwerdeführer auswirken müßte. Die von den Beschwerdeführern vorgetragene Auffassung läuft im Ergebnis tatsächlich auf das Ansinnen hinaus, sich wirtschaftlich ausschließlich zu Lasten der Allgemeinheit in einer Form zu sanieren, die den Abgabengläubiger anderen Gläubigern der Beschwerdeführer gegenüber dadurch kraß benachteiligt, daß er zur wirtschaftlichen Gesundung der Beschwerdeführer als einziger einen Beitrag leisten soll. Dieses Ansinnen der Beschwerdeführer mutet in den Beschwerdefällen umso weniger gerechtfertigt an, als der Abgabengläubiger, wie die Beschwerdeführer nicht bestreiten, sich in der Vergangenheit bereits zu außerordentlich gravierenden Forderungsverzichten zu Gunsten der Beschwerdeführer bereit gefunden hatte, ohne daß diese zu Lasten der Allgemeinheit gegangenen Sanierungsversuche der Beschwerdeführer ihre Lage so weit verbessert hätten, daß sie sich zur Leistung ihrer finanziellen Verpflichtungen dem Abgabengläubiger gegenüber hätten bereit finden können.

Verfehlt ist der von den Beschwerdeführern der belangten Behörde gemachte Vorwurf einer Verletzung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht. Die Beschwerdeführer übersehen mit diesem Vorwurf, daß es im Nachsichtsverfahren Sache des Nachsichtswerbers ist, von sich aus initiativ, konkret, einwandfrei und unter Ausschluß jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1996, 95/14/0062, und vom 24. Februar 1992, 91/15/0105). Daß sich die Sollstände auf den Bankkonten der Beschwerdeführer in den Jahren 1988 bis 1989 und auch bis zum Jahre 1993 noch erhöht haben, ergab sich aus den von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren selbst vorgelegten Unterlagen. Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringen, daß der Erstbeschwerdeführer im Einverständnis mit den anderen Beschwerdeführern einem Konto S 2,000.000,-- zum Zweck der Herstellung seines Ambulatoriums entnommen habe, so wäre dieses Vorbringen im Falle seiner Erstattung im Verwaltungsverfahren erst recht nicht geeignet gewesen, der belangten Behörde eine anderslautende Ermessensentscheidung nahezulegen. Steht hinter diesem Vorbringen doch nichts anderes als die schon in der beabsichtigten Behandlung des Abgabengläubigers im Verhältnis zu anderen Gläubigern zum Ausdruck kommende Auffassung der Beschwerdeführer, daß es offenbar Aufgabe des Abgabengläubigers sei, das wirtschaftliche Fortkommen der Beschwerdeführer durch Verzicht auf längst fällige Abgaben zu fördern. Daß einer solchen Auffassung nicht beigepflichtet werden kann, bedarf keiner näheren Erörterung.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß zu den in der von ihr zu fällenden Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu berücksichtigenden Umständen sowohl die Tatsache zählen mußte, daß eine allfällige Nachsicht im Hinblick auf den Gesamtschuldenstand zu keiner wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführer führen würde, als auch die Tatsache, daß sich die Nachsicht ausschließlich zu Lasten der Abgabenverwaltung und zu Gunsten anderer Gläubiger der Beschwerdeführer auswirken müßte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1994, 90/14/0065). Die belangte Behörde hat innerhalb ihres vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraumes entschieden und mit der von ihr getroffenen Entscheidung von dem gesetzlich eingeräumten Ermessen nicht in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht, sodaß die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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