VwGH 93/05/0257

VwGH93/05/025730.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 14. September 1993, Zl. UVS-5/86/3-1993, betreffend eine Bestrafung nach dem Salzburger Abfallgesetz 1991 (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AbfallG Slbg 1991 §1 Abs6;
AbfallG Slbg 1991 §5 Abs1;
AWG 1990 §17 Abs2;
AWG 1990 §3 Abs2;
B-VG Art10 Abs1 Z2;
B-VG Art15 Abs1;
VStG §44a Z2;
AbfallG Slbg 1991 §1 Abs6;
AbfallG Slbg 1991 §5 Abs1;
AWG 1990 §17 Abs2;
AWG 1990 §3 Abs2;
B-VG Art10 Abs1 Z2;
B-VG Art15 Abs1;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 24. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. Oktober 1991 auf dem Grundstück Nr. 175/1, KG. A, Gemeinde G, zwei Container Bauschutt (acht bzw. sechs Kubikmeter) entgegen § 5 Abs. 1 des Salzburger Abfallgesetzes, LGBl. Nr. 65/91, abgelagert. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zehn Tage) verhängt. In der Begründung wurde auf den am 11. Mai 1992 erteilten Beseitigungsauftrag verwiesen, der unbeachtet geblieben sei.

In seiner dagegen erstatteten, am 6. Juli 1992 bei der Erstbehörde eingelangten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Ablagerung von sortenreinem Bauschutt für die Umwelt und das Grundwasser nicht belastend sei. Der Bauschutt sei Wirtschaftsgut, welches aufgrund des unbedenklichen Zustandes zur Wegbefestigung eingesetzt werden solle. Der Beschwerdeführer habe vielmehr dem Gebot des § 17 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz zur Verwertung der Materialien entsprochen. Aufgrund der vorgenommenen Sortierung liege überhaupt kein Abfall, sondern ein zur Wiederverwertung zwischengelagerter Altstoff vor.

Die belangte Behörde führte unter Beiziehung eines Amtssachverständigen am 2. August 1993 eine mündliche Verhandlung durch; der anwesende Vertreter des Beschwerdeführers verzichtete auf die Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Bescheidverkündung. Der hier angefochtene Bescheid vom 14. September 1993 wurde an diesem Tag gemäß § 67 lit. g AVG öffentlich mündlich verkündet; die Ausfertigung langte am 16. September 1993 bei der Behörde erster Instanz ein. Die Bescheidausfertigung wurde am 4. Oktober 1993 zunächst dem Beschwerdeführer und am 21. Oktober 1993 (über Antrag) dessen Vertreter zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Auch wenn sich aus dem angefochtenen Bescheid keine ausdrücklichen diesbezüglichen Feststellungen entnehmen lassen, so ging die belangte Behörde offenbar davon aus, daß es sich bei den abgelegten Materialien um vorsortierten Altstoff gehandelt habe; das Material sei zwar - nach entsprechender Vorprüfung (stoffliche Frage, statische Frage, Fragen des Grundwasserschutzes und des Bodenschutzes) - durchaus geeignet, im Wegebau eingesetzt zu werden; eine solche Vorprüfung sei aber nicht erfolgt. Die Abfalleigenschaft des Materials wäre erst durch die Wiederverwertung, aber nicht schon durch die Deponierung verloren gegangen. Aber auch für die Verwendung im Wegebau hätte es einer Bewilligung nach § 31 lit. b Wasserrechtsgesetz bedurft.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, daß der Bescheid der Strafbehörde erster Instanz nicht aufgehoben und das Verfahren nicht eingestellt wurde, obwohl die Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab Einbringung erlassen wurde; weiters sei der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt worden, daß er aufgrund der gegenständlichen Bauschuttablagerungen nicht wegen § 31 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Salzburger Abfallgesetzes 1991 bestraft werde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht Verfristung gemäß § 51 Abs. 7 VStG geltend, weil die Berufung am 6. Juli 1992 erhoben, der angefochtene Bescheid zwar dem Beschwerdeführer selbst schon am 4. Oktober 1993, seinem im Berufungsverfahren ausgewiesenen Vertreter aber erst am 21. Oktober 1993 und somit nach Ablauf der 15-Monatsfrist zugestellt worden sei. Dabei verkennt der Beschwerdeführer allerdings, daß nach der ausdrücklichen Anordnung des § 51d VStG die Verwaltungsbehörde, die den vor dem unabhängigen Verwaltungssenat angefochtenen Bescheid erlassen hat, ohne Einschränkung Partei im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist. Dieses Verfahren ist daher ein Mehrparteienverfahren; im Mehrparteienverfahren ist ein Bescheid bereits mit seiner Zustellung an eine der Verfahrensparteien erlassen. Ist der angefochtene Bescheid noch innerhalb der Frist des § 51 VStG an die Erstbehörde als eine Partei des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zugestellt worden, so ist dieser Bescheid als erlassen anzusehen und damit die mit der Versäumung der genannten Frist verbundene Rechtsfolge der Aufhebung des erstbehördlichen Bescheides mit anschließender Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vermieden (hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1993, Zl. 93/02/0085; vom 24. Mai 1995, Zl. 95/09/0061). Im Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/09/0374, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem diesbezüglichen Unterschied zu den Verjährungsbestimmungen des § 31 VStG ausdrücklich auseinandergesetzt.

Da im vorliegenden Fall die Zustellung an die Erstbehörde bereits am 16. September 1993 erfolgt war, kam es weder auf das Datum der Bescheidverkündung, noch auf die Zustellung an den Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter an. Die belangte Behörde hat also die 15-monatige Frist des § 51 Abs. 7 VStG eingehalten.

Im angefochtenen Bescheid erfolgte eine Bestrafung gemäß § 31 Abs. 1 Salzburger Abfallgesetz, LGBl. Nr. 65/1991 (im folgenden: Sbg. AWG) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Sbg. AWG. Dieses Gesetz findet allerdings gemäß dessen § 1 Abs. 6 keine Anwendung für die Bereiche der Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle, soweit hiefür bundesrechtliche Vorschriften bestehen, sowie hinsichtlich gefährlicher Abfälle.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der herangezogenen Bestimmungen dieses Gesetzes (1. September 1991) galt bereits das Abfallwirtschaftsgesetz (im Hinblick auf den hier gegenständlichen Tatzeitpunkt in der Stammfassung BGBl. Nr. 325/1990; im folgenden: AWG). Gemäß § 3 Abs. 2 gilt dieses Bundesgesetz (auch) für nicht gefährliche Abfälle hinsichtlich (u.a.) des § 17 Abs. 2. § 17 Abs. 2 AWG enthält Verwertungs- und Behandlungsgrundsätze für Bauschutt, wobei die Einhaltung dieser Bestimmung durch die Strafsanktion des § 39 Abs. 1 lit. b Z. 12 AWG gewährleistet wird.

§ 17 Abs. 2 AWG lautet:

"Beim Abbruch von Baulichkeiten sind,

1. verwertbare Materialien - soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder technisch nicht möglich ist - einer Verwertung zuzuführen,

2. nicht verwertbare Abfälle einer Behandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 3 zuzuführen."

Diese Bestimmung enthält somit eine umfassende Regelung, wie mit verwertbaren Materialien und nicht verwertbaren Abfällen beim Abbruch von Baulichkeiten zu verfahren ist. Da auch hier Abbruchmaterial verfahrensgegenständlich ist und dieser Bereich vom Bundesgesetzgeber geregelt wurde, bleibt für die Anwendung der herangezogenen landesgesetzlichen Bestimmung kein Raum. "Deponierung" ist jedenfalls auch eine "Behandlung" des Abbruchmaterials, sodaß der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Sbg. AWG neben dem des § 17 Abs. 2 AWG im Lichte des § 1 Abs. 6 Sbg. AWG bzw. 3 Abs. 2 AWG nicht verwirklicht werden kann.

Aus dem Verhandlungsprotokoll vor der belangten Behörde ergibt sich, daß es sich beim Abbruchmaterial um Bauschutt "seines" (= des Beschwerdeführers) Hauses "XY" gehandelt habe, sodaß sich, hätte die Behörde diesbezügliche Feststellungen getroffen, auch deshalb kein Zweifel an der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 AWG (allenfalls auch der in diesem Gesetz enthaltenen Strafsanktion) ergeben hätte.

Die Rechtmäßigkeit einer Deponierung von Abbruchmaterialien kann daher nur anhand der bundesgesetzlichen Bestimmung des § 17 Abs. 2 AWG bzw. der dazu ergangenen Verordnung geprüft werden (vgl. zur Strafbarkeit der Verletzung des der Bestimmung des § 17 Abs. 2 AWG unterstellten Verhaltens das hg. Erkenntnis vom 29. März 1995, Zl. 93/05/0190).

Da die belangte Behörde eine hier nicht anwendbare Norm zur Bestrafung heranzog und damit gegen § 44a Z. 2 VStG verstoßen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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