VwGH 93/05/0190

VwGH93/05/019029.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. April 1993, Zl. 2/53-5/1992, betreffend eine Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Umwelt), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 1990 §1 Abs1;
AWG 1990 §1 Abs2 Z3;
AWG 1990 §17 Abs2 Z1;
AWG 1990 §17 Abs2 Z2;
AWG 1990 §17 Abs2;
AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §39 Abs1 litb;
VwRallg;
AWG 1990 §1 Abs1;
AWG 1990 §1 Abs2 Z3;
AWG 1990 §17 Abs2 Z1;
AWG 1990 §17 Abs2 Z2;
AWG 1990 §17 Abs2;
AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §39 Abs1 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. August 1992 erkannte die Bezirkshauptmannschft Schwaz den Beschwerdeführer schuldig, er habe seit Pfingsten 1991 Abbruchmaterial einer Baulichkeit, nämlich seines Hotels "X", unsortiert und nicht in verwertbare sowie nichtverwertbare Materialien getrennt auf dem Gebiet "Bodenalpe" abgelagert und somit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 12 i.V.m. § 17 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, BGBl. Nr. 325 (im folgenden: AWG) begangen. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Tage) verhängt.

Der dagegen erstatteten Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenem Bescheid insofern Folge, als die Geldstrafe auf S 10.000,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wurde. Das von der Berufungsbehörde durchgeführte Beweisverfahren habe die Richtigkeit des von der Strafbehörde erster Instanz angenommenen Sachverhaltes ergeben. Aufgrund des vom Beschwerdeführer mit der Firma S abgeschlossenen Werkvertrages sei dieser Bauführer zur Vornahme der Abbrucharbeiten und zur Entfernung des abgebrochenen Materials verpflichtet gewesen. Der Beschwerdeführer habe dem Bauführer eine Deponie zur "Ablagerung der Aushubarbeiten" im Bereich der "Bodenalpe" zur Verfügung gestellt. Dort sei Abbruchmaterial, nämlich Styropor, Blechrohre, Baustahlgitter, Ausschäumabfälle und Plastikbehältnisse sowie - allerdings in viel größerem Ausmaß - Aushubmaterial abgelagert worden. Der Beschwerdeführer habe persönlich Anweisungen erteilt, wie abzulagern sei und auch selbst Ablagerungen vorgenommen. Der Beschwerdeführer habe, nachdem das genannte Abbruchmaterial abgelagert worden sei, angeordnet, daß durch "besseres Material" (Aushubmaterial) eine Abdeckung erfolge. Aufgrund des Sachverständigengutachtens sei weiters festgestellt worden, daß Styropor, Blechrohre und Baustahlgitter einer Verwertung zugeführt werden könnten, daß andererseits Ausschäumabfälle auf gesicherten Deponien abgelagert werden müßten und daß auch Glaswollmatten nicht verwertbar seien. Es stelle zwar eine zulässige Verwertung dar, wenn Mauerreste, Betonsteine, Hohlblockziegel, Sandreste und Mörtelreste als Schüttmaterial für Auffüllungen herangezogen würden. Daher werde diesbezüglich dem Beschwerdeführer kein Vorwurf gemacht. Unabhängig davon, welche Arbeiten der Bauführer im Werkvertrag übernommen habe, sei der Beschwerdeführer unmittelbarer Täter, weil er selbst die Deponie zur Verfügung gestellt habe, häufigst beim Deponieren anwesend gewesen sei und Anweisungen erteilt hätte, wie das Material aufzuschütten sei. Zur Herabsetzung der Strafe habe der Umstand geführt, daß die Berufungsbehörde nur Fahrlässigkeit als Verschuldengrad angenommen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Durchführung eines mangelfreien Ermittlungsverfahrens und in seinem Recht darauf verletzt, mangels Verwirklichung eines Straftatbestandes keiner Verwaltungsstrafe unterworfen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Z. 12 i.V.m. § 17 Abs. 2 AWG ist mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 100.000,-- zu bestrafen, wer beim Abbruch von Baulichkeiten gegen die Verpflichtung verstößt,

1. verwertbare Materialien - soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder technisch nicht möglich ist - einer Verwertung zuzuführen, oder

2. nichtverwertbare Abfälle einer Behandlung i.S.d. § 1 Abs. 2 Z. 3 AWG zuzuführen. Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 AWG sind Abfälle, die nicht verwertbar sind, je nach ihrer Beschaffenheit durch biologische, thermische oder chemisch-physikalische Verfahren sonst zu behandeln. Feste Rückstände sind möglichst reaktionsarm und konditioniert geordnet abzulagern (Abfallentsorgung).

Vorauszuschicken ist, daß hier die Frage, ob der Bauherr oder der Bauführer zur Einhaltung des § 17 Abs. 2 AWG verpflichtet ist (siehe Mayer, Zur Gesetzmäßigkeit der Baurestmassenverordnung, ecolex 1994, 128) keine Rolle spielt, weil nach den getroffenen Feststellungen der Beschwerdeführer selbst Ablagerungen vorgenommen hat, beim Ablagern anwesend war und Anweisungen insbesondere auch zum Abdecken der abgelagerten Materialien erteilt hat. Er war daher (jedenfalls auch) derjenige, der verwertbare Materialien nicht einer Verwertung zugeführt hat und nicht verwertbare Abfälle nicht entsprechend behandelt hat.

Der Beschwerdeführer wurde dafür bestraft, daß er Abbruchmaterialien unsortiert und ohne Behandlung zur Ausfüllung einer Mulde verwendete, sodaß insbesondere auch verwertbare Materialien, wie Styropor, Baustahlgitter und Blechrohre keiner Verwertung zugeführt wurden und Ausschäummaterial und Plastikbehältnisse in keiner dafür geeigneten, gesicherten Deponie zur Entsorgung gelangten. Es mag sein, daß weiteres Abbruchmaterial mit Containern in der Abfallverarbeitungsanlage Schwaz-Pill entsorgt worden sei; bestraft wurde der Beschwerdeführer aber wegen des auf der Bodenalpe tatsächlich befindlichen Materials. Soweit der Beschwerdeführer hervorhebt, es befänden sich auf der Bodenalpe keine gefährlichen Abfälle, verkennt er, daß § 17 Abs. 2 AWG das gesamte Material erfaßt, welches beim Abbruch von Baulichkeiten entsteht, und zwar unabhängig von seiner Gefährlichkeit.

Allerdings setzt der Straftatbestand, soweit er sich auf die Z. 1 des § 17 Abs. 2 AWG bezieht, nicht nur voraus, daß verwertbare Materialien nicht verwertet werden, sondern enthält die Einschränkung, daß es darauf ankomme, ob die Verwertung technisch möglich sei und ob sie nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei.

Hinsichtlich der technischen Möglichkeit hat der Sachverständige festgestellt, daß eine Verwertung der Blechrohre und Baustahlgitter über Schrotthändler möglich wäre. Hinsichtlich des Styropors liegt eine derartige Klarstellung nicht vor. Der Sachverständige verwies in seinem Ergänzungsgutachten vom 21. September 1992 darauf, daß Styropor "bei entsprechender Qualität" einer Verwertung zugeführt werden könne und daß Verunreinigungen nur im geringsten Umfang toleriert werden könnten. Jedenfalls ist damit die Frage der technischen Möglichkeit der Verwertung des auf der Bodenalpe abgelagerten Styropors nicht geklärt. Für alle drei Materialien wurde weiters nicht ausgeführt, ob die Verwertung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Verhältnismäßige Kosten sind Kosten, die unter Bedachtnahme auf übliche Verwertungskosten unter den konkreten Gegebenheiten gerade noch tragbar erscheinen. Es ist nicht auszuschließen, daß im Hinblick auf die Abgelegenheit des Entstehungsortes und die damit verbundenen Transportwege diese Kosten erheblich höher sind, als beispielsweise im städtischen Raum (vgl. dazu die Ausführungen von List über die Verordnung über die Trennung von bei Bautätigkeiten anfallenden Materialien, BGBl. Nr. 259/1991, in List-Kuntscher, Abfall, Abwasser, Luft, Kapitel 7/4.7-1).

Was die weiters der Bestrafung zugrundegelegten Abfälle "Ausschäumabfälle, Plastikbehältnisse" betrifft (Glaswollmatten wurden im erstinstanzlichen Bescheid nicht ausdrücklich angeführt), kann nicht beurteilt werden, ob der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 Z. 3 AWG erfüllt ist. Zuerst muß geklärt werden, ob eine Behandlung i.S.d. ersten Satzes der zuletzt genannten Bestimmung möglich ist, wobei wohl auch hier die Einschränkung der Z. 1 des § 17 Abs. 2 AWG geboten erscheint. Erst wenn diese Frage bejaht ist, muß geprüft werden, ob die erfolgte Deponierung "ordnungsgemäß" i.S.d. Bestimmung erfolgte, zumal feststeht, daß keine Grundwassergefährdung vorliegt. Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber mit einer "ordnungsgemäßen" Deponierung etwas anderes meint, als mit der im § 17 Abs. 4 AWG genannten "für diese Abfälle behördlich bewilligten" Deponie. Vielmehr ist "ordnungsgemäß" allein an den Kriterien des § 1 Abs. 1 AWG zu beurteilen; die aus dem Sachverständigengutachten im angefochtenen Bescheid übernommene Feststellung, für diese Abfälle müsse eine "gesicherte" Deponierung erfolgen, läßt nicht erkennen, ob der Beschwerdeführer diese Materialien nicht trotzdem "ordnungsgemäß" deponiert hat.

Gemäß § 1 Abs. 2 VStG kann die erst am 1. Jänner 1993 in Kraft getretene Baurestmassentrennungsverordnung mit den dort vorgesehenen Schwellmengen, die hier zumindest hinsichtlich der gegenständlichen Materialien offenkundig nicht überschritten wurden, noch nicht angewendet werden. Die belangte Behörde hat allerdings nur zu den Tatbestandsmerkmalen "nicht verwerten" bzw. "nicht behandeln" des § 17 Abs. 2 ausreichend ermittelt. Der Straftatbestand enthält aber erhebliche Einschränkungen, deren Prüfung unvollständig blieb.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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