VwGH 91/10/0009

VwGH91/10/00096.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über dieBeschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen die Erledigung der Tiroler Landesregierung vom 28. November 1990, Zl. U-11.563/14, betreffend Ausnahmebewilligung nach dem Tiroler Naturschutzgesetzes, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 28. November 1990 wies die Tiroler Landesregierung einen Antrag des Beschwerdeführers auf naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung von Verboten nach § 6 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 lit. b des Tiroler Naturschutzgesetzes ab.

1.2. Gegen diese Erledigung wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

In den Verwaltungsakten befindet sich eine Urschrift der angefochtenen Erledigung, die in Inhalt und Schriftbild vollkommen mit der der Beschwerde angeschlossenen Ausfertigung der angefochtenen Erledigung übereinstimmt. Unter der Fertigungsklausel "Für die Landesregierung:" steht in Maschinschrift der Name des auch im Kopf des Bescheides aufscheinenden Sachbearbeiters. Die Urschrift trägt auch die Beglaubigungsklausel "F.d.R.d.A." und ist dort mit einer Unterschrift versehen. Weder auf dem Original der Urschrift noch auf einem Referatsbogen befindet sich die Unterschrift des als Genehmigender genannten Organwalters. Auch auf der der Beschwerde beigeschlossenen Erledigungsausfertigung befindet sich keine solche Unterschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Die angefochtene Erledigung wurde dem Beschwerdeführer am 4. Dezember 1990 zugestellt. Auf den Beschwerdefall ist daher das AVG 1950 in der Fassung vor der am 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 357/1990 anzuwenden.

Gemäß § 58 Abs. 3 AVG 1950 gelten auch für die Bescheide die Vorschriften des § 18 Abs. 4. § 18 Abs. 4 AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 (das ist in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) lautete:

"Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

2.2. Die angefochtene Erledigung der Tiroler Landesregierung vom 28. November 1990, deren zugestellte Ausfertigung mit der im Akt erliegenden Urschrift in Inhalt und Schriftbild vollständig übereinstimmt, weist keine Merkmale einer automationsunterstützt hergestellten Ausfertigung (DVR-Nummer) auf, sondern wurde offenkundig durch Ablichtung hergestellt, ist also eine vervielfältigte Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982.

2.3. Die Erledigung ist nicht als Bescheid zu qualifizieren.

Nach der hier noch anzuwendenden Verfahrensrechtslage war es nämlich erforderlich, daß die Urschrift der als Bescheid intendierten Erledigung die Unterschrift des Genehmigenden aufweist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur damaligen Rechtslage war es für das Zustandekommen eines Bescheides wesentlich, daß die Urschrift desselben mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0029 = ZfVB 1986/4/1761, 1853, vom 11. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12.333/A = ZfVB 1987/4/1792, und vom 25. April 1988, Zl. 87/18/0124 = ZfVB 1989/1/170). Nach dem zitierten Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 12.333/A ist die Genehmigung nur durch eine Unterschriftsleistung zulässig und hat der Gesetzgeber keine Anordnungen getroffen, daß andere Verhaltensweisen von Behördenorganen - z.B. mündliche oder konkludente Anordnungen an nicht zur Genehmigung berufene Organe, Bescheide auszufertigen - ebenfalls als Genehmigung zu werten wären. Im übrigen liegt auch dann, wenn das Bescheidkonzept nach Herstellung der Reinschrift vernichtet wird und daher kein Geschäftsstück (mehr) vorliegt, das die eigenhändig gesetzte Genehmigung durch den dazu berufenen Organwalter aufweist, ein Nichtbescheid vor (hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 88/08/0048 = ZfVB 1990/2/900, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die angefochtene Erledigung weist eine Unterschrift des maschinschriftlich als Genehmigender genannten Organwalters nicht auf. Die Unterschrift des Beglaubigenden stellt eindeutig einen anderen Namenszug dar. Auf der Vorderseite des Bescheides befindet sich neben dem Vermerk "Abfertigung 30. Nov. 1990" dieselbe unleserliche Paraphe wie auf einem Beiblatt, das die Zustellverfügung enthält, wo mit dieser Paraphe die Reinschrift und die Abfertigung datumsmäßig festgehalten werden. Ein Vergleich mit anderen Schriftstücken des Aktes zeigt, daß es sich nicht um die Paraphe des Genehmigenden handeln dürfte. Dieser Frage ist jedoch nicht weiter nachzugehen, weil nach der hier anzuwendenden Rechtslage die Unterschrift des Genehmigenden gefordert ist und eine unleserliche Paraphe dieses Erfordernis nicht erfüllt. Eine "Unterschrift" ist nämlich nach der Rechtsprechung ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, Slg. N.F. Nr. 13.275/A). Zwar ist dabei nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar ist. Es muß jedoch ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug vorliegen, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt (hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1985, Zl. 84/11/0178 = ZfVB 1986/1/0360, und vom 16. Februar 1994, Zl. 93/13/0025, und vom 21. Februar 1994, Zl. 94/10/0013, 0014). Eine Paraphe stellt keine leserliche Unterschrift dar (vgl. den hg. Beschluß vom 13. Oktober 1994, Zl. 93/09/0302). Dies trifft auch auf die hier in Betracht kommenden Paraphen zu.

Da somit die Urschrift der angefochtenen Erledigung nicht im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 mit einer Unterschrift des Genehmigenden versehen ist, kommt der als Bescheid bezeichneten Erledigung Bescheidqualität nicht zu. Insofern ist auch der Beglaubigungsvermerk unrichtig, denn es wird damit bestätigt, daß das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist, was aber, wie gesagt, nicht zutrifft.

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die angefochtene Erledigung der Tiroler Landesregierung nicht als Bescheid qualifiziert werden kann und daher keinen tauglichen Beschwerdegegenstand bildet.

Die Beschwerde war daher wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die "Gegenschrift" der belangten Behörde hat zur allein entscheidenden Frage der Bescheidqualität nichts beigetragen. Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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