Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde von der Magistratsabteilung 68 des Magistrates der Stadt Wien ein mit Bescheid überschriebenes und mit 6. Februar 1984 datiertes Schriftstück zugestellt, womit ihm Kostenersatz im Sinne des § 92 Abs. 3 der Straßenverkehrsordnung 1960 im Betrag von S 744,-- vorgeschrieben wurde. Dieses Schriftstück enthielt weder die Unterschrift des Genehmigenden noch eine Beglaubigung der Kanzlei; es enthielt vielmehr an Stelle der Unterschrift oder der Beglaubigung die in automationsunterstützter Datenverarbeitung gesetzten Worte "Der Referent: Andreas Sturm, VO".
Der in diesem Verfahrensstadium noch nicht rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführer erhob fristgerecht Berufung, in der er behauptete, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 92 Abs. 3 der Straßenverkehrsordnung 1960 lägen nicht vor.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950.
Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher er zunächst ausschließlich vorbrachte, es mangle der schriftlichen Ausfertigung des Erstbescheides die Unterschrift des Genehmigenden oder die Beglaubigung der Kanzlei, deshalb liege überhaupt kein Bescheid der Behörde erster Instanz vor. Der in die Sache eingehende Berufungsbescheid sei wegen Unzuständigkeit, allenfalls wegen des Bescheidinhaltes, rechtswidrig. Im weiteren Verfahrensverlauf stützte der Beschwerdeführer seine Beschwerde noch auf andere Gründe; die Voraussetzungen einer Kostenvorschreibung seien weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gegeben gewesen.
Im Zuge eines Verfahrens gemäß § 35 Abs. 2 VwGG stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, den letzten Satz des § 18 Abs. 4 AVG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 199/1982 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1985, G 37/85, wurde diesem Antrag keine Folge gegeben.
In der Folge leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren über die Beschwerde ein. In ihrer Gegenschrift erklärte die belangte Behörde auf eine diesbezüglich ausdrücklich gestellte Frage des Verwaltungsgerichtshofes, diese Frage, nämlich ob und auf welchem Aktenteil die Urschrift des Bescheides erster Instanz unterfertigt worden sei, sei im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen. Die Aktenlage gibt keinen Hinweis auf eine Genehmigung der Urschrift des erstinstanzlichen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist davon auszugehen, daß das dem Beschwerdeführer zugestellte, mit Bescheid bezeichnete und mit 6. Februar 1984 datierte Schriftstück eine ordnungsgemäße Bescheidausfertigung darstellt.
Das entbindet den Verwaltungsgerichtshof aber nicht von der Prüfung der Frage, ob dieser ordnungsgemäßen Bescheidausfertigung auch die ordnungsgemäße Urschrift eines erstinstanzlichen Bescheides zu Grunde liegt.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Gemäß § 58 Abs. 3 AVG 1950 gelten diese Vorschriften auch für Bescheide.
Das bedeutet, das ungeachtet der Form der Bescheidausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 die Urschrift (Konzept, Entwurf, Referatsbogen etc.) wesentlich mit der Unterschrift versehen sein muß. An diesem Grundsatz hat auch die AVG-Novelle 1982 keine Änderung gebracht, weil diese sich nur auf verschiedene Fälle der formalen Bescheidausfertigungen bezieht. Daher ist für den vorliegenden Fall auch die bisherige Rechtsprechung von Bedeutung (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen des Erkenntnisses vom 16. Juni 1981, Slg. N.F. Nr. 10.491/A, Seite 458 f der Amtlichen Sammlung; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts3, Seite 142; schlechthin hinsichtlich einer behördlichen Erledigung, auch wenn sie kein Bescheid ist, Erkenntnis vom 3. Juli 1979, Slg. N.F. Nr. 9903/A, Seite 396 der Amtlichen Sammlung; Erkenntnis vom 17. März 1982, Zl. 81/03/0021).
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wenn für die Ausfertigung des Bescheides die Bestimmung des § 18 Abs. 4, letzter Satz AVG 1950 in der oben genannten Fassung gelte, sei auch die Bestimmung des Satzes 1 des Abs. 4 des § 18 nicht zu beachten, läßt sich weder aus dem Gesetz, auch nicht aus seinen im Jahre 1982 novellierten Fassung, noch aus dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ableiten. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde würde in weiterer Folge das Prinzip des Art. 20 Abs. 1 B-VG umgehen: Müssten behördliche Erledigungen von niemanden mehr unterschrieben und genehmigt werden, so wäre nicht mehr erkennbar, ob und allenfalls welche auf Zeit gewählten oder ernannten berufsmäßigen Organe die Verwaltung führen. Es wäre auch weder der Durchgriff des Weisungsrechtes im Sinne des zitierten Artikels der Bundesverfassung gewährleistet, noch könnte eine Gebietskörperschaft, die nach Art. 23 Abs. 1 B-VG zur Amtshaftung herangezogen wird, ihrerseits Regreß an einem Organ im Sinne des Abs. 2 dieses Artikels nehmen, weil nämlich kein genehmigendes Organ mehr feststellbar wäre.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes lag daher in erster Instanz kein Bescheid vor. Die belangte Behörde als Berufungsbehörde hätte dies wahrnehmen und die gegen einen Nichtbescheid erhobene Berufung als unzulässig zurückweisen müssen.
Da sie dies nicht tat, hat sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 6. Dezember 1985
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