VwGH 95/17/0068

VwGH95/17/006815.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Jänner 1995, Zl. UVS-05/26/00192/94, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
BAO §243;
BAO §83;
BAO §93 Abs2;
LAO Wr 1962 §189;
LAO Wr 1962 §57;
LAO Wr 1962 §67 Abs2;
VStG §49 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ZustG §7;
AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
BAO §243;
BAO §83;
BAO §93 Abs2;
LAO Wr 1962 §189;
LAO Wr 1962 §57;
LAO Wr 1962 §67 Abs2;
VStG §49 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ZustG §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer der "XY-GesmbH", der Aufstellerin, bis zum 3. Februar 1994 unterlassen, die Vergnügungssteuer für den Monat Februar 1994, für den im Betrieb in W, F-Gasse 1, aufgestellten Unterhaltungsspielapparat (Dart), in der Höhe von S 3.000,-- einzubekennen und zu entrichten. Er habe dadurch die Vergnügungssteuer in der Zeit vom 2. Februar 1994 bis zum 3. Februar 1994 mit dem Betrag von S 3.000,-- verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen. Er habe hiedurch § 19 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesez für Wien 1987 verletzt. Nach dieser Bestimmung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- verhängt.

Die Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 3. März 1994 zugestellt.

Gegen diese Strafverfügung richtete sich ein am 9. März 1994 zur Post gegebener Einspruch. Als Einschreiter ist in dieser Eingabe angeführt: "XY-GesmbH", N-Straße 184 in W, vertreten durch den Geschäftsführer Dr. G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E ..."

Der Einspruch weist folgenden Text auf:

"Ich erhebe gegen die Strafverfügung vom 18. Februar 1994,

MA 4/7-80309/4/7,

Einspruch

Es wird mir vorgeworfen, daß ich bis zum 3.2.1994 es unterlassen habe, Vergnügungssteuer für den Monat Februar 1994 in der Höhe von S 3.000,-- zu entrichten.

Es wird mir vorgeworfen, daß ich im Zeitraum vom 2.2.1994 bis zum 3.2.1994 eine Verwaltungsübertretung begangen habe. Aufgrund der begangenen Tat, nämlich lediglich für einen Tag die Vergnügungssteuer verkürzt zu haben, erscheint eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- unangemessen. Eine Strafe in der Höhe von 50 % der zu entrichteten Vergnügungssteuer ist jedenfalls unangemessen.

Wien, 8.3.1994

Dr. G"

Mit Datum vom 16. März 1994 hat der Magistrat der Stadt

Wien einen Bescheid mit folgendem Spruch erlassen:

"Der Einspruch der XY-GesmbH vom 8. März 1994 gegen die Strafverfügung vom 18. Februar 1994, MA 4/7-80309/4/7, wird gemäß § 49 Abs. 1 VStG zurückgewiesen."

Begründend führt der Magistrat der Stadt Wien aus, der Einspruch sei der XY-GesmbH zuzurechnen, Beschuldigter im gegenständigen Strafverfahren sei jedoch der Beschwerdeführer. Der Einspruch sei daher zurückzuweisen. Der Magistrat der Stadt Wien verfügte die Zustellung dieses Bescheides an die XY-GesmbH zu Handen Dr. E. Die so verfügte Zustellung wurde am 22. März 1994 vollzogen.

Am 31. März 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die genannte Strafverfügung. Für den Fall der - tatsächlich erfolgten - Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages erhob er Berufung gegen den Bescheid vom 16. März 1994. Aus der Formulierung des Einspruches sei erkennbar, daß dieser nicht von der XY-GesmbH, sondern vom Beschwerdeführer erhoben worden sei. Die Behörde wäre zumindestens verpflichtet gewesen, den Einspruch zur Verbesserung zurückzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufung sei dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Sie richte sich gegen einen Bescheid, der nicht gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern gegenüber der XY-GesmbH ergangen sei. Dem Beschwerdeführer komme daher keine Parteistellung zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, ihn aus diesem Grunde aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß er Partei des gegenständlichen Strafverfahrens und daher durch die Zurückweisung des ihm zurechenbaren Einspruches durch die erstinstanzliche Behörde beschwert sei. Die belangte Behörde hätte daher seine Berufung gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen gehabt, die ihrerseits ergeben hätte, daß diese Zurückweisung zu Unrecht erfolgt sei, weil der Einspruch dem Beschwerdeführer zuzurechnen gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus dem Spruch des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 16. März 1994 im Zusammenhang mit seiner Begründung ergibt sich eindeutig der Bescheidwille dieser Behörde, die vorliegende Prozeßhandlung (Einspruch) nicht dem Beschwerdeführer, sondern der XY-GesmbH zuzurechnen und aus diesem Grunde zurückzuweisen. Das bedeutet aber weiters, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides auch die Entscheidung darüber enthält, daß der Einspruch vom 8. März 1994 nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Durch diesen Teil des (auf die genannte Weise auszulegenden) Spruches konnte der Beschwerdeführer in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden und daher auch beschwert sein.

Die Berufungslegitimation kann auch nicht etwa deshalb verneint werden, weil der Bescheid mangels Zustellung rechtlich nicht existent geworden ist. Nach der Aktenlage sollte der angefochtene Bescheid laut Zustellverfügung an die XY-GesmbH, zu Handen Herrn Dr. E, Rechtsanwalt, zugestellt werden. Wie der Gerichtshof im Beschluß eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. Nr. 10327/A, ausgesprochen hat, hängt die Frage, für wen nach dem - allein maßgebenden - Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt, wer also "Empfänger" desselben im Sinn des § 31 AVG 1991 ist, von der Zustellverfügung ab. Im Beschwerdefall ist der Bescheid dem Empfänger, nämlich der XY-GesmbH, zugekommen. Damit ist der Bescheid rechtlich existent geworden. Das Berufungsrecht fließt unmittelbar aus der Parteistellung; die Berufung des Beschwerdeführers gegen den ihm zwar nicht zugestellten, jedoch seinem ganzen Inhalt nach zur Kenntnis gelangten und durch Zustellung an eine andere Partei erlassenen Bescheid ist zulässig (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E. 42, 43 zu § 63 AVG, aber auch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, 81/11/0119, VwSlg 11625 A/1984, in dem der Verwaltungsgerichtshof vergleichbare Aussagen zur Beschwerdelegitimation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffen hat).

Damit wäre aber die belangte Behörde verpflichtet gewesen, in die meritorische Überprüfung des angefochtenen Bescheides einzutreten, ihr Zurückweisungsbescheid ist mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Aufgrund des Erscheinungsbildes des Einspruches vom 8. März 1994 ist seine Zurechnung zumindestens zweifelhaft. Wohl wird im Rubrum als Einschreiterin die XY-GesmbH angeführt, der Text des Einspruches ist jedoch in der "Ich"-Form gehalten und führt rechts unten den Beschwerdeführer ohne Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses zu einer Gesellschaft als Einspruchswerber an.

Für die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Berufung im eigenen Namen eingebracht, spricht auch, daß sich die erstinstanzliche Strafverfügung gegen ihn persönlich gerichtet hat und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 7. Dezember 1982, 2675/79) im Strafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft dieser keine Parteistellung zukommt.

Die Verwaltungsbehörde mußte sohin Zweifel daran hegen, wem der vorliegende Einspruch zuzurechnen ist. Diese Zweifel konnten auch nicht durch den sonstigen Inhalt der Verwaltungsakten beseitigt werden. Sie waren nicht im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1991 auszuräumen. Wohl aber war im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 37 AVG 1991 anzuwenden, wonach den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben ist. Ebenso wie die Behörde etwa verpflichtet ist, den Sinn eines mehrdeutigen Parteienantrages durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen, ist sie auch verpflichtet, in einem Zweifelsfall wie dem vorliegenden sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Einspruchswerber ist. Bemerkt sei, daß dies nicht die Nachholung einer an sich befristeten Prozeßhandlung, sondern die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, jedoch undeutlichen Prozeßhandlung ist.

Ungeachtet dieser Erwägungen zur meritorischen Erledigung der vorliegenden Berufung war der angefochtene Zurückweisungsbescheid im Hinblick auf die Bejahung der Berufungslegitimation des Beschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. Juni 1994, BGBl. Nr. 416/1994.

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