VwGH 81/11/0119

VwGH81/11/011919.12.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Domittner, Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. NN in G, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwälte in Graz, Joanneumring 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. Oktober 1981, Zl. 5-212 Lo 19/7-1981, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §31;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §18 Abs2;
VStG §9 idF 1983/176;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §31;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §18 Abs2;
VStG §9 idF 1983/176;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit er die Entscheidung enthält, dass die Berufung vom 9. März 1981 nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 9. Februar 1981, Zl. A 4-St. 726/1980/103, (im Akt als "K I" bezeichnet) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe dadurch, "dass er als handelsrechtlich Verantwortlicher der Firma Dipl. Ing. NN Ges.m.b.H., wie bei einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat Graz am 15. Oktober 1980 festgestellt wurde, auf seiner Baustelle in der R-straße im Bereich des Berlinerringes in einer ca. 25 m langen und ca. 1,40 m tiefen Künette in der zum Zeitpunkt der Kontrolle 2 Arbeiter arbeiteten, in Betrieb hatte, ohne dass irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen gegen den Einsturz der Künette getroffen waren", eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Z. 12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, begangen.

Mit drei weiteren, unter derselben Geschäftszahl ergangenen Straferkenntnissen vom 4. Februar 1981 wurde der Beschwerdeführer weiters schuldig erkannt, er habe unter denselben Begleitumständen dadurch, dass er nicht dafür Sorge getragen habe, dass den Arbeitern bei der Arbeit in der Künette Schutzhelme zur Verfügung standen, eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 9 der Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit § 44 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 265/1951, in Verbindung mit § 33 Abs. 1 lit. a Z. 10 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (im Akt als "K II" bezeichnet), weiters

dadurch, dass er eine Baustelle betrieben habe, bei der eine Einstiegleiter zum Ein- und Aussteigen in die Künette nicht vorhanden gewesen sei, eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit § 30 Abs. 1 lit. a Z. 12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (im Akt als "K III" bezeichnet) und schließlich

dadurch, dass er eine Baustelle betrieben habe, an der das Aushubmaterial unvorschriftsmäßig unmittelbar am Künettenrand gelagert gewesen sei, eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit § 30 Abs. 1 lit.a Z. 12 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (im Akt als "K III" bezeichnet),

begangen.

Am 10. März 1981 (das ist nach der Aktenlage rechtzeitig) langte beim Magistrat Graz eine auf Briefpapier mit dem Briefkopf "Hoch- Tief- Eisenbahnbau Dipl. Ing. NN Ges.m.b.H." geschriebene Eingabe vom 9. März 1981 ein, in der es unter Bezugnahme auf die Geschäftszahl der vier oben erwähnten Straferkenntnisse unter anderem heißt:

"Wir berufen gegen die o.a. Straferkenntnisse aus folgenden Gründen: ..."

Diese Eingabe ist vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben; der Unterschrift ist eine Stampiglie des Wortlautes "Dipl.Ing. NN Ges.m.b.H. Hoch- Tief- Eisenbahnbau ..."

beigefügt.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 1981 wies der Landeshauptmann von Steiermark "die gegen die beiden Straferkenntnisse des Magistrates Graz, Gewerbeamt, vom 4. Februar 1981, GZ A 4-St 726/1980/103, und das Straferkenntnis vom 9. Februar 1981, GZ A 4- St 726/1980/103, erhobene Berufung der durch den Geschäftsführer Dipl. Ing. NN vertretenen Dipl. Ing. NN Gesellschaft m.b.H. vom 9. März 1981" als unzulässig zurück. (Hiezu geht aus einem Schreiben des Landeshauptmannes von Steiermark an den Magistrat Graz vom 24. März 1981 hervor, dass die belangte Behörde den mit "K II" bezeichneten Bescheid als nicht angefochten und daher rechtskräftig ansah.)

In der Begründung ihrer Berufungsentscheidung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Berufungsvorbringens im wesentlichen aus, den angefochtenen Straferkenntnissen sei eindeutig zu entnehmen, dass sich dieselben gegen Dipl. Ing. NN als handelsrechtlich Verantwortlichem der Firma Dipl. Ing. NN Ges.m.b.H. richteten. Demgegenüber sei die vorliegende Berufung vom 9. März 1981 nicht vom Beschuldigten Dipl. Ing. NN persönlich als verantwortlicher Einzelperson im Sinne des § 9 VStG 1950, sondern von ihm als handlungs- und zeichnungsberechtigtem Vertreter der im Handelsregister eingetragenen Dipl. Ing. NN Ges.m.b.H. eingebracht worden. Die genannte Gesellschaft sei jedoch zur Einbringung eines Rechtsmittels bzw. ganz allgemein zur Vornahme von Rechtshandlungen im Gegenstand nicht berechtigt, weil gegen sie wegen der Dipl. Ing. NN zur Last gelegten Tatbestände nach der Bauarbeiterschutzverordnung - zu Recht - ein Verfahren nicht durchgeführt worden sei. Die gegen die drei Straferkenntnisse des "Magistrates Graz" vom 4. bzw. 9. Februar 1981 gerichtete Berufung der Dipl. Ing. NN Ges.m.b.H. sei daher mangels Legitimation zur Erhebung dieses Rechtsmittels zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, dass von der belangten Behörde die Berufung als seine angenommen werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG 1965 in der geltenden Fassung verstärkten Senat erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, dass der Beschwerde nicht etwa deshalb ein Mangel im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG 1965 anhaftet, weil der Beschwerdeführer als belangte Behörde das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" anstatt richtigerweise den Landeshauptmann von Steiermark bezeichnet hat. Der vorliegende Fall ist insoweit demjenigen gleich gelagert, der dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Zl. 2041/73, (teilweise veröffentlicht in Slg. Nr. 8477/A) zugrundelag. Auch damals war dem Beschwerdeführer die Beschwerde zur Behebung von Mängeln - u.a. hinsichtlich der Bezeichnung der belangten Behörde -

zurückgestellt worden und es hatte der Beschwerdeführer in der verbesserten Beschwerde die in der ursprünglichen Fassung der Beschwerde enthaltene unrichtige Angabe, dass der angefochtene

Bescheid vom "Amt der ... Landesregierung" erlassen worden sei,

wiederholt. Der verstärkte Senat gelangte damals zum Ergebnis, der Beschwerdeführer sei dem Verbesserungsauftrag immerhin dadurch nachgekommen, dass er eine Kopie des angefochtenen Bescheides vorgelegt habe, aus dem die Bezeichnung der belangten Behörde (damals der Landesregierung) hervorgehe.

Auch in der Folge hat der Gerichtshof (vgl. die Erkenntnisse vom 19. Juni 1978, Zl. 433/78, vom 3. Juli 1979, Zl. 421/79, und vom 14. Mai 1980, Zl. 3339/79) einem so gearteten Vergreifen in der Bezeichnung der belangten Behörde nicht die Bedeutung eines Zurückweisungsgrundes beigemessen; im zitierten Erkenntnis vom 3. Juli 1979 hat der Gerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, der Beschwerdeführer habe keinerlei Erklärung abgegeben, mit welcher er mit dem Ausdruck "Amt der Landesregierung" nicht auf die Identität zwischen Behörde und ihrem Hilfsapparat, sondern auf den behördenorganisatorisch vereinzelt vorgesehenen Fall der Einrichtung des Amtes der Landesregierung als eine vom Landeshauptmann und von der Landesregierung zu unterscheidende Behörde abgezielt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Insbesondere vermag der erkennende Senat die im Beschluss vom 11. Mai 1984, Zl. 84/02/0144, 0145, vertretene Ansicht nicht zu teilen, der gegenständlichen Rechtsprechung sei durch den Beschluss eines verstärkten Senates vom 8. April 1981, Slg. Nr. 10.419/A, der Boden entzogen. In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 komme insofern besondere Bedeutung zu, als damit zwischen dem Beschwerdeführer und der von ihm als Prozessgegner bezeichneten belangten Behörde ein Prozessrechtsverhältnis begründet werde. Im Beschwerdefall konnte es sich jedoch, wie bereits ausgeführt, bei der vom Beschwerdeführer bezeichneten belangten "Behörde" in Wahrheit nicht um eine Behörde, sondern lediglich um deren Hilfsapparat handeln. Da der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG 1965 erkennbar Identität dieses Hilfsapparates mit der Behörde angenommen hat, wurde mit der Bezeichnung "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" auch hier die belangte Behörde eindeutig bezeichnet. Darauf, dass im Beschwerdefall durch die im vorgelegten Bescheid enthaltene Fertigungsklausel von Anfang an klar war, wer belangte Behörde sei, und der erteilte Mängelbehebungsauftrag daher in diesem Punkte entbehrlich war, kommt es nicht an; ebenso wenig darauf, dass der Beschwerdeführer in seinem Ergänzungsschriftsatz auf der von ihm gewählten Bezeichnung der belangten Behörde beharrte.

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 20. März 1979, Zl. 939/78, Slg. Nr. 9802/A, sowie die Beschlüsse vom 28. November 1979, Zl. 1663/78, und vom 20. März 1981, Zl. 81/04/0025) wäre die vorliegende Beschwerde mit der Begründung zurückzuweisen gewesen, der angefochtene Bescheid enthalte die Entscheidung, dass eine Berufung der Dipl.Ing. NN Gesellschaft m. b.H. als unzulässig zurückgewiesen werde, und dementsprechend in der Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides die Dipl. Ing. NN Gesellschaft m.b.H. als Adressat genannt sei. Der individuelle Normadressat dieses Bescheides sei somit nur die vorgenannte Gesellschaft und nicht der Beschwerdeführer. Dem in der Beschwerde geltend gemachten Recht des Beschwerdeführers auf meritorische Entscheidung über seine Berufung könne der vorliegende Bescheid somit nicht entgegenstehen. Durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides würde sich nämlich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nicht ändern, weil damit weder meritorisch noch formalrechtlich über eine eventuelle Berufung des Beschwerdeführers gegen die in erster Instanz ergangenen Straferkenntnisse des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 4. und 9. Februar 1981 abgesprochen worden sei. Durch den vorliegenden Bescheid habe der Beschwerdeführer daher weder in einer sich aus § 13 AVG 1950 ergebenden Rechtsstellung verletzt werden können noch sei ihm gegenüber darüber abgesprochen worden, dass die vorangeführten Straferkenntnisse des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz in Rechtskraft erwachsen seien. Aus diesen Gründen stehe somit der vorliegenden Beschwerde auf Seiten des Beschwerdeführers der Mangel der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung entgegen.

Darüber hinaus wäre nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes selbst bei Bejahung der Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung der Berufung nicht rechtswidrig gewesen. Danach habe sich die Prüfung, ob eine Berufung von einem hiezu Berechtigten erhoben worden sei, am äußeren Tatbestand zu orientieren (vgl. die Erkenntnisse vom 10. März 1976, Zl. 1898/75, vom 19. Juni 1979, Zl. 2037/77, vom 11. März 1981, Zl. 0641/80, vom 26. März 1981, Zl. 0600/80, vom 11. Oktober 1982, Zl. 81/10/0091, 0117, vom 8. November 1982, Zl. 82/10/0087, vom 29. November 1982, Zl. 81/10/0013, vom 30. November 1982, Zl. 82/05/0041, 0042, vom 14. März 1983, Zl. 82/10/0195, die beiden Erkenntnisse vom 21. März 1983, Zlen. 81/10/0063 und 82/10/0112, 0113, die beiden Erkenntnisse vom 13. Juni 1983, Zlen. 82/10/0118 und 82/10/0128, sowie den Beschluss vom 13. Dezember 1983, Zl. 81/05/0123; vgl. auch zu einem ähnlich gelagerten Fall das Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 1071/78). Wurde in einem so gelagerten Fall die Berufung auf dem Briefpapier der Gesellschaft verfasst, ist ihr Text in "Wir-Form" abgefasst, ist sie firmenmäßig gefertigt (wurde der Firma der Gesellschaft die Unterschrift des jeweiligen Beschwerdeführers beigesetzt) und wurde die Berufung in einem Briefumschlag eingebracht, der als Absender ausschließlich die bezeichnete Gesellschaft aufweist, dann sei nach dieser Rechtsprechung die Berufung nicht dem als physische Person Bestraften, sondern der Gesellschaft zuzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag seine Rechtsauffassung in beiden Richtungen nicht aufrecht zu erhalten.

I. Zur Frage der Beschwerdelegitimation:

Das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 20. März 1979, 939/78 Slg. Nr. 9802/A, geht von der Frage aus, ob der Bescheid, wenn im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde die Hypothese der Rechtswidrigkeit des Bescheides aufgestellt werde, dem im Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht entgegenstünde. Das genannte Erkenntnis gelangt zur Verneinung dieser Frage aus der (oben bereits näher dargelegten) Erwägung heraus, dass sich durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nicht ändern würde.

Auszugehen ist davon, dass der Spruch des vorliegenden Bescheides nicht isoliert betrachtet, sondern im Zusammenhang mit seiner Begründung ausgelegt werden muss. Daraus ergibt sich eindeutig der Bescheidwille der belangten Behörde, die vorliegende Prozesshandlung (Berufung) nicht dem Beschwerdeführer, sondern der Ges.m.b.H. zuzurechnen und aus diesem Grunde zurückzuweisen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es ja - wie bereits dargelegt - ausdrücklich, die vorliegende Berufung sei nicht vom Beschwerdeführer, sondern von ihm als Vertreter der Dipl. Ing. NN Ges. m.b.H. eingebracht worden, welche hiezu jedoch nicht legitimiert gewesen sei. Das bedeutet aber weiters, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides auch die Entscheidung darüber enthält, dass die Berufung vom 9. März 1981 nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Durch diesen Teil des (auf die genannte Weise auszulegenden) Spruches konnte der Beschwerdeführer in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt werden.

Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers kann auch nicht etwa deshalb verneint werden, weil der Bescheid mangels Zustellung rechtlich nicht existent geworden sei. Nach der Aktenlage sollte der angefochtene Bescheid laut Zustellverfügung an die "Dipl. Ing. NN Gesellschaft m.b.H., zu Handen des Geschäftsführers Dipl. Ing. NN ..." zugestellt werden. Der RS-Brief trug hingegen lediglich die Anschrift "Dipl. Ing. NN" und wurde von einer Angestellten der Gesellschaft übernommen. Wie der Gerichtshof im Beschluss eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.327/A, ausgesprochen hat, hängt die Frage, für wen nach dem - allein maßgebenden Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt, wer also "Empfänger" desselben im Sinne des § 31 AVG 1950 ist, von der Zustellverfügung ab. Im Beschwerdefall ist der Bescheid dem Empfänger, nämlich der Gesellschaft m.b.H., zugekommen. Damit ist der Bescheid rechtlich existent geworden; der Beschwerdeführender behauptet, in seinen Rechten durch diesen Bescheid verletzt und damit zur Beschwerde legitimiert zu sein, durfte daher im Sinne des § 26 Abs. 2 VwGG 1965 gegen ihn Beschwerde erheben (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 8. November 1982, Zl. 82/10/0087).

Somit ist in die meritorische Überprüfung des angefochtenen Bescheides einzutreten.

II. Zum Problem der Zurechnung:

Die Frage der Zurechnung einer Verfahrenshandlung ist im AVG 1950 nicht geregelt. Die Vorschrift des § 9 AVG 1950 - wonach, insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes zu beurteilen ist - bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit.

Rechtsfähigkeit ist hiebei die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, Handlungsfähigkeit die Fähigkeit, rechtlich bedeutsame Handlungen zu setzen, insbesondere rechtlich relevante Willenserklärungen abzugeben. Zum zuletzt genannten Fragenkreis gehört auch das Problem der Vertretungsbefugnis für nicht handlungsfähige Personen, so etwa der gesetzlichen Vertreter für physische oder der Organe für juristische Personen. Es ist daher auch die Frage, wer zur Vertretung von juristischen Personen in Betracht kommt, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren I hoch 8, Seite 179). Hiezu gehören neben den Bestimmungen des ABGB auch jene des Handels- und des Gesellschaftsrechtes (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts3, 46).

Gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. März 1906, RGBl. Nr. 58, über Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der geltenden Fassung wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Zu Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung der Geschäftsführer für die Gesellschaft bedarf es nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen. Hat daher der Beschwerdeführer die Berufung gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse mit seiner Unterschrift unter Beisetzung einer Firmenstampiglie der Gesellschaft, zu deren Vertretung er befugt ist, versehen, so deutet dies nach dem äußeren Tatbestand wohl darauf hin, dass dieses Rechtsmittel von ihm nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft erhoben worden ist.

Dieser Schluss ist aber nicht zwingend, weil die Vorschrift des § 18 Abs. 2 letzter Satz GmbHG nicht zwangsläufig auch zu der Annahme führt, eine unter Einhaltung der dort genannten Formvorschriften abgegebene Willenserklärung müsse unter allen Umständen als Erklärung im Namen der Gesellschaft gewertet werden. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. stellt vielmehr eine Ordnungsvorschrift dar, (Kastner, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts3, Seite 263; Griehsler, Form und Zuordnung gesellschaftlicher Vertretungshandlungen im Handelsrecht, GesRZ 1983, Seite 39). Eine Vermutung, dass der Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. oder überhaupt der Gesellschafter einer Handelsgesellschaft im Zweifel für die Gesellschaft handelt, gibt es nicht (Gellis, Kommentar zum GmbHG2, Seite 169; Kastner-Stoll, Die GmbH & Co KG im Handels- Gewerbe- und Steuerrecht2, Seite 288; vgl. auch die E des OHG vom 11. April 1962, HS 3063, vom 20. März 1969, HS 7130, und vom 13. Mai 1970, HS 7482).

Die Frage, wem die Berufung zuzurechnen ist, lässt sich daher auf Grund dieses Kriteriums allein nicht eindeutig beantworten.

Aber auch die Umstände, dass bei Abfassung bzw. Erhebung der Berufung ein Briefpapier und Briefumschlag der Gesellschaft verwendet und hiebei die "Wir"-Form gebraucht wurde, lassen eine abschließende Beurteilung dieser Frage nicht zu. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seine geschäftliche Tätigkeit im Rahmen der Gesellschaft zugrundeliegt, weshalb es - ohne dass daraus eine Zurechnung dieser Verfahrenshandlung an die Gesellschaft abgeleitet werden kann - verständlich erscheint, dass sich der Beschwerdeführer auch in diesem Falle, obwohl die Straferkenntnisse gegen ihn persönlich gerichtet waren, einer Form bedient hat, die im geschäftlichen Verkehr den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht.

Für die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Berufung im eigenen Namen eingebracht, spricht, dass sich die erstinstanzlichen Straferkenntnisse gegen ihn persönlich gerichtet haben und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 7. Dezember 1982, Zl. 2675/79, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung) im Strafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft, einer Genossenschaft oder eines Vereines (§ 9 VStG 1950 in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 176/1983) der Gesellschaft (der Genossenschaft, dem Verein) keine Parteistellung zukommt. Allerdings lassen diese Umstände ihrerseits auch nicht den zwingenden Schluss dahingehend zu, dass die Berufung vom Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben worden sei, zumal die anderen bereits oben dargelegten Umstände, auf Grund derer ein Handeln für die Gesellschaft gleichfalls nicht ausgeschlossen werden kann, nicht außer acht gelassen werden können. Es ist daher auf Grund der bisherigen Überlegungen nicht eindeutig zu klären, wem die gegenständliche Berufung zuzurechnen ist.

Die belangte Behörde musste sohin Zweifel daran hegen, wem die vorliegende Berufung zuzurechnen ist. Diese Zweifel konnten auch nicht durch den sonstigen Inhalt der Verwaltungsakten beseitigt werden. Sie waren zwar nicht, wie der Beschwerdeführer meint, im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 auszuräumen. Wohl aber war im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 37 AVG 1950 anzuwenden, wonach den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben ist. Ebenso wie die Behörde etwa verpflichtet ist, den Sinn eines mehrdeutigen Parteienantrages durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März 1959, Slg. Nr. 3517, sowie u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1969, Slg. Nr. 7636/A), ist sie auch verpflichtet, in einem Zweifelsfall wie dem vorliegenden sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Bemerkt sei, dass es sich hiebei nicht um die Nachholung einer an sich befristeten Prozesshandlung, sondern um die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, jedoch undeutlichen Prozesshandlung handelt.

Da die belangte Behörde dies unterließ, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften insoweit aufzuheben, als er die Entscheidung enthält, dass die Berufung vom 9. März 1981 nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste. Insoweit die von der belangten Behörde der Dipl. Ing. NN Ges. m.b.H. zugerechnete Berufung vom 9. März 1981 dieser gegenüber zurückgewiesen wurde, bleibt der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. Oktober 1981 als unangefochten unberührt.

Soweit in diesem Erkenntnis auf Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, die nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlicht sind, sei an Art. 14 Abs. 4 und 7 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGG1. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist und Stempelgebühren nur im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß zugesprochen werden können.

Wien, am 19. Dezember 1984

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