Normen
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BAO §14 Abs1 idF 1992/448 ;
BAO §14 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §4 Abs1;
BAO §92;
B-VG Art18 Abs1;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BAO §14 Abs1 idF 1992/448 ;
BAO §14 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §4 Abs1;
BAO §92;
B-VG Art18 Abs1;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 23. November 1990 erwarben der Beschwerdeführer und seine Ehegattin je zur Hälfte von MW eine inländische Liegenschaft um den Gesamtkaufpreis von 2,600.000 S. Aus dem Vertrag ergibt sich als Zeitpunkt des Besitzüberganges der 1. Jänner 1991.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 1995 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug als Haftungspflichtiger gemäß § 14 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der MW im Ausmaß von 167.722 S in Anspuch genommen. In der Entscheidungsbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 19. Dezember 1991 unter Hinweis darauf als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen worden, daß aufgrund der Übergabe der Liegenschaft und der Fahrnisse die "tragende Übernehmensgrundlage" auf ihn übergegangen sei. In der Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer vorgebracht, lediglich das Eigentum am Gebäude und am Grundstück erworben zu haben, während die Verkäuferin ihren Gewerbebetrieb (Gastwirtschaft) per 31. Dezember 1990 liquidiert habe. Der Beschwerdeführer habe weiters vorgebracht, daß er über eine Gewerbeberechtigung für den Betrieb einer Gastwirtschaft nicht verfüge, ausschließlich am Erwerb des Gebäudes und des Grundstückes interessiert gewesen sei und in den Jahren 1991 und 1992 Investitionen im Ausmaß von ca 1,2 Millionen S getätigt habe, um die Liegenschaft wirtschaftlich nutzen zu können. Er habe - so der Beschwerdeführer weiter - die Räumlichkeiten der Gaststätte leer übernommen; um den Gaststättenbetrieb verpachten zu können, habe er diesen erst einrichten müssen. Die belangte Behörde bringe im gegenständlichen Fall § 14 BAO in der vor Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof geltenden Fassung zur Anwendung, weil die Übereignung des Betriebes vor dem 31. Mai 1992 erfolgt sei. Die Primärschuldnerin MW habe vor der Übergabe des Objektes einen gastronomischen Betrieb (Restaurant mit Fremdenpension) geführt. Die wesentlichen Grundlagen eines derartigen Unternehmens seien das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die Gastwirtschaftsräumlichkeiten leer übernommen, stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Kaufvertrages; da dieser ausführe, daß das Inventar im Pauschalkaufpreis enthalten sei, nehme die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht an, daß die Einrichtungsgegenstände übergeben worden seien. Auch der Umstand, daß im Jahr 1991 nur eine gebrauchte Küche einschließlich Küchengeräte und Geschirr angeschafft worden seien, weise darauf hin, daß die Räumlichkeiten des Restaurantes eingerichtet gewesen seien. Der Beschwerdeführer und seine Gattin würden das Objekt seit 1991 verpachten. Hätten sie den Gaststättenbetrieb für die Verpachtung erst einrichten müssen, so wäre dies aus den Beilagen zu den Abgabenerklärungen (Anlageverzeichnis) ersichtlich gewesen. Die Pächter hätten keine Einrichtungsgegenstände angeschafft. Im übrigen wäre es auch kaum möglich gewesen, mit nicht eingerichteten Räumlichkeiten einen Umsatz zu erwirtschaften, der annähernd dem entspreche, den die Verkäuferin MW erzielt habe. Wenn es MW möglich gewesen sei, mit den vorhandenen Betriebsgrundlagen ein derart gutes Betriebsergebnis zu erzielen, so könne nicht angenommen werden, daß sich der Zustand der wesentlichen Wirtschaftsgüter des Unternehmens bis zum 1. Jänner 1991 derart verschlechtert habe, daß der Erwerber nicht in der Lage gewesen wäre, den Betrieb ohne Investitionen fortzuführen. Die Investitionen stellten eine qualitative Verbesserung des bestehenden Unternehmens dar, nicht aber Ausgaben, ohne die der Betrieb nicht lebensfähig gewesen wäre. Diese Auffassung werde durch den hohen Umsatz, der im Jahre 1991 mit dem Restaurant und der Frühstückspension erzielt worden sei, bestätigt. Auch wenn der Beschwerdeführer und seine Gattin das Unternehmen nicht unverändert weitergeführt, sondern das Restaurant an Dritte verpachtet hätten, so ändere dies nichts daran, daß ein Betrieb erworben worden sei, der objektiv zur Fortführung geeignet gewesen wäre. Werde ein Teil des erworbenen Unternehmens nicht vom Übernehmer selbst, sondern von einem Dritten aufgrund eines Rechtsgeschäftes mit dem Übernehmer fortgeführt, so werde dadurch die Haftung des Übernehmers nicht berührt. Dem Kaufvertrag vom 23. November 1990 sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer und seine Gattin als gemeinsame Käufer anzusehen seien, beide seien somit in diesem Vertrag als Personengemeinschaft aufgetreten, die ihre Sachen zum gemeinsamen Nutzen, nämlich zum Erwerb der Wirtschaftsgüter der MW einvernehmlich zusammengelegt hätten. Als Erwerber des Vermögens der MW sei somit eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht aufgetreten, deren Gesellschafter der Beschwerdeführer und seine Gattin seien. Haftungspflichtig iSd § 14 BAO wäre somit eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, da diese aber mangels Rechtspersönlichkeit als Haftungspflichtige nicht herangezogen werden könne, könne gemäß § 6 Abs 2 iVm § 77 Abs 2 BAO der Beschwerdeführer als Gesellschafter in Anspruch genommen werden. Die Ermessensentscheidung, den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen heranzuziehen, sei begründet: Die Abgaben seien bei der Primärschuldnerin MW nicht einbringlich, weil ein von ihr selbst gestellter Konkursantrag mangels Vermögens abgewiesen worden sei. Einbringungsmaßnahmen gegenüber der Gattin des Beschwerdeführers erschienen ebenfalls aussichtslos.
Gegen diesen Bescheid, der dem Beschwerdeführer am 2. Februar 1995 zugestellt worden ist, richtet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 14 Abs 1 BAO idF BGBl 448/1992 lautet:
"(1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon soviel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Das Bundesgesetz BGBl 448/1992, ausgegeben am 30. Juli 1992, enthält keine ausdrückliche Inkrafttretensbestimmung, sodaß es gemäß Art 49 Abs 1 B-VG mit 31. Juli 1992 in Kraft getreten ist. Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Ausführungen zum Inkrafttreten dieses Gesetzes.
Die Neufassung des § 14 Abs 1 BAO durch BGBl 448/1992 unterscheidet sich von der Stammfassung lediglich durch die Anfügung des letzten Satzes. Die Stammfassung des § 14 BAO wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Juni 1991, G 3/91, G 127/91, G 173/91, als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie keine Einschränkung der Haftung auf für den Erwerber vorhersehbare Abgabenschuldigkeien normiert hat. Diese Aufhebung trat mit Ablauf des 31. Mai 1992 in Kraft; gemäß Art 140 Abs 7 B-VG ist die aufgehobene Bestimmung - abgesehen von der im gegenständlichen Fall nicht relevanten Bestimmung für die Anlaßfälle - auf bis zum Ablauf des 31. Mai 1992 verwirklichte Tatbestände anzuwenden.
Die wesentlichen Betriebsgrundlagen werden bei gastronomischen Unternehmungen durch Grundstück, Gebäude und Einrichtung gebildet (vgl die bei Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 24 Tz 22.4 zitierte hg Judikatur). Im Hinblick darauf, daß im gegenständlichen Fall Grundstücke samt Gebäude und Einrichtung, wie sie der Verkäuferin MW zum Betrieb einer Gastwirtschaft bis zum 31. Dezember 1990 gedient haben, mit Stichtag 1. Jänner 1991 erworben worden sind, kann es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen, daß die belangte Behörde einen Betriebserwerb angenommen hat. Ob es den Käufern bloß auf den Erwerb der Liegenschaft angekommen ist, ob sie das miterworbene Inventar als abgewohnt und unverkäuflich angesehen haben und ob sie den Gastgewerbebetrieb fortsetzen wollten oder überhaupt die gewerberechtlichen Voraussetzungen für eine Fortsetzung erfüllten, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es im folgenden Fall auch nicht relevant, ob er - wie dies die belangte Behörde angenommen hat - mit seiner Gattin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Erwerb und zur Bewirtschaftung des Kaufobjektes gebildet hat, oder ob eine schlichte Miteigentumsgemeinschaft vorliegt. Wird ein Unternehmen (ein Betrieb) im Ganzen mehreren Erwerbern zu ideellen Anteilen übereignet, so ist - wenn die weiteren Voraussetzungen des § 14 BAO erfüllt sind - hinsichtlich jedes Erwerbers die Betriebsnachfolgehaftung gegeben.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, im gegenständlichen Fall wäre bereits § 14 BAO idF BGBl 448/1992 anzuwenden gewesen. Die Abgabenschulden, für die er zur Haftung herangezogen worden sei, seien erst nach dem Jänner 1991 im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung im Wege der Schätzung ermittelt und der Verkäuferin MW vorgeschrieben worden. Im Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Kaufvertrages und auch im Zeitpunkt der Übergabe des Kaufobjektes seien dem Beschwerdeführer diese Abgabenschulden nicht bekannt gewesen, er hätte sie auch nicht kennen können, da sie auch der Behörde erst später bekannt geworden seien. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Mit Erkenntnis eines verstärken Senates vom 4. Mai 1977, Slg NF 9315/A, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, daß im allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden habe; eine andere Betrachtungsweise sei dann geboten, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringe, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Recht anzuwenden sei, oder wenn darüber abzusprechen sei, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen sei.
Enthalten materiell rechtliche Steuergesetze keine besondere Anordnung über den Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, ist bei Erlassung von Steuerbescheiden grundsätzlich jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (vgl hg Erkenntnis vom 8. April 1991, 89/15/0111; Stoll, BAO-Kommentar, S 62; Öhlinger, Verfassungsrecht2, 164; zu weiteren Fällen zeitraumbezogener Betrachtung vgl hg Erkenntnis vom 19. Februar 1991, 90/08/0177).
Andere Voraussetzungen sind aber bei der im gegenständlichen Fall zu beurteilenden Heranziehung zur Haftung gegeben. Gemäß § 280 iVm § 289 BAO ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht auf alle Umstände Bedacht zu nehmen, die sich bis zur Erlassung der Berufungsentscheidung ereignen. Dies kann beispielsweis Umstände betreffen, die im Bereich der Ermessensübung zu berücksichtigen sind, oder etwa auch die mittlerweile eingetretene Tilgung der Abgabenschuld durch den Primärschuldner. Auf diesen Sachverhalt ist aber - da die Auslegung des § 14 idF BGBl 448/1992 nichts Gegenteiliges ergibt (vgl hg Erkenntnis vom 4. Juli 1990, 89/15/0083) - entsprechend dem im hg Erkenntnis Slg NF 9315/A zum Ausdruck gebrachten Grundsatz das im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung geltende Recht anzuwenden. Mit dem angefochtenem Bescheid wird nämlich nicht darüber abgesprochen, ob die Haftung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Betriebsübergabe (1. Jänner 1991) bestanden hat, sondern eine derartige Haftung für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgesprochen. Die Betriebsübergabe stellt lediglich einen Teil des gegebenen Sachverhaltes dar, der von der belangten Behörde in der Richtung beurteilt werden mußte, ob er zusammen mit den weiteren Sachverhaltselementen nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung zur Verwirklichung des Haftungstatbestandes führt.
In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 letzter Satz BAO idF BGBl 448/1992 erfüllt sind. Sie hat damit den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Der Ersatz für Stempelgebühren konnte nur für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung (Eingabengebühr) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (Beilagengebühr) zugesprochen werden.
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