Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §14
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §14
Spruch:
§14 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1992 in Kraft.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. §14 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO) bestimmt:
"(1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
(2) Die Bestimmungen des Abs1 gelten nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zug eines Vollstreckungsverfahrens."
1. Die beim Verfassungsgerichtshof zu B726/89 anhängige Beschwerde wendet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, mit der die beschwerdeführende Bank nach §14 Abs1 lita und b Bundesabgabenordnung (BAO) als Haftungspflichtige für aushaftende Abgabenschuldigkeiten eines Kreditnehmers - Umsatzsteuer, auch für die Unternehmensveräußerung selbst, samt Säumniszuschlag, und Lohnsteuer - in Anspruch genommen wird, der ihr zwecks Anwendung eines drohenden Insolvenzverfahrens mehrere (in der Folge an eine Tochtergesellschaft weiterveräußerte) Liegenschaften samt Appartementhäusern, Nebengebäuden und (inzwischen der Tochtergesellschaft weiter veräußertes) Zubehör verkauft hatte.
Aus Anlaß des Beschwerdeverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §14 BAO eingeleitet und unter der vorläufigen Annahme, diese Bestimmung lasse sich in Verbindung mit §20 BAO derart verfassungskonform auslegen, daß der Erwerber nur subsidiär hafte, folgende Bedenken geäußert:
"Im Erkenntnis 11478/1987 (zum Wiener Wasserversorgungsgesetz 1960) hat der Verfassungsgerichtshof an der Aussage des Erkenntnisses VfSlg. 6903/1972 festgehalten, daß die Heranziehung des nachfolgenden Wasserabnehmers als Haftungspflichtigen für die Abgaberückstände seines Vorgängers in dem auf die Rückstände der letzten Zeit beschränkten Ausmaß (§25 Abs2) unbedenklich sei, und davon ausgehend die unbeschränkte Haftung des Hauseigentümers (§25 Abs1) als nicht gerechtfertigt beurteilt. Es sei
'... nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Nachfolger im Wasserbezug die Möglichkeit hätte, allfällige Gebührenrückstände festzustellen und seinem Vorgänger gegenüber wirtschaftlich in Anschlag zu bringen. Das Bestehen dieser Möglichkeit wurde im Vorerkenntnis VfSlg. 6903/1972 nicht als allein tragendes Argument für die Verfassungsmäßigkeit der Haftungsregelung des §25 Abs2 Wr.WVG 1960 gewertet ...'.
Daß die Möglichkeit, die Haftungsfolgen zu überblicken, für die Sachlichkeit auch einer auf die Rückstände aus einem bestimmten Zeitraum beschränkten Haftung aber doch wesentlich ist, hat er im Erkenntnis G82/88 vom 5. Dezember 1988 (zum Wiener Getränkesteuergesetz 1971 und Vergnügungssteuergesetz 1963) bekräftigt. Die Begrenzung der Haftung des Verpächters für Abgaberückstände des Pächters aus einem bestimmten Zeitraum wurde nicht als ausreichend erachtet, weil sich der Verpächter nicht vor dem - möglicherweise sogar strafbaren - Verhalten des Pächters schützen könne. Es ging dabei allerdings um ein Verhalten (des Pächters), das dem haftungsbegründenden Akt (der Verpachtung) nachfolgt und daher im maßgeblichen Zeitpunkt (der Verpachtung) noch nicht ausreichend berücksichtigt werden kann. In bezug auf die Haftung für eine Steuer aus der vorherseh- und beeinflußbaren Verwendung einer Sache ergibt sich daraus nichts (vgl. G89/88 vom 15. Dezember 1988 zum Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978). Auch die in §14 BAO angeordnete Haftung knüpft an einen Vorgang - den Erwerb des Unternehmens - an, der dem Entstehen des Rückstandes erst nachfolgt, sodaß es an sich möglich sein müßte, den Umfang der Haftung rechtzeitig festzustellen.
Gleichwohl scheint es die Art der betroffenen Abgaben und Steuerabzugsbeträge praktisch unmöglich zu machen, die Folgen der Haftung einigermaßen verläßlich abzuschätzen. Die Höhe der endgültig zu entrichtenden Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, aber auch der abzuführenden Lohnsteuerbeträge dürfte nämlich infolge der Vielfalt der maßgebenden Daten und Gesichtspunkte nur durch umfangreiche und mühsame Untersuchungen und häufig auch erst nach Jahren aufgrund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung durch die Abgabenbehörde festzustellen sein. Der Erwerber eines Unternehmens oder gesondert geführten Betriebes scheint daher in der Regel auf die Angaben des Veräußerers angewiesen zu sein und selbst bei Anwendung aller zumutbaren Sorgfalt nicht sichergehen zu können, daß die ihn treffende Haftung nicht wesentlich größer ist, als den ihm vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist. Er kann folglich die zu erwartende Belastung offenbar auch dem Veräußerer gegenüber nicht angemessen in Anschlag bringen oder sich sonstwie dagegen absichern.
Eine solcherart im Ergebnis - trotz der Beschränkung auf die in einem bestimmten Zeitraum angefallenen Schulden - nicht überschaubare Haftung scheint in einer sachlich nicht zu rechtfertigenden und daher gegen den Gleichheitssatz verstoßenden Weise dem Erwerber eines Unternehmens das Risiko des Bestandes offener Abgabenschulden und Steuerabzugsbeträge aufzubürden. Sie scheint außerdem ohne einleuchtende Gründe den Erwerb von Unternehmen - insbesondere auch zu Sanierungszwecken - zu verhindern oder hintanzuhalten."
2. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und weist zunächst darauf hin, daß die Haftung nur für Abgaben angeordnet sei, bei denen sich die Abgabepflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet (Umsatz- und Gewerbesteuer) oder es sich um Steuerabzugsbeträge handle (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Abzugsteuer beschränkt Steuerpflichtiger und Umsatzsteuer auf Leistungen ausländischer Unternehmer an inländische Empfänger), und außerdem nur einen kurzen Zeitraum von maximal zwei Jahren erfasse. §14 BAO stelle die Heranziehung des Haftungspflichtigen in das Ermessen der Behörde, die ihre Entscheidung daher gemäß §20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen habe. Zweck des §14 BAO sei es zu verhindern, daß die in einem Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung von Abgabenforderungen durch den Übergang auf einen neuen Eigentümer für den Abgabengläubiger verlorengeht. Daraus ergebe sich die grundsätzliche Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftung. Es würde nicht dem Gesetz entsprechen, die Haftung geltend zu machen, obwohl die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden könne.
Sodann führt die Bundesregierung zu den Bedenken des Gerichtshofes aus:
"Unbillig im Sinne des §20 BAO ist eine Haftungsinanspruchnahme gemäß §14 BAO ua. dann, wenn sie für den Haftungspflichtigen zu einer nicht vorhersehbaren und daher beim Unternehmens(Betriebs)erwerb auch nicht einkalkulierbaren Belastung führt. Vorhersehbar sind Schulden, die der Erwerber kannte oder kennen mußte. Dazu gehören jedenfalls im Zeitpunkt des Erwerbes des Unternehmens (Betriebes) offene Abgabenschuldigkeiten, die aus Lastschriftanzeigen bzw. aus dem Abgabenkonto ersichtlich sind und deren Höhe der Erwerber vom Veräußerer oder gemäß §1 des Auskunftspflichtsgesetzes (bei Zustimmung des Abgabepflichtigen im Sinne des §48a Abs4 litc BAO) von der zuständigen Behörde in Erfahrung bringen kann.
Zum Tatbestand des Kennens und Kennenmüssens von Abgabenforderungen ist die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu §1409 ABGB zu beachten. Danach steht der Haftungsinanspruchnahme die Unkenntnis der Schulden insbesondere dann nicht entgegen, wenn der Erwerber jene Sorgfalt außer acht läßt, die gerade ein Unternehmenserwerb erfordert (vgl. ua. SZ 47/80). Danach trifft den sorgfältigen Erwerber ua. die Pflicht, in die Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen und den Veräußerer über den Stand der Passiva zu befragen (vgl. Ertl in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Band, 1984, 2261).
Somit wird der Geltendmachung einer Haftung gemäß §14 BAO nichts entgegenstehen, wenn der Erwerber aus den Büchern und Aufzeichnungen, aus den dazu gehörigen Belegen oder aus eingereichten Abgabenerklärungen oder aus dem Abgabenkonto erkennen konnte, daß Abgabenforderungen bzw. Abgabennachforderungen in bestimmter Höhe zu erwarten sind. Im Regelfall kann auf Grund dieser Unterlagen ohne 'umfangreiche und mühsame Untersuchungen' auf die Höhe der in Frage stehenden Abgaben in dem relevanten Zeitraum geschlossen werden (u. zw. im Hinblick auf die Umsatzsteuer aus den entsprechenden Erklärungen in Verbindung mit dem Abgabenkonto oder aus den Aufzeichnungen der Umsätze, im Hinblick auf die Gewerbesteuer aus der vorgelegten Bilanz oder beim Einnahmen - Ausgabenrechner aus dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, im Hinblick auf die Lohnsteuer aus dem Lohnkonto und im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer und den Steuerabzug gemäß §99 EStG 1988 aus den Aufzeichnungen über die Abfuhr dieser Abzugssteuern).
Die Haftung gemäß §14 BAO umfaßt auch jene Umsatzsteuerbeträge (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1990, 89/15/0141), die auf die Geschäftsveräußerung im Sinne des §4 Abs7 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entfallen. Da in einem solchen Fall das Entgelt für die auf den Erwerber übertragenen Gegenstände und Rechte die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer darstellt und der Erwerber dieses Entgelt kennt, wird eine Haftungsinanspruchnahme in diesem Fall jedenfalls als für den Erwerber vorhersehbar angesehen. Ein 'sorgfältiger' Erwerber wird dieses Risiko einkalkulieren, was insbesondere dann, wenn er die schlechte wirtschaftliche Lage des Veräußerers kennt, geboten erscheint.
Ergeben sich Abgabennachforderungen gegenüber dem Veräußerer aufgrund einer nicht vorhersehbaren, von der aus den der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen sich ergebenden Rechtsauffassung des Hauptschuldners abweichenden Rechtsansicht der Abgabenbehörde (vgl. Kopecky, Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, 1971, 44) oder aus Änderungen der Rechtsauffassung (insbesondere bei Änderungen der höchstgerichtlichen Judikatur), so wird eine Haftungsinanspruchnahme des Erwerbes als unbillig zu erachten sein. Dies gilt auch für alle anderen Fälle, in denen der Erwerber die Höhe drohender Abgabennachforderungen im oben beschriebenen Sinne weder kannte noch kennen mußte, wenn etwa eine Betriebsprüfung zu einem Ergebnis führt, das aus den vorgelegten und eingesehenen Unterlagen nicht ableitbar war.
Der Wortlaut der angefochtenen Bestimmung läßt somit eine verfassungskonforme Auslegung zu, nach der die Haftung gemäß §14 BAO nur in dem Ausmaß für jene von dieser Bestimmung betroffenen Abgaben gilt, deren Höhe der Erwerber kannte oder kennen mußte. Eine solche Auslegung des §14 erscheint geboten, weil das Kriterium der Billigkeit gemäß §20 BAO bei der Ausübung des Ermessens jedenfalls beachtet werden muß.
Daß die Einschränkung auf Schulden, die der Erwerber kannte oder kennen mußte, in §14 BAO - anders als im §1409 ABGB - nicht ausdrücklich angeordnet ist, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Während die Haftungsinanspruchnahme aufgrund des §1409 ABGB in das Belieben des Gläubigers gestellt ist, steht die Haftungsinanspruchnahme gemäß §14 BAO im Ermessen der Abgabenbehörde, das in dem beschriebenen Sinne zu üben ist. Das Fehlen einer ausdrücklichen Einschränkung der Haftung kann daher ebensowenig wie der Umstand, daß die grundsätzliche Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftungsinanspruchnahme nicht ausdrücklich im §14 BAO enthalten ist, nicht zu einer Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung führen.
Da die Haftung des Erwerbers gemäß §14 BAO im Rahmen des Ermessens aus den dargelegten Gründen auf die in §14 Abs1 lita BAO näher bestimmten Abgaben und auf die Steuerabzugsbeträge, die der Erwerber kannte oder kennen mußte, beschränkt ist und der Erwerber diese Abgabenforderungen beim Erwerb einkalkulieren kann (also bei der Vereinbarung des Kaufpreises berücksichtigen kann), kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die angefochtene Bestimmung den Erwerb von Unternehmen, insbesondere zu Sanierungszwecken, verhindert oder hintanhält."
3. Die beschwerdeführende Bank hat eine Gegenäußerung erstattet, in der sie der Lösung der Bundesregierung vorwirft, das Gesetz gegen seinen Text durch die Vollziehung korrigieren zu lassen, und zur behaupteten Möglichkeit einer Auskunft über die Rückstände folgendes einwendet:
"In der BAO fehlt ... eine mit §67 Abs4 letzter Satz ASVG vergleichbare Bestimmung, welche bekanntlich lautet 'Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist'.
Aus dem Fehlen einer vergleichbaren Bestimmung in der BAO und dem von der Bundesregierung zitierten §48 a Abs4 litc BAO ergibt sich fürs erste, daß ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen eine derartige Auskunft von den in Betracht kommenden (mehreren!) Abgabenbehörden nicht erlangt werden kann.
Aber selbst dann, wenn eine derartige Anfrage (mit Zustimmung des Abgabepflichtigen) gestellt wird, können nur die auf Lastschriftanzeigen (Kontoauszügen) gebuchten rückständigen Abgaben ausgewiesen sein. §14 BAO normiert aber nun eine Haftung für Abgaben soweit sie 'auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen' bzw. für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres 'abzuführen waren'.
Die Haftung beschränkt sich daher nicht auf bescheidmäßig erfaßte Beträge, sondern kommt auch - schwergewichtig - gerade in dem Bereich zum Tragen, in dem noch keine Bescheide vorliegen und in denen sich daher der Erwerber nicht anhand der Lastschriftanzeigen und Kontoauszüge (wenn diese lückenlos vorhanden und unbedenklich sind, bedarf es ja gar keiner Anfrage beim Abgabengläubiger) informieren kann. Gem. §4 Abs1 BAO entsteht der Abgabenanspruch (auf den auch §14 BAO abstellt) schon, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabenpflicht knüpft.
Wenn beim Veräußerer ein Tatbestand verwirklicht ist, an den ein (von §14 BAO umfaßtes) Abgabengesetz eine Abgabepflicht knüpft und zum Zeitpunkt des Abschlusses des zivilrechtlichen Vertrags über den Erwerbsvorgang eine bescheidmäßige Erfassung und kassenmäßige Verbuchung dieses Abgabenvorganges bzw. der daraus resultierenden abgabenrechtlichen Folgen noch nicht stattgefunden hat, hilft die von der Bundesregierung vorgeschlagene - ohnedies nur mit Zustimmung des Abgabepflichtigen mögliche - Anfrage bei den in Betracht kommenden Finanzämtern nichts."
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu G127/91 und 173/91 aus Anlaß bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs angeschlossen und die Aufhebung des §14 BAO beantragt.
II. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig. Es ist kein Zweifel entstanden, daß die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den bei ihnen anhängigen Verfahren die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden hätten. Auch sonst ist kein Prozeßhindernis hervorgekommen.
III. Die Bedenken sind auch begründet. §14 BAO legt die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens oder Betriebes in unsachlicher Weise fest und verstößt daher gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz.
Auszugehen ist vom Gesetzestext. Demnach haftet der Erwerber schlechthin für die dort genannten Abgaben. Eine Beschränkung ist nur insofern vorgesehen, als sie auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen müssen. Zieht man in Betracht, daß die grundlegende - zivilrechtliche - Vorschrift über die Haftung des Erwerbers eines Vermögens oder Unternehmens (§1409 ABGB) die Beschränkung der Haftung auf jene Schulden, die der Erwerber "bei der Übergabe kannte oder kennen mußte", deutlich zum Ausdruck bringt, und selbst §67 Abs4 ASVG die Haftung des Erwerbers für den Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger ausdrücklich auf den Betrag beschränkt, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist, wird das Fehlen eines Anhaltspunktes für eine gleichartige Einschränkung in §14 BAO besonders deutlich. Der von der Bundesregierung zutreffend hervorgehobene Zweck dieser Haftungsbestimmung legt eine solche Beschränkung gerade nicht nahe. Die Gefahr des Verlustes der Sicherung der Abgabenforderung durch den Übergang des Unternehmens oder Betriebes hängt nicht im mindesten davon ab, ob der Erwerber den Rückstand kannte oder kennen mußte. Ein allfälliger Wille des Gesetzgebers, die für die Haftung ausschlaggebende Gefahr gegen unvorhergesehene oder auch nur unvorhersehbare Belastungen des Erwerbers abzuwägen, müßte als Beschränkung dieses Zweckes an irgendeiner Stelle des Gesetzes zum Ausdruck kommen.
Soweit die Bundesregierung eine verfassungskonforme Auslegung des §14 in Verbindung mit §20 BAO vorschlägt, die zu diesem Ergebnis führen soll, kann ihr der Verfassungsgerichtshof nicht folgen. Das in dieser Auffassung liegende Eingeständnis der Richtigkeit der Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gegen eine nicht weiter beschränkte Haftung erspart wohl eine weitere Bekräftigung dieser Bedenken. Der versuchte Ausweg über §20 BAO ist aber nicht gangbar. Diese Gesetzesbestimmung regelt die Handhabung des Ermessens innerhalb der Grenzen des Gesetzes. Das Ermessen, das §14 BAO der Behörde einräumt, besteht jedoch nur in der Wahl zwischen der Heranziehung des Abgabenschuldners und der Geltendmachung der Erwerberhaftung. §20 ermöglicht und rechtfertigt daher bei Handhabung des von §14 eingeräumten Ermessens im Verein mit dessen Zweck zwar die Subsidiarität der Haftung des Erwerbers. Nichts läßt aber den Schluß zu, daß selbst bei Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Veräußerer der Erwerber nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen haften soll. Die Abgabenschuld muß jedenfalls entweder beim Schuldner oder beim Haftenden eingebracht werden. Die Geltendmachung der Haftung ist nicht wie etwa unter bestimmten Umständen (§§236, 237 BAO) die Einhebung von Abgabenschuldigkeiten Billigkeitserwägungen anheimgestellt. Im Gesetz nicht vorgesehene Umstände - wie das Kennen oder Kennenmüssen der Rückstände - können auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn Billigkeitserwägungen es nahelegen würden. Mit der Berücksichtigung solcher Umstände würde die Behörde diesfalls nicht mehr von ihrem Ermessen Gebrauch machen, sondern sich über das Gesetz hinwegsetzen.
Ohne eine geeignete Einschränkung ist aber die von §14 BAO ausgesprochene Haftung aus den im Prüfungsbeschluß dargelegten und im Verfahren unwidersprochen gebliebenen Gründen unsachlich und daher gleichheitswidrig.
Die Gesetzesstelle ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Frist für das Außerkrafttreten wurde gemäß Art140 Abs5 B-VG gesetzt. Auf diese Bestimmung stützt sich auch die Verpflichtung zur Kundmachung. Der Ausschluß des Wiederinkrafttretens früherer Vorschriften erfolgte nach Art140 Abs6 B-VG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)