Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Nigerias, ist am 9. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10. Dezember 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab sie am 20. Februar 1992 an:
Sie habe sich politisch nie engagiert. Ihr Gatte sei Pastor in der baptistischen Kirche in Kano gewesen. Die Moslems seien in der Überzahl gewesen und hätten die religiöse Minderheit der Baptisten überfallen und geschlagen. Aufgrund der Tätigkeit ihres Gatten sei es für sie ganz gefährlich gewesen. Etwa Anfang Juni 1991 seien der Reihe nach vier Männer, die alle ein religiöses Amt bei den Baptisten innehatten, von den Moslems ermordet worden, weil sie die ältesten gewesen seien. Aufgrund des Amtes ihres Gatten wäre er der nächste gewesen. Die Polizei greife nicht ein, weil die meisten Polizisten auch Moslems seien. Um am Leben zu bleiben, habe ihr Mann beschlossen, daß sie das Land verlassen. Im Falle ihrer Rückkehr wäre es wegen ihrer Flucht noch ärger, und sie würde eine mehrjährige Haftstrafe nicht überleben. Des weiteren enthält die Niederschrift ausführliche Angaben zum Fluchtweg.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 11. März 1992 fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974 nicht erfülle.
In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin die im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben und ergänzte, daß die Kämpfe zwischen Moslems und Christen im mehrheitlich von Moslems bevölkerten Norden Nigerias, in welchem Kano liege, am 9. Juni 1991 begonnen hätten. Am 20. Juni 1991 habe sich die christliche Gemeinde in der Kirche von Kano zum Gottesdienst versammelt. Moslems hätten die Kirche gestürmt, und die vier in der Niederschrift genannten Männer getötet. Ihr Mann und sie hätten fliehen können und sich im Haus eines Freundes versteckt. Moslems hätten das davor geparkte Auto erkannt und in Brand gesteckt, weshalb sie weiter nach Benin City geflüchtet seien, wo sie sich in der Toilette ihrer Eltern versteckt gehalten hätten, um im Fall einer Hausdurchsuchung nicht sofort gefunden zu werden. Eines abends sei die von Moslems dominierte Polizei erschienen, weshalb sie nach Lagos weitergeflohen seien. Dort habe ihr Mann beschlossen, aus Nigeria zu fliehen. Kurz bevor sie am 2. Juli 1991 aus Lagos nach Bulgarien geflogen seien, hätte die Polizei ihre Eltern gefangen genommen und zu erfahren versucht, wo ihr Mann und sie sich versteckt hielten. Dies habe sie von einem Bekannten ihres Mannes erfahren.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, welche Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, erwogen:
Insofern die Beschwerdeführerin im Hinblick auf § 16 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Asylgesetz der belangten Behörde vorwirft, sie habe eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens unterlassen, ist ihr zu entgegnen, daß die Bestimmung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 im Zusammenhalt mit der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, nach welcher der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden hat, wobei er seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hat, zu sehen ist. Eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens ist lediglich dann anzuordnen, wenn das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren mangelhaft war, die Asylwerberin Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihr im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt in der Zwischenzeit geändert hat. Das bedeutet, daß für den Umfang der Ermittlungspflicht zunächst das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin maßgeblich ist (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 94/19/1388).
§ 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden ist, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Die Beschwerdeführerin hat in erster Instanz wesentlich vorgebracht, daß sie das Land auf Anraten ihres Gatten verlassen habe, weil dieser befürchtete, als nächster von den Moslems getötet zu werden. Die Beschwerdeführerin hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Moslems Männer, die ein religiöses Amt innegehabt hätten, zu ermorden trachteten. Damit drohte der Beschwerdeführerin, welche Frau und nicht Inhaberin eines religiösen Amtes war, keine Gefahr durch die Moslems. Aus diesen Angaben ist daher kein Anhaltspunkt auf eine individuell gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete konkrete Verfolgung durch die Moslems zu entnehmen, denn allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden. Individuelle Verfolgung durch die Mehrheit der Moslems drohte aber nur dem Gatten der Beschwerdeführerin aufgrund seines Geschlechtes und seines Amtes, nicht aber der Beschwerdeführerin selbst. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine eventuelle Verfolgung durch die Moslems überhaupt dem Staat Nigeria als mittelbare staatliche Verfolgung zurechenbar ist, indem die staatlichen Stellen des Heimatlandes die drohenden Übergriffe Dritter (hier der Moslems) geduldet hätten. Auch die befürchtete Haft wegen der Republikflucht ist nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 anzusehen, weshalb sich diesbezügliche Ermittlungen der belangten Behörde erübrigten (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1014, vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0039, und vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0932). Somit bietet das erstinstanzliche Vorbringen keinen Ansatzpunkt für die Annahme asylrechtlich relevanter Verfolgung, weshalb der Erstbehörde in der Unterlassung diesbezüglicher Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden kann. Die Beschwerdeführerin relevierte weder in der Berufung noch in der Beschwerde zutreffende Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, sie hat insbesondere nicht behauptet, daß sie Angaben betreffend asylrechtlich relevanter Verfolgung bereits bei der Ersteinvernahme gemacht hätte und diese unvollständig oder unrichtig übersetzt worden wären. Deshalb war die belangte Behörde an das Ergebnis des Ermittlungsverfahren erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 gebunden und konnte das darüber hinausgehende Berufungsvorbringen, welches auch staatliche Verfolgung behauptet, nicht verwerten.
Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang nunmehr ausführt, daß die Beschwerdeführerin als "angetraute Person" des verfolgten Gatten in diese Verfolgung einbezogen werden müsse, da "- wie die Erfahrung zeigt - immer wieder jeweils die gesamte Familie für eine bestimmte politische oder religiöse Anschauung eines Familienmitgliedes bestraft und verfolgt wird", so ist dieses - die bisherigen Angaben der Beschwerdeführerin übersteigende und umdeutende - Vorbringen angesichts der Erstaussage gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich.
Die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei keiner asylbegründenden Verfolgungshandlung im Sinne der Fluchtgründe der Genfer Flüchtlingskonvention unterlegen, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Bei diesem Ergebnis brauchte auf die von der Behörde ebenfalls zur Begründung herangezogene inländische Fluchtalternative und die von der Beschwerdeführerin hiegegen gemachten Ausführungen nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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