VwGH 92/01/1014

VwGH92/01/10149.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des T in H, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1992, Zl. 4.316.766/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art13;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art13;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der am 22. Mai 1991 den Asylantrag gestellt hat - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1992, B 595/92, abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 28. Mai 1991 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, nie Mitglied einer politischen Partei und auch nicht politisch tätig gewesen zu sein. Seine Eltern seien Großgrundbesitzer gewesen und nach der Machtübernahme der Kommunisten 1975 enteignet worden. Danach seien seine Eltern und er immer wieder von der Polizei und Miliz erpreßt worden. Wegen der Probleme mit dem kommunistischen Regime sei er nach seinem Schulabschluß 1983 nicht zur Aufnahmsprüfung für ein Studium an der Universität zugelassen worden. Da sein Leben durch diese Probleme und Unterdrückungen immer unerträglicher geworden sei, habe er im Mai 1984 seine Flucht aus Vietnam nach Indonesien geplant. Davon habe jedoch die Miliz Kenntnis erlangt, worauf er (mit anderen Vietnamesen) verhaftet und in ein Umerziehungslager gebracht worden sei. Seine Eltern hätten aber die Beamten bestochen, weshalb er im August 1984 vorzeitig entlassen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in einen anderen Ort übersiedelt, um der Kontrolle durch die örtliche Polizei zu entgehen. Dort habe er vier Monate gearbeitet, und er habe mit Hilfe seiner Schwester, die gleichfalls Beamte bestochen habe, eine Arbeitsbewilligung für die Tschechoslowakei, die bis Mai 1992 gültig gewesen sei, erhalten. Während seines Aufenthaltes in der Tschechoslowakei habe er, obwohl er kein Katholik sei, Verbindung mit religiösen Vietnamesen aufgenommen und an religiösen Veranstaltungen teilgenommen. Auf Grund dessen sei ihm am 25. April 1991 sein Reisepaß von seinem Arbeitsführer abgenommen worden und er hätte am 20. Mai 1991 nach Vietnam abgeschoben werden sollen. Aus Angst vor seiner Abschiebung habe er sich entschlossen, nach Österreich zu flüchten, da er nicht wisse, welche Repressalien ihn in Vietnam erwarten würden. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Juni 1991 hat der Beschwerdeführer auf diese Angaben verwiesen.

Unter Zugrundelegung dieser Angaben kann der belangten Behörde jedenfalls im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, der Beschwerdeführer befinde sich nicht aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes. Daran vermag insbesondere auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einer - der Annahme einer Verfolgung entgegenstehenden - Privilegierung des Beschwerdeführers infolge der Erteilung einer Arbeitsbewilligung für die Tschechoslowakei im Jahre 1987 ausgegangen ist, obwohl der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt hat, eine solche nur durch Bestechung erhalten zu haben. Entscheidend ist jedoch, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine individuell gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen aus einem der Konventionsgründe, aus denen für den Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland eine Verfolgungsgefahr für ihn abgeleitet werden könnte, vorgebracht und auch unabhängig davon keine solchen Gründe geltend gemacht hat, die seine asylrechtlich relevante Verfolgung erwarten ließen.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, daß ihm "eine berufliche Diskriminierung" drohe, welche bereits bisher vorgelegen sei, weil er zwar das Gymnasium habe abschließen können, ihm aber "eine akademische Laufbahn" versagt worden sei und er - auch in der Tschechoslowakei, wo er nur als Sägewerksarbeiter beschäftigt gewesen sei - nicht eine seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit habe ausüben können. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers würde dies aber noch nicht bedeuten, daß aus objektiver Sicht ein Aufenthalt in seinem Heimatland für ihn unerträglich wäre. Es fehlte nämlich an der hiefür erforderlichen Intensität einer derartigen Maßnahme, die nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst dann gegeben wäre, wenn damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden wäre (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom 17. Juni 1992,

Zlen. 92/01/0207, 0208, und vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0948). Dafür, daß dies der Fall wäre, besteht auch auf Grund der vom Beschwerdeführer geschilderten, in der Vergangenheit liegenden Ereignisse kein Anhaltspunkt.

Daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner bereits gemachten Erfahrungen in seinem Heimatland weiters die Befürchtung hegt, neuerlich in ein Umerziehungslager zu kommen, rechtfertigt für sich allein ebensowenig seine Anerkennung als Konventionsflüchtling. Er führt auch gar nicht konkret aus, in welchem Zusammenhang mit einem der Konventionsgründe eine derartige Maßnahme stehen würde, nimmt allerdings Bezug auf seine "schon vorgesehen gewesene Abschiebung nach Vietnam im Jahre 1991". Dazu ist zunächst zu bemerken, daß nicht zu erkennen ist, daß die beabsichtigte Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland - wie auch die Abnahme seines Reisepasses, die im übrigen noch keine Verfolgung im Sinne der Konvention darstellen würde (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0345) - von staatlichen Stellen seines Heimatlandes veranlaßt worden wäre und es sich nicht nur um eine einseitige Maßnahme seines damaligen Gastlandes gehandelt hätte. Der Beschwerdeführer weist mit keinem Wort darauf hin, daß die nach seiner Behauptung hiefür maßgebenden Gründe, nämlich seine religiösen Kontakte in der Tschechoslowakei, auch in seinem Heimatland zum Anlaß genommen würden, gegen ihn vorzugehen; er läßt vielmehr die Feststellung der belangten Behörde, er habe auf Grund der diesbezüglich allgemein herrschenden Zustände in seinem Heimatland aus diesem Grunde mit keiner Verfolgung zu rechnen, unbekämpft. Da er nie vorgebracht hat, wegen der Vorfälle, die sich vor seiner Ausreise aus Vietnam zugetragen haben, neuerlich zur Verantwortung gezogen zu werden, verbleibt - auf dem Boden der von ihm aufgestellten Behauptungen - nur mehr die Tatsache, daß er sich durch seine Flucht nach Österreich der Abschiebung nach Vietnam entzogen hat, als Motivation für eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle nunmehriger Rückkehr in sein Heimatland. Damit hätte er - entsprechend seinem Vorbringen bei Darstellung des Sachverhaltes in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - wohl einen der Tatbestände "der Republikflucht" nach Art. 85 oder 89 des Vietnamesischen Strafgesetzbuches verwirklicht. Für seinen Standpunkt wäre aber schon deshalb nichts zu gewinnen, weil in der Befürchtung, wegen Übertretung den Aufenthalt vietnamesischer Staatsbürger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt werden kann (vgl. außer dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0345, noch jenes vom 20. Mai 1992, Zlen. 92/01/0463, 0464). Selbst wenn - wie der Beschwerdeführer meint - "die systematische Unterdrückung und Verletzung von fundamentalen Menschenrechten" in Vietnam für die belangte Behörde "notorisch" hätte sein müssen, würde dies demnach für seine Anerkennung als Flüchtling nicht genügen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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