VwGH 93/09/0410

VwGH93/09/041019.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, in der Beschwerdesache der C in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. August 1991, Zl. OB. 126-126549-001, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Hilflosenzulage nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §17 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §7;
AVG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §17 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §7;
AVG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht nach ihrem im Jahr 1982 verstorbenen Gatten eine Witwenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz. Die Antragstellung zur Gewährung dieser Witwenrente (Grundrente) erfolgte am 9. April 1982 durch den im damaligen Verfahren von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten allgemein beauftragten Vertreter des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Die Vollmachtserteilung erfolgte laut dem mit 15. Februar 1982 datierten Vollmachtsformular in Art einer Generalvollmacht: "Ich

erteile ... Vollmacht, mich in allen laufenden und allfällig

kommenden Verfahren über meine Ansprüche aus der gesetzlichen Kriegsopferversorgung (Heeresversorgung) bzw. in Angelegenheiten nach dem Invalideneinstellungsgesetz vor der zuständigen Behörde zu vertreten. Bescheide und Zuschriften sind dem Bevollmächtigten zuzustellen. ..."

Das Verfahren auf Zuerkennung der Witwengrundrente endete mit dem der Beschwerdeführerin zu Handen des bevollmächtigten Vertreters beim Kriegsopferverband zugestellten Bewilligungsbescheid vom 30. April 1982.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 1990 stellte die Beschwerdeführerin persönlich den Antrag auf Gewährung einer "Hilflosen- bzw. Pflegezulage lt.

Kriegsopferversorgungsgesetz 1957". Sie bezog sich dabei auf eine telefonische Auskunft der Behörde vom 3. Oktober 1990 und beantragte die Gewährung der Hilflosen/Pflegezulage wegen starker Geh- und Körperbehinderung sowie der Erblindung eines Auges.

Zur Erledigung dieses Antrages sandte das Landesinvalidenamt der Beschwerdeführerin persönlich einen Fragebogen zur Beantwortung zu. Dieser ausgefüllte Fragebogen wurde wiederum laut Vermerk der Behörde am 23. November 1990 persönlich vom Sohn der Beschwerdeführerin vorgelegt.

Mit Bescheid vom 26. April 1991 gab das Landesinvalidenamt dem Antrag vom 30. Oktober 1990 auf Gewährung einer Hilflosenzulage keine Folge, weil ein Anspruch auf eine gleichartige Leistung nach anderen gesetzlichen Vorschriften (bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) geltend gemacht werden könne. Dieser Bescheid war an die Beschwerdeführerin "z. H. des bev. Vertr. beim KOV ..."

adressiert. Nach der aktenkundigen Zustellbestätigung erfolgte die Zustellung an den Vertreter des Kriegsopferverbandes am 29. April 1991. Eine Ausfertigung des Bescheides wurde am 30. April 1991 auch an die Beschwerdeführerin abgefertigt.

Mit einem formularmäßigen Berufungsschriftsatz vom 10. Mai 1991 ("in Vollmacht des(r) Obgenannten") brachte der Kriegsopferverband durch seinen allgemein beauftragten Vertreter Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom 26. April 1991 ein. Im wesentlichen wurde zur Begründung vorgebracht, daß der Anspruch auf Witwenpension von der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bis 1. April 1991 geruht habe und zumindest bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf eine Hilflosenzulage gemäß § 18a KOVG gegeben sei.

Am 12. Juni 1991 langte beim Landesinvalidenamt eine ebenfalls gegen den Abweisungsbescheid vom 26. April 1991 gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 1991 ein. Schriftenverfasser war der sich auf eine Vollmachtserteilung gemäß § 10 AVG berufende Rechtsanwalt Dr. T. Gegen den am 3. Mai 1991 zugestellten Bescheid vom 26. April 1991 werde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Wegen Fehlens eines Anspruches auf gleichartige Leistungen nach der gewerblichen Sozialversicherung habe der geltend gemachte Anspruch auf Hilflosenzulage jedenfalls bis einschließlich März 1991 bestanden. Die Berufungsschrift enthält keinerlei Hinweise auf eine allenfalls bereits erfolgte Berufungserhebung durch den Kriegsopferverband.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. August 1991 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Aufgrund der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schließe schon allein die Tatsache des Bestehens eines gesetzlichen Anspruches auf eine gleichartige Leistung den Anspruch auf eine Hilflosenzulage nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz aus, und zwar unabhängig davon, ob dieser Anspruch im Einzelfall auch tatsächlich durchgesetzt werden könne. Im angefochtenen Bescheid ist keine konkrete Bezugnahme auf eine Berufungsschrift enthalten. Laut der Zustellverfügung erging der angefochtene Bescheid an die beschwerdeführende Partei zu Handen des "bevollm. Vertreters beim Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld. H. ...."

In der am 28. September 1993 eingebrachten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides vom 30. August 1991 geltend gemacht. In der Beschwerde wird zu ihrer Rechtzeitigkeit ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei der Beschwerdeführerin erst am 8. Juni 1993 "zu eigenen Handen" zugestellt worden. Dazu wird ausgeführt, die belangte Behörde hätte nicht davon ausgehen dürfen, daß sich die Beschwerdeführerin auch im Antragsverfahren auf Gewährung der Hilflosenzulage, das sie persönlich eingeleitet habe, durch den Kriegsopferverband habe vertreten lassen wollen. Eine derartige Absicht habe die Beschwerdeführerin in keiner Weise geäußert. Die Tatsache allein, daß in einer Rechtssache eine Vollmacht vorgelegt worden sei, die eine Bevollmächtigung zur Vertretung in mehreren oder allen Angelegenheiten bekunde, reiche nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht aus, diese Bevollmächtigung auch in anderen, bereits anhängigen oder späteren Verfahren als gegeben anzunehmen. Trotzdem habe die belangte Behörde sämtliche Zustellungen im vorliegenden Verfahren an den Kriegsopferverband vorgenommen, als ob dieser konkret vertretungsbefugt gewesen wäre. Auch die Tatsache, daß die Berufungsschrift von einem Rechtsanwalt eingebracht worden sei, habe weder die erstinstanzliche Behörde noch schließlich die belangte Behörde dazu veranlaßt, die Bevollmächtigung des Kriegsopferverbandes im konkreten Verfahren in Zweifel zu ziehen. Auch der letztinstanzliche, nunmehr angefochtene Bescheid sei lediglich dem Kriegsopferverband zugestellt worden, wobei auch dieser - wie schon während des gesamten bisherigen Verfahrens - nicht mit der Beschwerdeführerin in Kontakt getreten sei. Die Beschwerdeführerin habe vom angefochtenen Bescheid erst am 8. Juni 1993 im Zuge einer Akteneinsicht beim Landesinvalidenamt Kenntnis erlangt, die von ihrem nunmehrigen (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einschreitenden) Parteienvertreter vorgenommen worden sei. Damit sei der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin erst zwei Jahre nach seiner Erlassung tatsächlich zugekommen und gelte auch erst mit diesem Datum als zugestellt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, in der sie die Anträge stellt, die Beschwerde als verspätet eingebracht zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde Kostenersatz zuzuerkennen. Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ging die belangte Behörde dabei im wesentlichen davon aus, die mit 16. Februar 1982 datierte Vollmacht habe "nach wie vor" Gültigkeit und eine Aufkündigung derselben sei nicht erfolgt. Auch wenn dem im Berufungsverfahren eingeschrittenen Rechtsanwalt eine Zustellbevollmächtigung zugekommen wäre - eine solche sei allein durch die Berufung auf § 10 Abs. 1 AVG ohnedies nicht ersichtlich gewesen -, sei auf die Bestimmung des § 9 Abs. 2 ZustellG zu verweisen, wonach bei mehreren Zustellbevollmächtigten die Zustellung als bewirkt gelte, wenn sie auch nur an einen von ihnen vorgenommen worden sei. Schon diese gesetzliche Bestimmung begründe die Rechtsgültigkeit der vorgenommenen Zustellung an den Kriegsopferverband mit Wirkung vom 16. September 1991, sodaß die am 28. September 1993 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet zu qualifizieren sei.

Die Beschwerde erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als unzulässig:

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG idF BGBl. Nr. 357/1990 (mit Wirkung vom 1. Jänner 1991) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließt die Zustellungsbevollmächtigung im allgemeinen ein (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 202).

Grundsätzlich bezieht sich eine Bevollmächtigung nur auf das jeweilige Verfahren, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftlich oder mündlich erteilte Vollmacht ausgewiesen hat, nicht jedoch auch auf andere bei der Behörde bereits anhängige oder anhängig werdende Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet selbst das Vorliegen einer "Generalvollmacht" nicht, daß die Behörde auch in weiteren Verfahren "automatisch" davon ausgehen kann, daß die Partei sich durch den einmal ausgewiesenen Bevollmächtigten wiederum vertreten lassen will. Besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Verfahren muß in jedem Einzelfall auf das in einem anderen Verfahren bestehende Vertretungsverhältnis gesondert hingewiesen werden (siehe dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1982, 82/03/0018, vom 4. Mai 1983, 09/3517/80, vom 15. Oktober 1987, 86/06/0229, vom 30. Oktober 1990, 90/04/0128, vom 19. Juni 1991, 90/03/0198, und vom 10. Mai 1994, 93/14/0140).

Aufgrund dieser Überlegungen durfte die Behörde auch im Beschwerdefall mangels Vorliegens einer unmißverständlichen Berufung auf die seinerzeitige Vollmachtserteilung nicht davon ausgehen, daß die im Jahr 1982 abgeschlossenen Verfahren zur Witwengrundrente - wenn auch formularmäßig als Art Generalvollmacht gestaltete - ausgewiesene Bevollmächtigung des Kriegsopferverbandes im rund 8 Jahre später von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Verfahren auf Gewährung einer Hilflosenzulage relevant ist. Ein enger unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Verfahren war nicht gegeben. Damit hätte (neben dem Erstbescheid) auch der angefochtene Bescheid vom 30. August 1991 nicht an den Kriegsopferverband adressiert und zugestellt werden dürfen.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit derjenige Beschwerde erheben, der durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Eine Beschwerde ist nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen fehlender Beschwerdeberechtigung immer dann zurückzuweisen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann (vgl. insbesondere den Beschluß des verstärkten Senates vom 13. Juli 1956, VerwSlg. NF. Nr. 4.127/A).

Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, daß er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz. Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung bzw. Ausfolgung (§ 24 des ZustellG) zu erfolgen.

Die Zustellung des angefochtenen Bescheides an den zu Unrecht als Bevollmächtigten angesehenen allgemein beauftragten Vertreter beim Kriegsopferverband hatte für die Beschwerdeführerin keine rechtliche Wirkung. Die Kenntnisnahme des angefochtenen Bescheides im Zuge einer Akteneinsicht laut Beschwerdeschrift am 8. Juni 1993 führte auch zu keiner Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 ZustellG, weil die Entscheidung vom 30. August 1991 laut Zustellverfügung von der Behörde für den Kriegsopferverband bzw. dessen allgemein beauftragten Vertreter und nicht für die Beschwerdeführerin (oder richtigerweise ihrem damaligen rechtlichen Vertreter) als Empfänger bestimmt war (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1988, 88/09/0002, und vom 14. Mai 1990, 90/19/0153). Abgesehen davon wäre eine bloße Kenntnisnahme durch Akteneinsicht einem tatsächlichen Zukommen nach § 7 ZustellG nicht gleichzusetzen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1984, Slg. Nr. 11.487/A).

Mangels rechtswirksamer Zustellung konnte daher der angefochtene Bescheid gegenüber der Beschwerdeführerin keine Rechtswirksamkeit entfalten. Die Beschwerde war aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1990, 90/03/0054).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 51 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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