VwGH 94/09/0061

VwGH94/09/006115.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. März 1993, Zl. Senat-WT-91-026, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §8;
B-VG Art140 Abs1;
VStG §51 Abs7;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §8;
B-VG Art140 Abs1;
VStG §51 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der HÖhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gendarmerieposten X erstattete am 21. April 1991 Anzeige gegen den in Wien wohnhaften Beschwerdeführer, weil dieser bei Renovierungsarbeiten in seinem Objekt L fünf Ausländer ohne die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderliche Bewilligung beschäftigt habe. Die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya trat die Verwaltungsstrafsache gegen den Beschwerdeführer am 23. April 1991 gemäß § 29a VStG an den Magistrat der Stadt Wien (Mag) ab.

Der Magistrat forderte am 30. April 1991 den Beschwerdeführer zur Rechtfertigung auf, weil dieser in der Zeit vom 15. April 1991 bis 19. April 1991 in L fünf namentlich genannte Ausländer bei Bauhilfsarbeiten beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer keine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde bzw. diese nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines für diese Beschäftigung gewesen seien. Wie bereits vor der Gendarmerie bestritt der Beschwerdeführer nicht, die fünf Ausländer in L aufgenommen und beschäftigt zu haben. Er versuchte sich damit zu rechtfertigen, daß ihm vom Arbeitsamt nicht ausreichend viele Arbeitskräfte vermittelt worden seien.

Mit Straferkenntnis des Magistrates vom 2. September 1991 wurde der Beschwerdeführer wegen fünf Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG schuldig erkannt und zu fünf Geldstrafen "a S 10.000,-- verurteilt, weil er in der Zeit vom 15. April 1991 bis 19. April 1991 in L fünf namentlich genannte Ausländer bei Bauhilfsarbeiten beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei bzw. diese nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines für diese Beschäftigung gewesen seien. Begründend berief sich der Magistrat auf die Gendarmerieanzeige und führte aus, die Rechtfertigung des Beschwerdeführers stelle keinen Schuldausschließungsgrund dar, weil er trotz Kenntnis der einschlägigen Vorschriften seiner Pflicht zur Einholung von Beschäftigungsbewilligungen nicht nachgekommen sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe sich bei der Renovierung des Objektes L in einer "extremen terminlichen Notsituation" befunden, doch habe ihm das Arbeitsamt nicht die benötigte Zahl von Arbeitnehmern vermitteln können. Er sei daher genötigt gewesen, sich ausländischer Arbeitskräfte zu bedienen. Die Tat sei wegen Notstandes (§ 6 VStG) nicht strafbar.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. März 1993 hat die belangte Behörde die Tatzeit hinsichtlich zweier Ausländer auf "19.4.1991" korrigiert, die Strafen auf fünf Mal S 5.000,-- herabgesetzt und entsprechend die erstinstanzliche Kostenentscheidung abgeändert, im übrigen aber gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht statt. Der Beschwerdeführer habe die Beschäftigung der fünf Ausländer nie in Abrede gestellt, er habe daher gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in Verbindung mit § 3 AuslBG verstoßen. Ein Fall des Notstandes gemäß § 6 VStG liege nicht vor, weil von einer unmittelbaren Bedrohung der Lebenssituation des Beschwerdeführers auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung keine Rede sein könne. Zur Strafhöhe hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zugute, daß er bemüht gewesen sei, seinen Arbeitskräftebedarf durch Einschaltung der Arbeitsmarktverwaltung zu decken, und daß er die Ausländer nur für eine sehr kurze Zeit beschäftigt habe; ferner sei der Beschwerdeführer geständig und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Es habe daher die Strafe gemäß § 20 VStG gemildert werden können, ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG sei aber nicht in Betracht gekommen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 28. Februar 1994, B 1111/93-7, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Er erachtet sich in seinem Recht verletzt, "mangels gesetzlicher Grundlage nicht bestraft werden zu dürfen".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Im Spruch des Magistrates vom 2. September 1991 findet sich als einziger Hinweis auf den Ort, an dem die Tat begangen wurde, daß der Beschwerdeführer die Ausländer "in L" beschäftigt habe. Da dieser Ort im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich liegt, war - unabhängig davon, ob damit der Tatort auch richtig bezeichnet worden ist - die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers zuständig. Der angefochtene Bescheid ist somit keinesfalls wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde rechtswidrig.

In seinen weiteren Beschwerdeausführungen zum Tatort (d.h.:

zur fehlenden Nennung des Tatortes im Rahmen einer gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlung und im Spruch des Straferkenntnisses) weicht der Beschwerdeführer in Verletzung des gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes von dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverhalt insofern ab, als er nun erstmals behauptet, die Beschäftigung der fünf Ausländer sei nicht durch ihn persönlich als Arbeitgeber, sondern vielmehr durch ihn als Geschäftsführer einer "R Betriebsgesellschaft m.b.H." mit Sitz in Wien erfolgt. Nun trifft es zu, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch bei Übertretungen gegen § 28 AuslBG im Zweifel der Unternehmenssitz als Tatort anzusehen ist, weil von dort aus die fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen gewesen wäre (siehe dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0173, und die dort angeführte Vorjudikatur). Dies kann aber nur gelten, wenn als Arbeitgeber ein Unternehmen auftritt. Daß dies vorliegendenfalls der Fall gewesen wäre, ist im gesamten Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden und auch sonst nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat vielmehr im gesamten Verwaltungsverfahren den Vorwurf, er persönlich habe die Ausländer beschäftigt, nicht bekämpft; er hat sich vielmehr ausschließlich dahin verantwortet, daß er mangels ausreichender inländischer Arbeitskräfte die Ausländer in L aufgenommen und beschäftigt habe.

Bei dieser Sachlage ist die Strafanzeige zutreffend an die gemäß § 27 Abs. 1 VStG in erster Instanz zuständige Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya gerichtet worden. Daß ungeachtet des im Sprengel dieser Behörde gelegenen Tatortes im weiteren erstinstanzlichen Verfahren der Magistrat eingeschritten ist, geht ausschließlich auf die Übertragung des Verfahrens an den Magistrat gemäß § 29a VStG zurück und hat nach der Aktenlage überhaupt nichts mit dem Sitz der erstmals in der Beschwerde genannten Gesellschaft m.b.H. in Wien zu tun.

Nach den vorstehenden Erwägungen geht somit das Beschwerdevorbringen ins Leere, wonach Verjährung eingetreten sei, weil die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen nicht alle der Bestrafung zugrundezulegenden Sachverhaltselemente enthalten hätten; das Verfahren hat sich vielmehr von allem Anfang an gegen den Beschwerdeführer persönlich wegen am Tatort L begangener Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG gerichtet.

Der Beschwerdeführer erblickt eine den angefochtenen Bescheid belastende Rechtswidrigkeit ferner darin, daß der angefochtene Bescheid nicht innerhalb der Frist des § 51 Abs. 7 VStG erlassen worden ist. Nach dieser Gesetzesstelle gilt der angefochtene (erstinstanzliche) Bescheid als aufgehoben, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab der Einbringung der Berufung erlassen wird. Dies gilt allerdings nach dem zweiten Satz des § 51 Abs. 7 VStG nicht in Sachen, in denen nicht nur der Beschuldigte das Recht auf Berufung hat.

Gemäß § 28a AuslBG in der Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 hat das Landesarbeitsamt im Verwaltungsstrafverfahren (nach dem AuslBG) Parteistellung und ist berechtigt, gegen Bescheid, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Diese Parteistellung des Landesarbeitsamtes umfaßt auch das Recht, im Verwaltungsverfahren Berufung zu erheben (vgl. dazu Neurath-Steinbuch, AuslBG, S. 303, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0457).

Auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 51 Abs. 7 VStG ist der Verfassungsgerichtshof nicht eingegangen, er hat aber durch die Ablehnung der Beschwerde des Beschwerdeführers im Beschluß vom 28. Februar 1994 unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß er diese Bedenken nicht teilt. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß der einfache Gesetzgeber gehindert gewesen wäre, die Fälle, in denen die Regel des ersten Satzes des § 51 Abs. 7 VStG nicht gelten soll, so zu regeln, wie dies nun im zweiten Satz dieser Gesetzesstelle geschehen ist. Ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch darauf, daß ein erstinstanzlicher Bescheid wegen Zeitablaufes als aufgehoben zu gelten habe, besteht nicht; daran können auch die Argumente des Beschwerdeführers nichts ändern.

Bei der gegebenen Gesetzeslage wurde der Beschwerdeführer somit auch dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, daß das Verfahren nicht durch die belangte Behörde im Sinne des ersten Satzes des § 51 Abs. 7 VStG zur Einstellung gebracht worden ist. Eine Anfechtung des § 51 ABs. 7 VStG zieht der Verwaltungsgerichtshof aus den obigen Erwägungen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, wehalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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