Normen
ApG 1907 §29 Abs4;
ApG 1907 §29 Abs5;
AVG §56;
AVG §8;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
ApG 1907 §29 Abs4;
ApG 1907 §29 Abs5;
AVG §56;
AVG §8;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 9. März 1992 wurde dem Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in S erteilt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 1993 - zugestellt am 12. Juli 1993 - wurde unter Berufung auf § 29 Abs. 5 des Apothekengesetzes (ApG) die Hausapothekenbewilligung des Beschwerdeführers mit Wirkung vom 11. Juni 1993 zurückgenommen. In der Begründung heißt es, gemäß § 29 Abs. 5 ApG sei der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde habe die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid auszusprechen. Da der Mitbeteiligte die Inbetriebnahme der neu errichteten öffentlichen Apotheke der belangten Behörde schriftlich bekanntgegeben habe, sei die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung des Beschwerdeführers auszusprechen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, im Verwaltungsverfahren sei die Behörde verpflichtet, vor Erlassung des Bescheides den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu bringen und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Dieses Recht sei dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht gewährt worden. Weiters habe die belangte Behörde keine Feststellungen über die Entfernung der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke von seiner Ordination getroffen und es seien ihm auch keine Ermittlungsergebnisse über die gegebene Entfernung zur Kenntnis gebracht worden.
Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt der Beschwerdeführer - wie bereits unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften - aus, dem angefochtenen Bescheid fehle jegliche Feststellung über die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke und der ärztlichen Ordination des Beschwerdeführers. Aus dem angefochtenen Bescheid lasse sich das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nicht entnehmen. Außerdem biete das ApG auch keine Grundlage für eine rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Mitbeteiligte hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt, in der er beantragt, die Beschwerde zurück-, in eventu abzuweisen. Der Mitbeteiligte meint, die Beschwerde sei mangels Beschwer unzulässig. Der Beschwerdeführer erachte sich in dem Recht verletzt, daß die Zurücknahme seiner Hausapothekenbewilligung nicht entgegen § 29 Abs. 5 ApG erfolge. Dem Beschwerdeführer sei, obwohl er von der Apothekeneröffnung informiert gewesen sei, während eines Monats die an sich rechtswidrige Weiterführung der Hausapotheke ermöglicht worden. Auch habe der Mitbeteiligte den Beschwerdeführer unmittelbar nach Zustellung des angefochtenen Bescheides aufgesucht und mit ihm vereinbart, daß die Abrechnung der zwischen dem 11. Juni und dem 12. Juli 1993 von ihm abgegebenen Rezepte noch im Rahmen der Hausapotheke durchgeführt werde, was übrigens auch von den Krankenkassen akzeptiert worden sei. Dem Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid, insbesondere durch die rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung, kein Schaden entstanden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Abgesehen davon, daß, wie noch zu zeigen sein wird, nicht davon ausgegangen werden kann, der Beschwerdeführer sei durch die rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nicht beschwert, macht der Beschwerdeführer nicht nur eine Verletzung seiner Rechte durch die rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung geltend, sondern neben einer Beeinträchtigung seines Rechtes auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Gewährung des Parteiengehörs, auch eine Verletzung des Rechtes, daß die Hausapothekenbewilligung nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zurückgenommen werde. Zwar wird im Beschwerdepunkt § 29 Abs. 5 ApG zitiert, doch ergibt sich aus den Beschwerdeausführungen, in denen unter der Bezeichnung "§ 29 Abs. 5" der Inhalt des § 29 Abs. 4 ApG wiedergegeben wird und aus dem Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen für die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung eindeutig, daß es sich bei der Zitierung des § 29 Abs. 5 im Beschwerdepunkt um ein Versehen handelt und in Wirklichkeit § 29 Abs. 4 ApG angesprochen ist. Eine Zurückweisung der Beschwerde kommt daher nicht in Betracht.
Nach § 29 Abs. 4 ApG ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke 4 Straßenkilometer nicht überschreitet.
Nach § 29 Abs. 5 leg. cit. ist der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke (Abs. 4) verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, daß die Einstellung des Hausapothekenbetriebes mit dem Tag der Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke erfolgt.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe keine Feststellungen zur Entfernung zwischen der Betriebsstätte der Apotheke des Mitbeteiligten und seinem Berufssitz getroffen.
Der Beschwerdeführer hat sich darauf beschränkt, einen Feststellungsmangel zu behaupten; er bringt aber nicht vor, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Er behauptet insbesondere selbst nicht, daß sein Berufssitz mehr als 4 km von der Betriebsstätte der Apotheke des Mitbeteiligten entfernt sei. Es finden sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Vielmehr läßt der Verlauf des Verfahrens zur Erteilung der Konzession an den Mitbeteiligten, dessen abschließender Bescheid mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 92/10/0117, aufgehoben wurde, auf das Gegenteil schließen. Der Beschwerdeführer hat in diesem Verfahren Parteistellung beansprucht und auch zuerkannt erhalten, was nach § 48 Abs. 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 4 ApG voraussetzt, daß die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Beschwerdeführers und der Betriebsstätte der Apotheke des Mitbeteiligten
4 Straßenkilometer nicht überschreitet.
Hingegen ist der Beschwerdeführer mit der Behauptung im Recht, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil er die rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung verfüge.
Eine Verfügung des Inhalts, daß die im Spruch eines Bescheides enthaltene normative Anordnung für einen vor der durch die Zustellung bewirkten Erlassung des Bescheides liegenden Zeitraum wirksam werden soll, ist nur zulässig, wenn hiefür eine gesetzliche Grundlage vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1992, Zl. 89/12/0168 u.a.).
§ 29 Abs. 4 und 5 ApG bieten keine solche Grundlage.
Entgegen der Meinung der belangten Behörde und des Mitbeteiligten kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer sei durch die rückwirkende Entziehung nicht beschwert, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß sich an die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung zu einem bestimmten Zeitpunkt infolge der Bindungswirkung dieses Ausspruches noch weitere (derzeit nicht bedachte bzw. absehbare) Folgen knüpfen (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1993, Zl. 92/11/0283). Überdies hat der Beschwerdeführer behauptet, die rückwirkende Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nehme ihm die Möglichkeit, die dann für den Zeitraum vom 11. Juni 1993 bis zur Bescheidzustellung rechtswidrig abgegebenen Medikamente mit den Krankenkassen abzurechnen. Hiebei handelt es sich nicht (allein) um einen wirtschaftlichen Nachteil, sondern um einen Rechtsnachteil, der aus einer rechtswidrigen rückwirkenden Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung resultiert. Diesem Vorbringen kann auch nicht das Neuerungsverbot entgegengehalten werden, da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor Erlassung ihres Bescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Mitbeteiligte hat zwar behauptet, die Krankenkassen hätten eine Verrechnung der in der fraglichen Periode vom Beschwerdeführer abgegebenen Medikamente akzeptiert. Es ist aber nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes, ein Ermittlungsverfahren zur Prüfung der Frage durchzuführen, welche der beiden konträren Behauptungen zutrifft. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Parteistellung zum Ausdruck gebracht, daß dann, wenn für die Festlegung einer Norm das Interesse einer Person an der Erfüllung einer behördlichen Pflicht, sohin der gesetzmäßigen Wahrnehmung einer konkreten behördlichen Aufgabe, maßgebend ist, im demokratischen Rechtsstaat eine Vermutung für die Befugnis zur Rechtsverfolgung besteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Oktober 1976, Slg. N.F. 9151/A und vom 13. Mai 1980, Slg. N.F. 10.129/A). Eine sinngemäße Anwendung dieses Grundsatzes auf die Beurteilung des Vorliegens der Beschwerde führt zu dem Ergebnis, daß im Zweifel davon auszugehen ist, daß bei Vorliegen einer objektiven Rechtswidrigkeit auch ein Eingriff in subjektive Rechte des Betroffenen gegeben ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich noch aus einem weiteren Grund als inhaltlich rechtswidrig:
Nach § 29 Abs. 4 ApG ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke 4 Straßenkilometer nicht überschreitet.
Das Tatbestandselement der "Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke" liegt vor, wenn eine rechtswirksame Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke vorliegt und die neue öffentliche Apotheke tatsächlich in Betrieb genommen wurde. An diese beiden Tatbestandsmomente, aber nur an diese beiden, knüpft der Gesetzgeber die Zurücknahmeverpflichtung, wenn die ärztliche Hausapotheke am Standort der neuen öffentlichen Apotheke gehalten wird. Insofern hat der Bewilligungsbescheid betreffend die neue öffentliche Apotheke Tatbestandswirkung dahingehend, daß dieser Bescheid seinem Inhalt nach Merkmal eines Tatbestandes ist, an den eine Rechtsfolge (hier: Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung) geknüpft ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/10/0087).
Eine rechtswirksame Konzession lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vor, weil das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 92/10/0117, mit dem der Konzessionsbescheid behoben wurde, erst nach diesem Zeitpunkt den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellt und damit wirksam wurde und weil der Beschwerde gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war. Durch die Aufhebung des Konzessionsbescheides durch das zitierte Erkenntnis hat sich die Situation aber rückwirkend geändert.
Nach § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Abs. 2 die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gefunden hatte. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet nicht nur, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern hat auch zur Folge, daß allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde; solche Rechtsakte erweisen sich als rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030 u.a.).
Somit erweist sich der angefochtene Bescheid auch deswegen als inhaltlich rechtswidrig, weil ihm rückwirkend eine der Grundlagen, nämlich das Vorliegen einer rechtswirksamen Konzession für die Apotheke des Mitbeteiligten, entzogen wurde.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
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