VwGH 93/06/0149

VwGH93/06/014930.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der M in S, vertr durch Dr. H, RA in N, gegen den Bescheid der Slbg LReg vom 8. Juni 1993, Zl. 1/02-27.761/15-1993, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mP: 1. K und 2. J, beide in S, vertr durch Dr. E, RA in N, 3. Hotel B OHG in S, vertr durch Dr. G, RA in Z, 4. Gemeinde S, vertr durch den Bgm), zu Recht erkannt:

Normen

BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litc;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 lita;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 litb;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litc;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 lita;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 litb;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen von S 565,-- und den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Bauansuchen vom 3. Oktober 1984 die Baubewilligung für einen "Um- und Erweiterungsbau - Aufstockung" für ihr Wohn- und Geschäftshaus auf Gp. 205, 390/11 und 390/13 der KG S, beantragte am 27. November 1985 ergänzend die Bewilligung der Unterschreitung der Mindestabstände gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG), LGBl. Nr. 69/1968 in der damals geltenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 79/1985, und begründete dies im wesentlichen wie folgt: Aus ortsplanerischen Gründen, insbesondere zur Erzielung eines einheitlichen Ortsbildes, würde die straßenseitige Erhöhung der Traufe ein wesentlich positiveres Erscheinungsbild bedeuten und mit den umgebenden höheren Objekten besser harmonieren. Die Baumaßnahme sehe im wesentlichen eine Ausweitung des Geschäftsbereiches "Sport-, Schuh- und Modehaus" vor, sowie ferner eine Privatwohnung für die Tochter, Räumlichkeiten für das Personal sowie diverse Komfortverbesserungen. Es handle sich um eine "wirtschaftliche Entwicklung, wie sie in allen umliegenden Gebäuden stattgefunden hat, weiters bedeutet die geplante Baumaßnahme eine zwingend notwendige Anpassung an zeitgemäße Funktionen und Ausstattungen". Eine Nichtgenehmigung würde eine "wesentliche, unbillige Härte unter besonderem Hinweis im Vergleich zu bestehenden Nachbarobjekten" darstellen.

Die mitbeteiligte Gemeinde führte am 30. Jänner 1986 und am 17. April 1986 Bauverhandlungen durch, im Zuge derer das ursprüngliche Projekt abgeändert, insbesondere in der Höhe reduziert wurde. Der Bausachverständige führte in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 1986 unter Bezugnahme auf § 25 Abs. 8 lit. a bis c BGG aus, daß der bestehende Bau ohne Aufstockung "nicht in einer zur Erhaltung und Wahrung seiner Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden" könne, eine Beeinträchtigung der benachbarten Grundstücke oder Bauten nicht einwandfrei erkennbar, jedoch die Einholung eines Belichtungsgutachtens erforderlich sei, sowie, daß ein feuerschutztechnisch in jeder Hinsicht einwandfrei ausgeführter Bau einen Vorteil gegenüber dem jetzigen Zustand bedeuten würde, ebenso wie die Schaffung von den gesetzlichen Bestimmungen des Bautechnikgesetzes entsprechenden Räumen und Stiegenhäusern, weshalb empfohlen werde, der erbetenen Ausnahme der geminderten Abstände die Genehmigung zu erteilen.

Mehrere Nachbarn, darunter auch die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien erhoben Einwendungen unter Bezugnahme auf die Einhaltung des Seitenabstandes und hinsichtlich der geplanten Traufenhöhe.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Juni 1986 wurde die beantragte Ausnahmebewilligung versagt; die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Oktober 1986 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführerin bereits frühere An- und Aufbauten durch Ausnahmegenehmigungen für die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes ermöglicht und daher die Bebaubarkeit und die wirtschaftliche Ausnutzbarkeit des Grundstückes weitgehend ausgeschöpft worden sei. Für die nunmehr geplante Erhöhung des Objektes werde kein überwiegend wirtschaftlicher Grund angenommen, da eine Erweiterung der Geschäftsräume bzw. Verbesserung der Betriebs- und Wohnräume sowohl des Brandschutzes auch bei einer reduzierten Erhöhung gegeben sei. Dazu komme, daß der Nachbar zum geplanten Objekt keine Zustimmung erteilt, sondern vielmehr wirtschaftliche Bedenken angemeldet hätte. Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 1987 wurde der Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Oktober 1986 wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. In der Begründung ihres Bescheides legte die belangte Behörde im wesentlichen dar, daß sich der erstinstanzliche Bescheid in seiner Begründung mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in keiner Weise auseinandergesetzt habe, da die gutachtlichen Feststellungen des Amtssachverständigen und die Argumente der Beschwerdeführerin nicht in ihre Erwägungen einbezogen worden seien. Die Behörde habe es unterlassen darzulegen, aus welchen Gründen sie trotz des positiven Gutachtens des bautechnischen Amtssachverständigen und der daraus abzuleitenden Interessensabwägung, sowie der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten wirtschaftlichen Unzumutbarkeit das beantragte Bauvorhaben nicht als ausnahmewürdig im Sinne des § 25 Abs. 8 BGG erachtet habe. Da die Berufungsbehörde in ihrer Entscheidung diesen Mangel des erstinstanzlichen Bescheides nicht behoben habe, sei durch diese Entscheidung die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt worden.

In der im fortgesetzten Berufungsverfahren durchgeführten Verhandlung vom 19. November 1987 führte die Erstmitbeteiligte aus, der beantragten Ausnahmegenehmigung die Zustimmung nicht erteilen zu können. Sie betreibe in ihrem Haus eine Fremdenpension; mehrere Zimmer dieser Pension seien mit ihren Fenstern zum projektierten Bauwerk der Beschwerdeführerin gerichtet. Durch die Erhöhung des Bauwerkes, wie diese laut Plan beabsichtigt sei, würde eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse dieser Zimmer entstehen, die sogar bis zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnten. Auf jeden Fall wären die Zimmer im normalen Wettbewerb nicht mehr zu vermieten bzw. wäre nur ein wesentlich geringerer Preis für die Vermietung erzielbar. Daraus würde der Erstmitbeteiligten ein sehr erheblicher Geschäftsschaden, verbunden mit einer Entwertung der Liegenschaft, entstehen. Die erstmitbeteiligte Partei beantragte die Einholung eines "Belichtungsgutachtens bzw. Besonnungsgutachtens". Die drittmitbeteiligte Partei verwies auf ihre Stellungnahme in der Bauverhandlung vom 17. April 1986, ebenso der Zweitmitbeteiligte. Der bautechnische Amtssachverständige sah in seinem Ergänzungsgutachten keine Veranlassung, von seiner Stellungnahme vom 17. April 1986 abzurücken und führte ergänzend aus, daß eine Staffelung der Traufenhöhen entsprechend des gegebenen Anstieges der Gemeindestraße aus Sicht des Ortsbildes als "auffallend günstiger" angesehen werden müsse, als die Absenkung der Traufe in die gleiche Höhe eines nachbarlichen Vordaches.

Mit Bescheid vom 29. März 1988 hat die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführerin stattgegeben, den erstinstanzlichen Bescheid aufgehoben und die beantragte Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 BGG für die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes zu den Bauplatzgrenzen erteilt. Die Entscheidung über die beantragte Baubewilligung werde seitens der Baubehörde erster Instanz nach Rechtskraft des Berufungsbescheides in einem abgesonderten Verfahren ergehen. Die Berufungsbehörde stütze sich bei ihrer Entscheidung im wesentlichen auf die Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen. Gegen diesen Bescheid erhoben die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien Vorstellung.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1988 behob die belangte Behörde neuerlich den Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde. Sie begründete diesen Bescheid im wesentlichen damit, daß sie in ihrem im ersten Rechtsgang ergangenen Vorstellungsbescheid die bindende Rechtsauffassung geäußert habe, der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Juni 1986 sei rechtswidrig. Als "Reaktion auf diese Vorstellungsentscheidung" habe die Gemeindevertretung den Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Juni 1986 behoben und die beantragte Bauerleichterung erteilt, also in der Sache selbst entschieden. Mit dieser sachlichen Entscheidung werde jedoch nicht "der dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters innewohnende Begründungsmangel saniert" und auch nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde entsprochen. Vielmehr hätte die Gemeindevertretung den Bescheid des Bürgermeisters beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an diesen zurückverweisen müssen. Schon deshalb habe die Gemeindevertretung ihren Bescheid vom 29. März 1988 mit Rechtswidrigkeit belastet. In der Sache selbst habe die Baubehörde das Zutreffen oder Nichtzutreffen der in § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG normierten Voraussetzungen zu prüfen. Dabei könne es "durchaus notwendig sein" noch andere Sachverständige als nur den bautechnischen dem Verfahren beizuziehen. Sache des bautechnischen Sachverständigen sei es nur, schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, weshalb die Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellen würde. Dies habe der bautechnische Sachverständige jedoch bisher unterlassen, sondern nur festgestellt, daß der bestehende Bau der Beschwerdeführerin ohne Aufstockung nicht in einer zur Erhaltung und Wahrung seiner Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könne. Eine Begründung dafür sei der Sachverständige jedoch schuldig geblieben. Die Frage, ob benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht verlören oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt würden, sei an und für sich völlig ungeprüft geblieben. Auch die Frage der Vorteilsabwägung gemäß § 25 Abs. 8 lit. c BGG sei nicht in einer schlüssigen und nachvollziehbaren Weise erfolgt. Diese habe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht allein baurechtliche Belange zu umfassen, sondern es müsse insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen sein. Dies bedeute auch die Notwendigkeit der Einbeziehung sämtlicher Vor- und Nachteile, also auch solche wirtschaftlicher Art wie etwa der von den Nachbarn behaupteten Wertminderung ihrer Grundstücke und Pensionsbetriebe. Hiezu hätte es der Einholung entsprechender Sachverständigengutachten wie z.B. aus dem Immobilienbereich bedurft. Es erweise sich daher der Bescheid der Gemeindevertretung auch in sachlicher Hinsicht als rechtswidrig und wäre daher aus diesem Grunde aufzuheben gewesen.

Im fortgesetzten Berufungsverfahren hob die Gemeindevertretung mit Bescheid vom 26. April 1989 den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters auf (auf diese Entscheidung wird im späteren erstinstanzlichen Bescheid vom 7. November 1990 zwar Bezug genommen, sie findet sich jedoch nicht in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten).

Im fortgesetzten Bewilligungsverfahren legte die Beschwerdeführerin ein Gutachten über die "Beeinträchtigung der nachbarlichen Fremdenverkehrsbetriebe bei Verwirklichung des Bauvorhabens" vor, welches zu folgendem Ergebnis kommt: Das Gästehaus der erstmitbeteiligten Partei sei ebenso wie ein zweites, näher bezeichnetes Beherbergungsunternehmen der Zweitmitbeteiligten, von dem Bauvorhaben der Beschwerdeführerin kaum betroffen, da nur Fremdenverkehrszimmer minderer Qualität davon beeinträchtigt seien. Der Hotelbetrieb der drittmitbeteiligten Partei sei von einer Umsatzeinbuße von insgesamt S 165.000,-- bzw. von einem Gewinnentgang von rund S 100.000,-- betroffen, wobei diese Berechnung den "schlechtesten aller Fälle" darstelle, "bei dem keinerlei Gegensteuerungsmaßnahmen getroffen" würden. Die Vorteile für den Betrieb der Beschwerdeführerin errechnet dieses Gutachten mit insgesamt S 271.800,--, der sich aus dem Erlöszuwachs der Fremdenpension und dem Mietwert des Ausbaues des Geschäftslokales im ersten Obergeschoß errechne. Der Bürgermeister führte zwei weitere Bauverhandlungen durch, im Zuge derer u.a. ein Sachverständigengutachten über die Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse am Gästehaus der erstmitbeteiligten Partei erstattet wurde, nach dessem Ergebnis die Tageslichtverhältnisse unzumutbar reduziert würden.

Die mitbeteiligte Gemeinde holte das Gutachten eines allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Hochbau, Gebäude- und Baugrundschätzungen zur Frage der Werterhöhung des Hauses der Beschwerdeführerin und der Wertminderung der Nachbarhäuser im Falle einer Aufstockung des Hauses der Beschwerdeführerin ein. Dieses kommt unter anderem zum Ergebnis, daß das enge Aneinanderstellen von Gebäuden im Ortskern von Alpendörfern als "ortsüblich" bezeichnet werden könne und daher allgemein bekannt sei. Es liege daher auch kein Grund für eine Beanstandung einer diesbezüglichen Bauart "oder Entfall von Besonnung und Belichtung" vor. Es könne daher von einer Beeinträchtigung der Sonnenbestrahlung kaum ein Nachweis einer Wertminderung erbracht werden, da "bei Sonnenschein ... die Gäste im Winter beim Schifahren und im Sommer beim Wandern" seien. Es treffe daher nicht zu, daß die dort bestehenden Fremdenzimmer nicht mehr zu dem ortsüblichen Preis vermittelt werden könnten. Wenn es regne, schneie oder bewölkt sei, gebe es keinen Sonnenschein, daher auch in dieser Zeit keine Beeinträchtigung. Die Aussicht der Nachbarhäuser werde zwar teilweise reduziert, doch hätten diese kein Recht auf eine allgemeine Fensteraussicht. Diese werde in den wenigsten Fällen von Gästen verlangt. Vom Ortsbild her sei eine Aufstockung des Hauses der Beschwerdeführerin geradezu erforderlich. Da nach dem Gutachten über die Besonnung beim Hotel der drittmitbeteiligten Partei 85 % und beim Hotel des Zweitmitbeteiligten 84 % der Besonnung erhalten blieben, sei eine Wertminderung der Häuser nicht oder fast nicht gegeben. Eine Aussage über eine solche Wertminderung in Prozenten des Sachwertes sei auch nicht möglich, da es keine wissenschaftlich anerkannte Methode gebe, diese zu errechnen. Beim Haus der erstmitbeteiligten Partei sei ein Verlust der Besonnung nicht gegeben, da das Haus im Süden des Hauses der Beschwerdeführerin liege und diesem Schatten bringe und nicht umgekehrt. Durch die Hebung des Daches und der damit verbundenen Hebung der Dachtraufe trete in diesem Fall eine "Verbesserung der Belichtung des Hauses" der Erstmitbeteiligten ein. Somit könne festgestellt werden, daß die Nachbarbauten und -grundstücke durch die Aufstockung nicht bzw. nur unerheblich beeinträchtigt würden, sodaß eine Unterschreitung der Nachbarabstände gerechtfertigt sei. Durch Aufstockung des Hauses der Beschwerdeführerin erfahre dieses eine Wertsteigerung, "welche mindestens der Differenz aus dem Wert des derzeit bestehenden Hauses zu dem Wert nach erfolgter Aufstockung und Ausbau betragen" werde. Diese in exakten Prozenten bzw. in Schillingen anzugeben sei in diesem Gutachten nicht möglich. Es könne aber sicherlich gesagt werden, daß der Vorteil der Beschwerdeführerin jedenfalls wesentlich größer sei, als die unerheblichen Nachteile, welche für die anrainenden Grundstücke und Bauten entstünden. Durch die großen massiven Baukörper der drei Nachbarhäuser der erst- bis drittmitbeteiligten Parteien habe das Haus der Beschwerdeführerin eine "wesentliche Wertminderung erfahren ... und zwar dadurch, daß es sozusagen "eingequetscht" zwischen diesen Häusern" stehe, "welche durch die Aufstockung z.T. wieder gut gemacht werden würde".

Nach Durchführung weiterer mündlicher Verhandlungen am 17. Juli 1989 und am 7. August 1989 wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. November 1990 dem Projekt der Beschwerdeführerin im Spruchpunkt I. und ihrem Ansuchen um Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes im Spruchpunkt II. jeweils die Bewilligung versagt. Nach einer Wiedergabe der Vorgänge in den mündlichen Bauverhandlungen wurde die Entscheidung damit begründet, es sei "nach Abwägung der Einwendungen durch die Anrainer" (nämlich die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien) "sowie das nicht ausreichende Belichtungs- und Beschattungsgutachten" spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Am 13. November 1991 wurde im Berufungsverfahren eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der die erstbis drittmitbeteiligten Parteien ihre bisherigen Stellungnahmen aufrechterhielten. Die Berufungsbehörde holte ein weiteres hochbautechnisches Gutachten des Amtssachverständigen des Amtes der Salzburger Landesregierung ein, nach dessen Ergebnis aus bautechnischer Sicht in der vorgesehenen Aufstockung, insbesondere in der geplanten Geschäftserweiterung im ersten Obergeschoß, in der Errichtung einer Privatwohnung im Dachgeschoß sowie im Stiegenhausanbau keine bauliche Notwendigkeit erblickt werden könne, die für die Erhaltung des Baubildes unbedingt erforderlich wäre. Eine "Modernisierung sowie brandschutzmäßige Verbesserung" des Gebäudes sei auch ohne Aufstockung möglich. Ferner holte die Berufungsbehörde das Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen im Fremdenverkehr ein, welches einräumt, daß durch das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin das Gästehaus der erstmitbeteiligten Partei mit zwei Doppelzimmern, das Hotel des Zweitmitbeteiligten mit zwei Doppelzimmern und das Hotel der drittmitbeteiligten Partei mit acht Doppel- und vier Einzelzimmern betroffen seien. Die Ertragsverminderungen seien für das Gästehaus der erstmitbeteiligten Partei mit

S 18.400,--, für den Hotelbetrieb des Zweitmitbeteiligten mit

S 59.250,-- und den Hotelbetrieb der drittmitbeteiligten Partei mit S 179.042,-- zu beziffern, insgesamt somit mit

S 256.692,--, dem ein Ertragszuwachs der Beschwerdeführerin in der Höhe von S 283.472,-- gegenüberstehe. Die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien sowie die Beschwerdeführerin erstatteten zu diesem Gutachten schriftliche Stellungnahmen.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. März 1992 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, wobei sich die Berufungsbehörde im wesentlichen auf Befund und Gutachten der beigezogenen Sachverständigen stützte.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung. Darin führt sie aus, daß nach dem Gesetzestext des § 25 Abs. 8 BGG auch andere, im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Gründe für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellen könnten, vor allem nicht nur technische Maßnahmen. Eine unbillige Härte werde vielmehr auch dann anzunehmen sein, wenn die erforderliche Änderung unter Einhaltung der gesetzlichen Abstände dem Bauwerber wirtschaftlich unzumutbar sei. Es komme daher nicht darauf an, daß die brandschutzmäßige Verbesserung des Gebäudes auch ohne Aufstockung möglich sei. Unter Hinweis auf die im Verfahren auf Gemeindeebene eingeholten Gutachten führt die Beschwerdeführerin ferner aus, "die richtige Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse" hätte ergeben müssen, daß die in § 25 Abs. 8 BGG vorgesehene Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfalle. Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei nämlich schon dann anzunehmen, wenn eine Amortisation des erforderlichen Aufwandes zuzüglich eines angemessenen Gewinnes nicht mehr möglich sei. Aus den Ermittlungen der Baukosten sei ersichtlich, daß die Änderung ohne Wohnungsvergrößerung des bestehenden Projektes Sanierungskosten von rund S 3,8 Mio hervorrufen würde. Aus einem weiteren - näher genannten - Gutachten sei ersichtlich, daß die Sparte Handel bei der Beschwerdeführerin in den Jahren 1986 bis 1988 ständig im Sinken gewesen sei. Hingegen seien die Leistungserlöse im Pensionsbereich angestiegen. Die Sanierung des Projektes ohne Volumsvergrößerung hätte zur Folge, daß gerade die Sparte Pensionsbetrieb nicht mehr fortgeführt werden könne. Im Bereich Handel sei jedoch damit zu rechnen, daß infolge der schneearmen Winter eine weitere stark rückläufige Tendenz herrsche. Sohin bedeute die Sanierung des bestehenden Bauwerkes, daß der Beschwerdeführerin einerseits Sanierungskosten von rund S 3,8 Mio entstünden und andererseits, daß sie mit einem laufenden Geschäftsrückgang rechnen müsse, da sie diejenige Sparte, die erfolgreich sei, nämlich den Pensionsbetrieb, nicht nur nicht ausbauen könne, sondern aufgeben müsse. Den Handel müsse sie jedoch weiterführen und zusätzlich noch aus diesem Bereich Investitionskosten von S 3,8 Mio abdecken. Der geplante Gesamtumbau verursache zwar Gesamtbaukosten von rund S 6,8 Mio, ermögliche jedoch einen Ausbau des Pensionsbetriebes und eine Qualitätsverbesserung im Bereich des Handels. Somit sei gewährleistet, daß die Beschwerdeführerin beide Betriebe erfolgreich fortführen könne. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung habe auf jeden Fall zur Folge, daß sie ihren Pensionsbetrieb aufgeben müsse. Auch seien die Nachbargrundstücke nicht erheblich beeinträchtigt. Die Einwendungen der erst- bis drittmitbeteiligten Parteien würden nämlich "ausschließlich wirtschaftliche Nachteile und eine Beeinträchtigung der Besonnung betreffen", wobei nicht die fiktive Ertragsschmälerung der Anrainer mit insgesamt S 141.000,-- im Rahmen der Interessensabwägung der Ertragssteigerung der Beschwerdeführerin von S 271.800,-- gegenüberzustellen sei, sondern der Nachteil, der jedem einzelnen Anrainer entstehe, sodaß eine Ertragssteigerung von S 271.800,-- eine mögliche Ertragsschmälerung von S 16.000,-- beim Gästehaus der erstmitbeteiligten Partei, von S 40.000,-- beim Hotel des Zweitmitbeteiligten und von S 85.000,-- beim Hotelbetrieb der drittmitbeteiligten Partei gegenüberstehe. Die mögliche Ertragsschmälerung in den Nachbarbetrieben bewege sich sohin "zwischen 6 bis 30 %". Diese Erlösschmälerungen seien jedoch rein fiktiv, da sich die Beeinträchtigung "lediglich durch den verminderten Lichteinfall" ergebe. Im Sachverständigengutachten werde ausgeführt, daß diese Berechnung den schlechtesten aller Fälle darstelle, bei dem keinerlei Gegensteuerungsmaßnahmen getroffen würden. Es sei jedoch durchaus möglich, daß sich überhaupt keine Verschlechterung in der Belegung bzw. im Preisniveau ergebe. Da die drei Anrainer in denjenigen Zimmern, deren Lichteinfall und Aussicht beeinträchtigt werde, nicht selbst wohnten, bedeutet die Beeinträchtigung des Lichteinfalles keinen Nachteil der Anrainer selbst. Er könne sich nur in wirtschaftlicher Hinsicht für die betroffenen Anrainer auswirken. Im übrigen stelle jedes einzelne Gutachten fest, daß der der Beschwerdeführerin entstehende wirtschaftliche Nachteil im Falle des Unterbleibens des Ausbaues größer sei, als der für die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien im Falle der Bauführung entstehende wirtschaftliche Nachteil.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1993 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Zufolge des schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Gutachtens der hochbautechnischen Amtssachverständigen habe die Berufungsbehörde mit Recht das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 25 Abs. 8 lit. a BGG verneint und demnach eine weitere Würdigung der lit. b und c leg. cit. unterlassen. Die mit der Einhaltung oder zeitgemäßen Wahrung der Funktion eines Baubestandes notwendigen Umgestaltungen habe der Bauwerber unter Beachtung der Abstandsbestimmungen vorzunehmen und dürfe damit die verbundenen Nachteile nicht ohne weiteres auf die Nachbarn überwälzen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1981, Zl. 06/0973/80 sowie 06/0974/80). Die Durchsetzung einer Geschäftserweiterung eines Dachgeschoßausbaues zur Komfortverbesserung der schon bisher betriebenen Frühstückspension könne auf die zweifellos streng zu handhabenden Ausnahmebestimmungen des § 25 Abs. 8 BGG nicht gegründet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, erklärt, eine Gegenschrift nicht zu erstatten, jedoch die - wie die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in der von ihnen erstatteten Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes, LGBl. Nr. 69/1968 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1991, müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, daß ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m haben.

Gemäß § 25 Abs. 8 BGG kann die für die Baubewilligung zuständige Behörde auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn

"a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringenden erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;

b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;

c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen und

d) die Lage des Baues sich nicht aus einem Bebauungsplan ergibt."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen die in § 25 Abs. 8 BGG genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, damit die Erteilung einer Ausnahmebewilligung in Betracht kommt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 24. Oktober 1985, Zl. 84/06/0222, BauSlg. 548, und vom 13. Februar 1992, Zl. 90/06/0047). Dies bedeutet, daß schon bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht zulässig ist (vgl. das Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 91/06/0039).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie zur Durchführung ihres Bauvorhabens einer Ausnahmebewilligung im Sinne der zitierten Rechtsvorschriften bedarf. Sie behauptet jedoch in ihrer Beschwerde - der Sache nach -, die Behörden des Verwaltungsverfahrens hätten zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführerin die Einhaltung der gesetzlichen Abstände wirtschaftlich unzumutbar sei: Die Beschwerdeführerin könne nämlich ohne Erteilung der Ausnahmebewilligung die im Kerngebiet der mitbeteiligten Gemeinde übliche Geschoßflächenzahl von 3,0 nicht erreichen, wodurch die bauliche Ausnützbarkeit der zu verbauenden Grundfläche wesentlich beeinträchtigt werde. Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ergebe sich daraus, daß eine Amortisation des erforderlichen Aufwandes zuzüglich eines angemessenen Gewinnes nicht mehr möglich sei. In diesem Zusammenhang wiederholt die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihr - oben wiedergegebenes - Vorbringen in der Vorstellung.

Mit diesen Ausführungen verkennt die Beschwerdeführerin, daß die (arg. "etwa") beispielsweise Nennung eines Falles unbilliger Härte in § 25 Abs. 8 lit. a BGG darauf abstellt, daß bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung IHRER FUNKTION dringend erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre. Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin auf ihrem Grundstück eine Pension und einen Handelsbetrieb führt, kann von einer wesentlichen Beeinträchtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundfläche keine Rede sein. Sie behauptet in ihrer Beschwerde auch nicht, daß die geplanten Umbauarbeiten zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung der Funktion der bestehenden Bauten dringend erforderlich wären. Insbesondere bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, daß eine (ebenfalls angestrebte) Verbesserung des Brandschutzes auch ohne die geplante Aufstockung möglich wäre. Die von der Beschwerdeführerin genannten betriebswirtschaftlichen Gründe (Ausbau des im Verhältnis zum Handelsbetrieb höhere Gewinne versprechenden Pensionsbetriebes) können unter § 25 Abs. 8 lit. a BGG nicht subsumiert werden. Es kann offenbleiben, ob die Hinderung an einer Baumaßnahme, die (ausschließlich) eine Verbesserung der Ertragslage zum Ziel hat, dann "nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte" darstellen könnte, wenn eine Existenzgefährdung des Betriebes vorliegt, die anders als durch eine Bauführung im Seitenabstand nicht abgewendet werden kann, zumal die Beschwerdeführerin einen solchen Sachverhalt nicht behauptet.

Die Beschwerdeführerin legte auch nicht andeutungsweise dar, aus welchen Gründen sie daran gehindert wäre, den (vorteilhaften) Pensionsbetrieb zu Lasten des (weniger vorteilhaften) Handelsbetriebes auszuweiten.

Es kann § 25 Abs. 8 BGG nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Anspruch genommen werden, wenn um der Verbesserung der Ertragslage eines Unternehmens willen benachbarte Unternehmungen (noch dazu desselben Erwerbszweiges) eine (wenn auch geringe) Verschlechterung ihrer Ertragslage hinzunehmen hätten. Wenn die durch die angestrebte bauliche Maßnahme bewirkte Einschränkung der Belichtung der benachbarten Grundstücke zu einer Verschlechterung der Ertragslage dort bestehender Betriebe führt, so sind diese insoweit auch iSd § 25 Abs. 8 lit. b BGG wesentlich beeinträchtigt.

Die Behörden auf Verwaltungsebene haben daher schon aus diesen Gründen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG zu Recht verneint, weshalb die Abweisung des Ansuchens der Beschwerdeführerin nicht rechtswidrig ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß es bei dieser Sachlage einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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