VwGH 90/06/0047

VwGH90/06/004713.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Hubert D in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 31. Jänner 1990, Zl. 1/02/29.093/11-1990, betreffend nachträgliche Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauPolG Slbg 1973 §9;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 idF 1976/076;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
B-VG Art130 Abs2;
BauPolG Slbg 1973 §9;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 idF 1976/076;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. August 1973 wurde den Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Anbaues auf der Grundparzelle 1904/8, KG X, am bestehenden Objekt X 190 (EZ 566) bewilligt. Die dieser Bewilligung zugrundeliegenden Pläne weisen einen nicht näher dargestellten Bestand aus (lediglich im Obergeschoß findet sich der Vermerk "best. Terrasse"). Anstelle eines Lageplanes wurde lediglich eine Mappenkopie vorgelegt, in welcher der Neubau rot eingezeichnet wurde.

Ein dem Bauplatzansuchen angeschlossener Lageplan samt Mappendarstellung weist durch grüne Umrandung als Gegenstand des Ansuchens den nordwestlich gelegenen Teil des Grundstück 1904/8 als Bauplatz für den Anbau aus. Auf diesem Lageplan finden sich weiters offensichtlich nachträglich vorgenommene Bleistifteinzeichnungen, die möglicherweise die nicht genehmigte Garage und Terrasse (Gegenstand der vorliegenden Beschwerde) darstellen sollen.

In der Folge wurde mit Bescheid vom 19. Jänner 1981 eine Bauanzeige bereits des Beschwerdeführers über den Umbau des bestehenden Wohnhauses zur Kenntnis genommen. Auch aus den dazu vorgelegten Plänen ergeben sich keinerlei Abstände zum Nachbargrundstück.

Am 3. September 1984 stellte der Beschwerdeführer und seine Ehegattin ein Bauansuchen "betreffend Garagen- und Terrassenbau sowie Terrassentür ebenerdig (westseitig)". Sie begründeten dies damit, daß sie im Zusammenhang mit anderen Bauvorhaben Kenntnis davon erhalten hätten, daß für die im Jahre 1969 erbaute Garage sowie die darauf errichtete Terrasse, die nach Sanierungsarbeiten im August 1983 fertiggestellt worden sei, keine Baubewilligung vorliege. Soweit für die Terrasse eine Ausnahmegenehmigung wegen zu geringen Abstandes zur nördlichen Anrainergrenze erforderlich sei, ersuchten sie um Gewährung. Weiters solle anstelle des westseitig gelegenen Fensters (ebenerdig) der Einbau einer Terrassentür bewilligt werden. Dabei beriefen sie sich auf die 1980 eingereichten Baupläne.

Am 25. November 1985 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde nach Durchführung der mündlichen Verhandlung darauf hin, daß für die Bearbeitung des Ansuchens ein Lageplan mit den eingetragenen Abständen des Objektes zu den Grundgrenzen erforderlich sei. Daraufhin legten die Bauwerber lediglich die Kopie des für die Bauplatzerklärung verwendeten Lageplanes vor, in dem entgegen dem Begleitschreiben die Garage mit Terrasse offenbar nicht enthalten ist. Anstatt unter Fristsetzung für die Vorlage ordnungsgemäßer Baupläne zu sorgen, wurden nach Einschreiten der Volksanwaltschaft mit Bescheiden vom 12. August 1987 die nachträgliche Bewilligung für den Terrassenanbau und die gemäß § 25 Abs. 8 des Bebauungsgrundlagengesetzes erforderliche Ausnahmebewilligung zur Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes hiefür versagt; weiters wurde die nachträgliche Baubewilligung für die Garage unter der Voraussetzung erteilt, daß das Garagentor auf 4,5 m zur Straßengrundgrenze zurückversetzt werde.

Mit Bescheiden vom 25. Jänner 1988 wies die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde die vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin erhobenen Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den Berufungsbescheid hinsichtlich der Baubewilligung über die Garage (unter der Voraussetzung, daß das Garagentor auf 4,5 m zur Straßengrundgrenze zurückversetzt werde) und verwies insoweit die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Im übrigen wies sie die Vorstellung gegen die zweitinstanzlichen Bescheide ab. Die Aufhebung des Berufungsbescheides begründete die belangte Behörde damit, daß die Gemeindevertretung nicht erkannt habe, daß die Vorschreibung der Einhaltung eines Mindestabstandes von 4,5 m zwischen Verkehrsfläche und Garage eine projektsändernde Auflage sei, wodurch die Garage um 1 m zurückversetzt werden müsse; da eine derartige Auflage in einem Projektsbewilligungsverfahren nicht gemacht werden könne, belaste sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Im übrigen führte die belangte Behörde begründend aus, daß die Vorstellungswerber das Vorliegen einer Baubewilligung für die gegenständlichen Objekte nicht nachweisen hätten können, sodaß es sich um einen sogenannten "Schwarzbau" handle. Nach den von der Berufungsbehörde eingeholten zusätzlichen Sachverständigengutachten ergebe sich, daß die Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 lit. a des Bebauungsgrundlagengesetzes nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid und zwar sowohl im aufhebenden als auch im bestätigenden Teil richtet sich die vorliegende Beschwerde; der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, daß die bestehenden Bauten schon aus Billigkeitsgründen bewilligt werden müßten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

§ 25 Abs. 8 des Bebauungsgrundlagengesetzes (in der Fassung der Novelle 1976) lautet:

"(8) Die für die Baubewilligung zuständige Behörde kann auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn

  1. a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;
  2. b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;
  3. c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen und
  4. d) die Lage des Baues sich nicht aus einem Bebauungsplan ergibt.

    ...."

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, Zl. 84/06/0222, BauSlg. Nr. 548, mit weiteren Nachweisen) legt diese Bestimmung bindende Voraussetzungen fest, die ALLE ZUGLEICH gegeben sein müssen, damit eine Ausnahme von der Einhaltung der im § 25 Abs. 3 und 4 BGG festgesetzten Abstände überhaupt erteilt werden dürften. Da das Gesetz aber auch bestimmt, daß die Unterschreitung der Abstände "ausnahmsweise" zugelassen werden könnte, und bei der Entscheidung der Frage, ob ein Ausnahmefall vorliege und ob der betreffende Einzelfall ausnahmewürdig ist, ein individueller Beurteilungsspielraum offenbleibt, ist insoweit der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Damit haben die Parteien ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß die Behörde bei Gewährung der Ausnahme die gesetzlichen Grenzen dieser Gesetzesstelle beachtet und sie darüber hinaus ihr Ermessen gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG im Sinn des Gesetzes handhabt und vor allem die Entscheidung in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren getroffen werde.

Sowohl die Verwaltungsbehörden als auch der Beschwerdeführer verkennen, daß mangels entsprechender Planunterlagen des Beschwerdeführers kein Projekt vorliegt, dessen Umfang und Lage objektiv bestimmt ist. Auch eine nachträgliche Baubewilligung hat ein durch eindeutige Pläne umschriebenes Projekt darzustellen; sie unterscheidet sich insoweit nicht von einer Baubewilligung für ein erst zu errichtendes Objekt (vgl. zuletzt z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1988, Zl. 86/06/0078, BauSlg. Nr. 1146). Hiefür reichen jedoch die Pläne, auf die sich der Beschwerdeführer und seine Ehegattin im Verwaltungsverfahren bezogen haben, in keiner Weise aus; insbesondere ist der über Aufforderung vorgelegte Lageplan mangels entsprechender Kotierung und Einzeichnung des zu bewilligenden Objekts in keiner Weise nachvollziehbar. Kann aber aus den Aktenunterlagen nicht einmal der Gegenstand des Bewilligungsverfahrens entnommen werden, ist es ausgeschlossen, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Gewährung einer Ausnahme, geschweige denn zu prüfen, ob das Ermessen gesetzmäßigerweise ausgeübt worden ist.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt, sondern inhaltlich über die Ansuchen abgesprochen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde den Berufungsbescheid zur Gänze zu beheben haben. Sodann werden die Gemeindebehörden dem Beschwerdeführer unter Fristsetzung die Vorlage von den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Plänen für die zu bewilligenden Objekte und zwar derart, daß diese als solche gesondert ausgewiesen sind, unter Kotierung der Abstände von den Nachbargrenzen und dgl., aufzutragen haben. Sollte der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nachkommen, wäre das Bauansuchen gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird schon jetzt darauf hingewiesen, daß der Befund des Verkehrssachverständigen in keiner Weise zureichend ist, da er die Verkehrsverhältnisse auf der Straße, von der bzw. auf die die Zu- und Abfahrt zur Garage bewerkstelligt werden soll, nicht untersucht und wiedergegeben hat. Nach der im Akt erliegenden Plankopie handelt es sich um eine nur wenige Liegenschaften umfassende Verbindungsstraße zwischen zwei größeren Straßen, die dort sogar als "Weg" bezeichnet wurde. Da dies aber von wesentlicher Bedeutung für die rechtliche Folgerung ist, ob die Garage zurückzuversetzen ist, erscheint dieses Gutachten als solches unschlüssig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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