Normen
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 idF 1976/076;
B-VG Art130 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984060222.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der GP nn1, KG. S, die im Ortszentrum von S liegt. Das verfahrensgegenständliche Grundstück weist eine sehr schmale Figuration auf, die ca. 10 m lange Breitseite grenzt direkt an den See, die Länge der Parzelle weist ca. 70 m auf. Der Beschwerdeführer suchte am 28. Oktober 1981 um die Ausnahmegenehmigung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes zur Errichtung eines Wohnhauses auf dieser Parzelle an. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 29. April 1983 wurde dem Beschwerdeführer die Ausnahmegenehmigung gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes erteilt.
Daraufhin suchte der Beschwerdeführer um die Bauplatzerklärung für das verfahrensgegenständliche Grundstück an, die ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 10. Juni 1983 erteilt wurde.
Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge auch die naturschutzbehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses auf der verfahrensgegenständlichen Parzelle erteilt.
Am 4. Oktober 1983 suchte der Beschwerdeführer um die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf der Grundparzelle Nr. nn1, KG. S, an. Darüber fand am 21. Oktober 1983 eine mündliche Verhandlung statt, bei der die Erst- bis Drittmitbeteiligten einwandten, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Lage und Höhe der Bauten nicht eingehalten würden und dadurch eine erhebliche Beeinträchtigung des Grundstückes gegeben sei. Dies würde sowohl die Bebaubarkeit als auch die Gewährleistung des Lichteinfalles betreffen. Auf ihr subjektivöffentliches Recht auf Einhaltung der Mindestabstände unter Berücksichtigung der Bauhöhen würden sie nicht verzichten. Die übrigen Nachbarn sowie das Land Salzburg als Eigentümer des O-sees stimmten dem Bauansuchen des Beschwerdeführers zu.
Bei der mündlichen Verhandlung wurde weiters festgestellt, daß nach den Planunterlagen der Mindestabstand zum Wohnhaus der Erst- bis Drittmitbeteiligten statt 4 m nur 0,90 m betrage. Der Beschwerdeführer ersuchte daher um die Erteilung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG). Der bautechnische Sachverständige stellte bei der mündlichen Verhandlung dazu fest, daß bei Einhaltung der Bestimmungen des § 25 Abs. 3 BGG eine unbillige Härte gegeben wäre, weil ohne Erteilung der Ausnahmegenehmigung auf Grund der Breite des Bauplatzes eine Bebauung nicht möglich wäre. Benachbarte Bauten würden hiedurch nicht erheblich beeinträchtigt. Ihre Bebaubarkeit und das erforderliche Tageslicht bleibe nach wie vor gewährleistet. Insgesamt sei der Vorteil des Beschwerdeführers größer als ein eventueller Nachteil für benachbarte Grundstücke, Bauten und Anlagen. Die Anlage des Baues würde sich nicht aus einem Bebauungsplan ergeben.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1983 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde S dem Beschwerdeführer die Ausnahme von den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz (§ 25 Abs. 4 BGG) und legte fest, daß der Mindestabstand des auf dem Grundstück Nr. nn1, KG. S, geplanten Objektes bei einer Traufenbzw. Gesimshöhe von 3,80 m anstelle des vorgeschriebenen Ausmaßes von 4 m gegen die Liegenschaft S bis auf 0,90 m an der engsten Stelle unterschritten werden dürfe. Er begründete dies damit, daß die bauliche Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, auf den sich die Ausnahme beziehe, auf Grund seiner Konfiguration im Zusammenhang mit der bestehenden Bebauung wesentlich beeinträchtigt wäre. Durch die genehmigte Ausnahme würden weder benachbarte Grundstücke noch dort befindliche Bauten und Anlagen erheblich beeinträchtigt. Diese Aussage beziehe sich auch auf deren Bebaubarkeit. Das gewährleistete Tageslicht hiefür würde im notwendigen Umfang erhalten bleiben. Der Vorteil des Ausnahmewerbers sei größer als ein eventueller Nachteil für benachbarte Grundstücke, Bauten und Anlagen; die in diesem Verfahren getroffene Interessenabwägung würde zu dem Schluß führen, daß eine Versagung der Ausnahme in diesem Einzelfall für den Antragsteller eine unbillige Härte darstellen würde. Der Bürgermeister verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen im Gutachten des bautechnischen Sachverständigen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 23. Oktober 1983 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung gemäß § 9 Abs. 2 des Salzburger Baupolizeigesetzes mit einigen Auflagen erteilt.
Gegen diesen Bescheid beriefen die Erst- bis Drittmitbeteiligten und führten aus, daß die Ausnahmegenehmigung mangelhaft erteilt worden sei, da eine entsprechende Begründung, die individualisiert sein müsse, fehle und sich diese lediglich auf die verba legalia des § 25 Abs. 8 BGG beschränke. Ihrer Auffassung nach werde eine erhebliche Beeinträchtigung in jeder Hinsicht, insbesondere dadurch am Grundstück der Mitbeteiligten eintreten, daß die Terrasse des geplanten Objektes an die Nordseite des bestehenden Gebäudes der Erst- bis Drittmitbeteiligten anschließe. Eine Beeinträchtigung der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes des Beschwerdeführers möge eintreten, doch sei dies dem Bauwerber schon bei Erwerb des Grundstückes wegen der Konfiguration im Zusammenhang mit der bestehenden Bebauung bekannt gewesen. Eine Ausnahme von den gesetzlichen Mindestabständen würde im konkreten Falle einen Mißbrauch der Ausnahmebestimmungen bedeuten. Abgesehen von direkten Beeinträchtigungen auf Grund der unmittelbaren Nähe sei auch mit einer ganz erheblichen Entwertung der Liegenschaft der Erst- und Drittmitbeteiligten zu rechnen. Diese Umstände habe die Baubehörde erster Instanz nicht erwogen, eine echte Interessenabwägung habe nicht stattgefunden. Der Baubewilligungsbescheid sei ebenfalls mangelhaft, da er keine Begründung enthalte und über die Einwendungen der Berufungswerber anläßlich der Bauverhandlung nicht abgesprochen habe.
Mit Bescheid vom 17. Jänner 1984 wies die Gemeindevertretung der Gemeinde S die Berufung der Erst- bis Drittmitbeteiligten ab und begründete dies damit, daß im erstinstanzlichen Verfahren umfangreiche Ermittlungen durchgeführt worden seien und insbesondere ein Gutachten des Bausachverständigen eingeholt worden sei, aus welchem die Begründung für die im vorliegenden Fall erteilte Ausnahmegenehmigung hervorgehe. Die Beeinträchtigung des Grundstückes der genannten Mitbeteiligten durch Unterschreitung der Mindestabstände sei zwar gegeben, doch werde dadurch nicht gehindert, daß die Abwägung der Interessen dieser Mitbeteiligten und des Beschwerdeführers unter den gegebenen Umständen zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen müsse. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß diese Mitbeteiligten selbst mit ihrem Bauwerk den Mindestabstand überschritten und im Gegensatz zum Bauwerber direkt an die Grundgrenze desselben mit überhängendem Dach gebaut hätten und daß - wie die Erst- bis Drittmitbeteiligten selbst zugestanden hätten - die Bebaubarkeit des Grundstückes des Beschwerdeführers ohne die erteilte Ausnahmegenehmigung erheblich erschwert würde. Von einem Mißbrauch der Ausnahmebestimmung könne daher keine Rede sein. Auch der Vorwurf, die Baubewilligung gemäß § 9 Abs. 2 des Baupolizeigesetzes sei begründungslos erteilt worden und daher mangelhaft, sei unbegründet, da sich die Behörde erster Instanz im Rahmen ihres Ausnahmegenehmigungsbescheides auch mit den von den Berufungswerbern anläßlich der Bauverhandlung erhobenen Einwendungen befaßt und diese unter Bezugnahme auf das einschlägige Sachverständigengutachten mit hinreichenden Gründen verworfen habe.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- bis Drittmitbeteiligten die Vorstellung an die Salzburger Landesregierung, worin sie ausführten, daß die Ausnahme von den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz zu Unrecht erfolgt sei, da entgegen § 14 Abs. 1 lit c BGG die Grundfläche infolge ihrer Gestalt unter Berücksichtigung der Vorschriften über die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke und über die Lage der Bauten im Bauplatz eine selbständige Bebauung nicht zulasse. Dem Vorbesitzer des Beschwerdeführers sei im Jahre 1967 ausdrücklich mitgeteilt worden, daß es sich bei seinem Grundstück um keine Bauparzelle handle und eine Umwidmung dieses Grundstückes als solche wegen seiner Schmalheit auch nicht in Frage komme. Diese Tatsache sei der Grund gewesen, warum die Erst- bis Drittmitbeteiligten die Ausnahmegenehmigung zum Heranbau an die Grundgrenze erteilt erhielten, die ihnen nunmehr zum Vorwurf gemacht werde. Die Baubewilligung sei im gegenständlichen Fall mit der Begründung erteilt worden, daß dem Standpunkt der Parteien vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei. Diese Begründung sei nicht zutreffend. Aus Anlaß der Bauverhandlung sei von den Erstbis Drittmitbeteiligten ausdrücklich Einwendung erhoben worden, da die gesetzlichen Vorschriften über Lage und Höhe der Bauten nicht eingehalten würden und dadurch eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Grundstückes gegeben sei. Dies würde sowohl die Bebaubarkeit als auch insbesondere die Gewährleistung des Lichteinfalles betreffen. Die Vorschriften über Bestand und Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände unter Berücksichtigung der Bauhöhen seien subjektiv-öffentliches Recht, auf das nicht verzichtet worden sei.
In einer Stellungnahme erklärte die Gemeinde die Baubewilligung für den Beschwerdeführer würde zu Recht bestehen, und wies darauf hin, daß sich die Dachtraufe des Objektes der Erstbis Drittmitbeteiligten auf dem Grundstück des Beschwerdeführers befinde.
Der Beschwerdeführer erstattete am 30. März 1984 eine Stellungnahme, in der er beantragte, der Vorstellung nicht Folge zu geben, da die Erklärung seines Grundstückes zum Bauplatz wie auch die bestätigte Baubewilligung mit Ausnahmegenehmigung nach § 25 Abs. 8 BGG mit dem Gesetz völlig in Einklang stünden.
Mit Bescheid vom 15. Mai 1984 gab die Salzburger Landesregierung der Vorstellung der Erst- bis Drittmitbeteiligten statt, hob den Bescheid der Gemeindevertretung vom 17. Jänner 1984 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Als Begründung führte sie aus, bei der Prüfung der Anwendung der Bestimmung des § 25 Abs. 8 BGG durch die Baubehörden sei die Vorstellungsbehörde zu der Erkenntnis gelangt, daß bei der Entscheidung über das Ausnahmeansuchen versäumt wurde, im gegenständlichen Fall die Ausnahmewürdigkeit in die Ermessensabwägungen einzubeziehen. Demgegenüber könne jedoch angenommen werden, daß es sich durchwegs um einen Ausnahmefall handle, zumal bei einer Grundstücksbreite von 10 m unter Einhaltung gesetzlicher Mindestabstände keine vernünftige Bauplanung verwirklicht werden könne. Die Vorstellungsbehörde sehe die gegebene Begründung für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG als bloße Leerformel an und es hafte der Begründung des angefochtenen Bescheides auch der Mangel an, daß eine Nachprüfbarkeit, ob das von der Behörde geübte Ermessen im Sinne des Gesetzes erfolgt sei, nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Annahme der Ausnahmewürdigkeit seien aus dem angefochtenen Bescheid keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine Rechtfertigung der Anwendung dieser Ausnahmebestimmungen im gegenständlichen Fall begründet erscheinen ließen, zumal auf diese Frage von der Baubehörde überhaupt nicht eingegangen worden sei. Eine Überprüfung, ob die Übung des Ermessens durch die Baubehörde zweiter Instanz im Sinne des Gesetzes erfolgt sei, sei deshalb im Vorstellungsverfahren nicht möglich. Diese Mangelhaftigkeit würde eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Erst- bis Drittmitbeteiligten nach sich ziehen, weshalb der Bescheid schon deshalb zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen gewesen wäre. Darüber hinaus liege ebenfalls eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte in der vorgenommenen mangelhaften Prüfung und Begründung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG vor. Es seien nämlich keine tatsächlichen Erwägungen der Gemeindebehörde oberster Instanz aus dem Bescheid zu erkennen, da diese ihre Begründung lediglich auf bloße Behauptungen und eine Wiederholung des Gesetzestextes stütze, selbst wenn man davon absehe, daß von der Berufungsbehörde zwar eine weitergehende Interessenabwägung versucht, diese aber nicht auf nachprüfbare Fakten gestützt worden sei. Somit sei auch in dieser Hinsicht eine Überprüfung, ob die Übung des Ermessens im Sinne des Gesetzes erfolgt sei, nicht möglich. Bei der Prüfung der Ausnahmewürdigkeit werde jedoch ins Gewicht fallen müssen, daß es sich beim gegenständlichen Grundstück wegen der gegebenen Konfiguration und Breite nicht um ein grundsätzlich von vornherein baulich ausnutzbares handeln könne und es für die Bebauung schlechthin - schon als im Grünland gelegen - einer Ausnahme von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes bedurfte. Diese Hinderungsgründe müßten dem Beschwerdeführer bei Anwendung einer entsprechenden Sorgfalt vor dem Erwerb des Grundstückes im freien Verkauf bekannt gewesen sein. Es werde somit auch zu prüfen sein, ob es sich bei diesen Gegebenheiten tatsächlich um einen Härtefall im Sinne des Gesetzes handle, zumal die Beeinträchtigung der Ausnutzbarkeit des Grundstückes nicht durch nachträgliche Einschränkungen, wie z. B. Straßenverbreiterungen, Schutzstreifen und dgl., eingetreten sei.
Im fortgesetzten Verfahren legte der Bauwerber ein umfangreiches Gutachten des Sachverständigen A, staatlich befugter und beeideter Ziviltechniker, vom 15. Juni 1984 vor, der zum Ergebnis gelangte, daß sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG vorlägen und eine positive Entscheidung der Gemeinde auch gegen den Einwand der Nachbarn im Sinne des Gesetzes liege und ohne Überschreitung des vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraumes erfolgen könne. Die Erst- bis Drittmitbeteiligten wandten sich in einer Stellungnahme gegen das Gutachten und sprachen sich erneut gegen die Ausnahmegenehmigung aus.
In der Folge stellte der Amtssachverständige zum Gutachten des Privatsachverständigen über Aufforderung der Gemeinde mit Schreiben vom 18. Juli 1984 fest, daß die Tatsachenfeststellungen im Gutachten des Privatsachverständigen richtig und vollständig seien und auch seinen eigenen Ermittlungen entsprächen. Er habe diesem Gutachten nichts hinzuzufügen und würde der Gemeinde ebenfalls eine positive Entscheidung empfehlen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde S vom 21. August 1984 wurde die eingebrachte Berufung der Erst- bis Drittmitbeteiligten abermals abgewiesen. Die Gemeindevertretung schloß sich mit Rücksicht auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen den Tatsachenfeststellungen im Gutachten des Privatsachverständigen an und ging bei ihrer rechtlichen Würdigung von diesen Feststellungen aus. Zur Frage der Ausnahmewürdigkeit führte sie aus, daß dem Grundstück von allen im bisherigen Verfahren beigezogenen Gutachtern gute Baulandqualität zugestanden werde, da es an das öffentliche Verkehrsnetz, die Ortswasserleitung, das Telefonnetz und die öffentliche Stromversorgung angeschlossen sei und der Abwasserkanal über das Grundstück verlaufe. Im gegenständlichen Fall würden die Voraussetzungen zur Gewährung einer Bauerleichterung im Sinne des § 25 Abs. 8 BGG vorliegen. Die Voraussetzungen seien im besonderen deshalb gegeben, weil in den vorangegangenen Verfahren bescheidmäßig festgestellt worden sei, daß einer Bebaubarkeit keinerlei öffentliche Interessen entgegenstehen würden. Es würde für den Bauwerber eine unbillige Härte darstellen, würde nun die Ausnahme in Ansehung der vorhandenen rechtskräftigen Bescheide bzw. Verfahrensergebnisse nicht gewährt werden. Die Gemeindevertretung habe miterwogen, daß die Beeinträchtigung der Ausnutzbarkeit des Grundstückes nicht durch nachträgliche Einschränkungen, wie z. B. Straßenverbreiterungen, Schutzstreifen und dgl., eingetreten sei, sondern bereits von vornherein gegeben war. Die Ausnahme nicht zu genehmigen, wäre aber trotzdem eine unbillige Härte im Sinne des Gesetzes, weil der Bauwerber auf Grund der bisher gesetzten Verfahrensschritte und rechtlichen Ergebnisse habe von der Bebaubarkeit seines Grundstückes ausgehen können. Eine Unterschreitung der Mindestabstände im Ortsgebiet S sei keinesfalls unüblich und es würden laufend von der Gemeinde auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zahlreiche Ausnahmebewilligungen erteilt. Zu den Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG führte die oberste Gemeindebehörde aus, daß das geplante Objekt des Beschwerdeführers an der nördlichen Grundstücksgrenze der Parzelle der Erst- bis Drittmitbeteiligten mit einem seitlichen Bauabstand von 0,90 m errichtet werden solle. Eine Beeinträchtigung des Lichteinfalles zum Grundstück S sei durch die Situierung im Norden nicht gegeben, andererseits sei, wie der Gutachter zutreffend feststelle, keine größere Beschattung durch die Bauführung zu erwarten, als sie jetzt schon durch die bestehenden Hecken und Bäume auf dem Grundstück der Mitbeteiligten bestehe. Die Situierung des Neubaues des Beschwerdeführers im Norden des bestehenden Objektes der Erst- bis Drittmitbeteiligten sei so weit nach Westen versetzt, daß sich keinerlei gegenüberliegende Gebäudefronten ergeben würden. Der Einwand der Erst- bis Drittmitbeteiligten, daß durch die geplante Bauführung die Naturhecke Schaden nehmen könne, sei kein Hinderungsgrund für die Erteilung der Ausnahme, da bei sorgfältigen Aushubarbeiten die Hecke nicht Schaden nehme bzw. Ligustersträuche wieder ersetzt werden könnten und rasch weiterwüchsen. Ein Schaden wegen mangelnden Lichteinfalles durch das geplante Bauobjekt sei nicht zu erwarten, da sich dieses nördlich der Hecke befinde und diese ihre Sonnenbestrahlung aus südlicher Richtung frei erhalte. Eine Wertminderung der Liegenschaft der Erst- bis Drittmitbeteiligte durch die Gewährung einer Ausnahmebewilligung für das angrenzende Grundstück des Bauwerbers könne die Gemeindevertretung daher nicht feststellen. überdies werde den Erst- bis Drittmitbeteiligten bezüglich ihrer Stellungnahme eingewandt, daß sie nicht dargetan hätten, inwieweit das Gutachten des Sachverständigen, auf das sich der gegenständliche Bescheid stütze, inhaltlich unzutreffend wäre. Ihnen sei Akteneinsicht nicht verwehrt und in Wahrung des Parteiengehörs auch ausreichende Gelegenheit der Stellungnahme zu den erzielten Beweisergebnissen gegeben worden. Eine Übersendung des Aktes zur Erleichterung der Akteneinsicht an eine andere Behörde sehe das Gesetz nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- bis Drittmitbeteiligten die Vorstellung an die Salzburger Landesregierung, worin sie im wesentlichen ihre während des gesamten Verfahrens erhobenen Einwendungen wiederholten und erneut vorbrachten, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Ausnahme gemäß § 25 BGG nicht gegeben seien und daß insbesondere von dem Ermessen in der Richtung unrichtig Gebrauch gemacht worden sei, als im Einzelfall die Nichtgenehmigung des Baues für den Beschwerdeführer keine besondere Härte darstelle.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 1984 gab die Salzburger Landesregierung der Vorstellung der Erst- bis Drittmitbeteiligten statt, hob den Bescheid der Gemeindevertretung S vom 21. August 1984 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Begründend führte sie aus, die Vorstellungsbehörde habe bei der Beurteilung des Vorliegens des Tatbestandsmerkmales der unbilligen Härte bereits zu prüfen, ob bei dieser Entscheidung vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden sei. Wenn man zum Ergebnis komme, daß dies nicht der Fall sei, würde es sich erübrigen in die Prüfung des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen einzugehen, da ja alle in § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG enthaltenen Voraussetzungen gegeben sein müßten, um eine Ausnahme aussprechen zu können. Die Frage sei, ob tatsächlich eine Ausnahmewürdigkeit vorliege, die eine unbillige Härte im Sinn des Gesetzes nach sich zöge, wenn die Ausnahme nicht erteilt würde. Unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer das Grundstück zum Zwecke der Errichtung eines Objektes für seine Familie mit drei Kindern zu einem Zeitpunkt erworben habe, als hiefür weder eine Ausnahme von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes noch eine Bauplatzerklärung noch eine naturschutzbehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Daß in unmittelbarer Umgebung zum Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes bereits Objekte standen, habe im Beschwerdeführer nur eine persönliche Hoffnung, ebenfalls eine Baubewilligung zu erhalten, erwecken können, nicht aber eine solche Sicherheit, daß er unbedingt mit der Erteilung aller notwendigen Bewilligungen rechnen könne. In Anbetracht der Rechtslage könne eine unbillige Härte für einen Bauwerber dann nicht eintreten, wenn von einer Reihe von notwendigen Bewilligungen auch nur der letzten erforderlichen Bewilligung gesetzliche Hindernisse, die nicht auf Grund objektiver Fakten ohne Verschulden des Bauwerbers erst nachträglich eingetreten seien, entgegenstünden und die Hoffnung, das geplante Bauvorhaben doch ausführen zu können, deshalb nicht verwirklicht werden könne. Dem Beschwerdeführer müßte jedoch im gegenständlichen Fall von vornherein klar gewesen sein, daß er auf dem erworbenen Grundstück erst nach Erteilung einer noch anzustrebenden Ausnahmebewilligung von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes und nur unter Erteilung einer Ausnahme von den gesetzlich festgelegten Nachbarabständen ein seinem gesetzten Ziel entsprechendes Objekt errichten könne. Es habe also mit dem Risiko, nicht alle Bewilligungen zu erhalten, gerechnet werden müssen. Wenn er aber dieses Risiko in Kauf nehmen mußte, könne ihn bei einer Versagung der Einschränkung subjektiver Rechte des Nachbarn zu seinen Gunsten keine unbillige Härte treffen. Die Vorstellungsbehörde sei daher der Auffassung, daß keine unbillige Härte für den Beschwerdeführer im Sinne der Bestimmung des § 25 Abs. 8 lit. a BGG vorliege. Damit sei nach der Auffassung der Vorstellungsbehörde von der Baubehörde zweiter Instanz vom Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden, weshalb diese damit ihre Entscheidung über die Berufung der Vorstellungswerber mit einer Rechtswidrigkeit belastet habe, die deren subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Nachbarabstände in dieser Hinsicht verletze.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer ergänzte sein Vorbringen noch durch eine Stellungnahme zu den Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Parteien. Er erachtet sich durch die Nichterteilung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes in seinen Rechten verletzt.
Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei festgestellt, daß eine Bindung an den Vorstellungsbescheid vom 15. Mai 1985 nicht gegeben ist, da darin ausdrücklich nur die Mängel der Begründung des bekämpften Bescheides aufgegriffen wurden und der Bescheid wegen nicht ausreichender Begründung aufgehoben worden war. Dieser Vorstellungsbescheid enthält zwar Hinweise und Überlegungen für das fortgesetzte Verfahren, doch kommt allen diesen Hinweisen - als nicht die Aufhebung tragend - keine bindende Wirkung zu, worauf die Behörde selbst ausdrücklich verwiesen hat.
Die entscheidungswesentliche Frage des gegenständlichen Falles ist, ob man in der vorliegenden Situation von der Erfüllung des Tatbestandes des § 25 Abs. 8 lit. a BGG ausgehen kann. Diese Frage wurde von der obersten Gemeindeinstanz bejaht, von der Vorstellungsbehörde jedoch verneint.
§ 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes LGBl. für Salzburg Nr. 69/1968, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 76/1976, lautet:
"(8) Die für die Baubewilligung zuständige Behörde kann auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn
a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;
b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete oder erforderliche Tageslicht verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;
c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen und
d) die Lage des Baues sich nicht aus einem Bebauungsplan ergibt.
..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1981, Zlen. 973, 974/80, feststellte, ist hinsichtlich dieser Bestimmung davon auszugehen, daß das Gesetz zwar in lit. a bis d bindende Voraussetzungen festlegt, welche alle zugleich gegeben sein müssen, damit eine Ausnahme von der Einhaltung der in § 25 Abs. 3 und 4 BGG festgesetzten Abstände überhaupt erteilt werden darf. Da das Gesetz aber auch bestimmt, daß die Unterschreitung der Abstände "ausnahmsweise" zugelassen werden kann, und bei der Entscheidung der Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt und ob der betreffende Einzelfall ausnahmewürdig ist, ein individueller Beurteilungsspielraum offen bleibt, ist insoweit der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung hat der Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß die Behörde bei Gewährung einer Ausnahme nach § 25 Abs. 8 BGG, welche seine rechtliche Interessenssphäre berührt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nach lit a bis d dieser Gesetzesstelle beachtet, daß sie darüber hinaus ihr Ermessen gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG im Sinne des Gesetzes handhabt und daß die Entscheidung in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren getroffen wird.
Wie die belangte Behörde - unbestritten vom Beschwerdeführer -
richtig feststellte, kann die Baubehörde zweiter Instanz nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der lit. a bis d des § 25 Abs. 8 leg. cit. in die Ermessensentscheidung über die Ausnahmewürdigkeit eingehen. Die belangte Behörde hat das Vorliegen des Tatbestandpunktes der "unbilligen Härte" der lit. a der zitierten Bestimmung mit dem Hinweis darauf verneint, daß der Beschwerdeführer schon bei Erwerb seines Grundstückes das Risiko in Kauf genommen habe, nicht sämtliche zum Bau notwendigen behördlichen Bewilligungen zu erhalten, und die Verweigerung der Baubewilligung (nach Erhalt der Ausnahmegenehmigung nach § 19 Abs. 3 ROG, des Bauplatzerklärungsbescheides und des naturschutzbehördlichen Bescheides) keine unbillige Härte im Sinne dieser Gesetzesstelle für ihn darstelle. Damit geht die belangte Behörde aber am Wortlaut des Gesetzes vorbei. Lit. a der zitierten Bestimmung zählt beispielsweise Fälle auf, bei deren Vorliegen von einer unbilligen Härte gesprochen werden kann. Unter diesen Beispielen ist ausdrücklich der Fall erwähnt, daß "die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wird". Der gegenständliche Fall ist nun - das wurde von den Erst- bis Drittmitbeteiligten in ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 23. Jänner 1983 und in ihrer Vorstellung gegen den Bescheid vom 17. Jänner 1984 ausdrücklich zugestanden und auch von der belangten Behörde nie bestritten - sicher so gelagert, daß bei Einhaltung der Bestimmung des § 25 Abs. 4 leg. cit. die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche wesentlich beeinträchtigt wäre. Das Gesetz stellt ausdrücklich nicht darauf ab, aus welchen Gründen - und ob vorhersehbar oder nicht - die Bebaubarkeit des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt sein kann. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, wenn sie ausführlich darlegte, daß aus der Erteilung der übrigen Bewilligungen dem Beschwerdeführer kein Recht darauf erwachsen sei, auch die Baubewilligung zu erhalten, doch geht diese Argumentation ins Leere, da sich das Vorliegen einer unbilligen Härte für den Beschwerdeführer allein aus dem Gesetzestext ergibt. Davon abgesehen, könnte in Anbetracht der Lage des Grundstückes im Ortszentrum, der Verbauung der benachbarten Grundstücke und der aus der Erteilung verschiedener Bewilligungen an den Beschwerdeführer hervorgehenden Feststellung, daß der Bebauung keine öffentlichen Interessen entgegenstehen, die Ansicht vertreten werden, daß ein Fall der unbilligen Härte, der nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt ist, im gegenständlichen Fall vorliege. Die belangte Behörde belastete daher ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wenn sie vom Fehlen der Voraussetzung des § 27 Abs. 8 lit. a BGG ausging und die Ausnahmewürdigung des verfahrensgegenständlichen Baues schon aus diesem Grunde verneinte.
Was nun die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 8 BGG betrifft, nämlich die lit. b bis d, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der Gemeindebehörde oberster Instanz bei der positiven Beurteilung der Erfüllung dieser Bestimmungen ein Fehler unterlaufen ist. Sie legte eingehend und ausführlich, gestützt auf das weiterhin unbestritten gebliebene Gutachten des Privatsachverständigen, dem sich der Amtssachverständige vollinhaltlich angeschlossen hatte, dar, wieso diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall zutreffen. Ob eine Ausnahme zu bewilligen war, hatte die Gemeindebehörde oberster Instanz sodann im Ermessensbereich zu entscheiden. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von ihm im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. Erkenntnis vom 18. April 1985, Zl. 83/16/0182). Die oberste Gemeindebehörde hat ihren Bescheid auch in diesem Punkt ausführlich und in einer überprüfbaren Weise begründet; der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß sie ihren diesbezüglichen Ermessenspielraum überschritten oder das von ihr geübte Ermessen nicht entsprechend begründet hätte.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Soweit der Ersatz für zu hoch entrichtete Stempelgebühren begehrt wurde, war dieses Begehren als nicht im Gesetz begründet, abzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 1985
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