VwGH 91/06/0039

VwGH91/06/003911.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Jänner 1991, Zl. 1/02-24.216/21-1991, betreffend Versagung einer Baubewilligung und einer Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 des Bebauungsgrundlagengesetzes (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litc;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litc;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Mai 1988 wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses einschließlich einer Garage auf dem Grundstück Nr. 619/3 und Bauparzelle .79 der KG Y, sowie die Bewilligung der Unterschreitung des Mindestabstandes zur Bauplatzgrenze an der West-, Nord- und Ostseite dieses Grundstückes gemäß § 25 Abs. 8 des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG) versagt. Nach dem diesem Bescheid zugrundeliegenden Sachverständigengutachten werde durch das Bauprojekt der Beschwerdeführerin der gesetzlich geforderte Mindestabstand von 4 m an den genannten Grundgrenzen unterschritten. Zu den Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 25 Abs. 8 des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG) wird darin festgehalten, daß ein Objekt mit einer verbauten Fläche von 70 m2 bei Einhaltung der gesetzlich geforderten Abstände errichtet werden könne, weshalb von einer unbilligen Härte im Sinne des Gesetzes nicht gesprochen werden könne. Überdies sei eine erhebliche Beeinträchtigung der benachbarten Grundstücke hinsichtlich ihrer Bebaubarkeit sowie ihrer Belichtung und Besonnung zu erwarten.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Jänner 1989 Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben. Im Zuge des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens ergab die Beiziehung des brandschutztechnischen Sachverständigen, daß bei der geplanten Ausführung des Objekts der Beschwerdeführerin aufgrund der "Näherung" sowie der Bauweise eine Gefährdung von Nachbarobjekten nicht ausgeschlossen werden könne. Der bautechnische Sachverständige kam in seinem Gutachten hinsichtlich der Besonnung zu der Auffassung, daß das geplante Objekt zu wesentlichen Beeinträchtigungen für die betroffenen Nachbargrundstücke und Nachbarbauten führen würde; unter Berücksichtigung des Gutachtens des brandschutztechnischen Sachverständigen gelangte der bautechnische Sachverständige ferner zu der Schlußfolgerung, daß der allfällige Vorteil einer Abstandsunterschreitung für die Beschwerdeführerin "eher kleiner, keinesfalls aber größer als der durch die Brandgefährdung entstehende Nachteil" wäre. In der Zusammenfassung des Gutachtens vertrat der Sachverständige unter anderem die Auffassung, daß das Vorhaben der Beschwerdeführerin jedenfalls zweien der im § 25 Abs. 8 BGG festgelegten Kriterien nicht entspreche. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Oktober 1989 wurde die von der Beschwerdeführerin beantragte baubehördliche Bewilligung neuerlich versagt.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung wurde mit Spruchteil I des Bescheides der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. März 1990 nur insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides geringfügig geändert wurde, im übrigen aber keine Folge gegeben. Mit Spruchteil II wurde einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ablehnung des bautechnischen Amtssachverständigen keine Folge gegeben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Jänner 1991 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 lit. c des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 75/1988 ist die Baubewilligung zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz zuwiderläuft.

Gemäß § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes, LGBl. Nr. 69/1968, in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 79/1985, müssen die Bauten im Bauplatz u.a. so gelegen sein, daß ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes einen Mindestabstand von jedenfalls 4 m haben.

§ 25 Abs. 8 erster Satz BGG lautet:

"Die für die Baubewilligung zuständige Behörde kann auf Antrag die Unterschreitung der in den Abs. 3 und 4 festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise zulassen, wenn

a) die Einhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für den Ausnahmewerber eine unbillige Härte darstellt, wie etwa, wenn bestehende Bauten nicht in einer zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung ihrer Funktion dringend erforderlichen Weise geändert werden könnten oder die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche ausgeschlossen oder wesentlich beeinträchtigt wäre;

b) benachbarte Grundstücke oder Bauten und Anlagen nicht erheblich beeinträchtigt werden, insbesondere nicht ihre Bebaubarkeit bzw. das gewährleistete und erforderliche Tageslicht verlieren oder in diesen Belangen wesentlich beeinträchtigt werden;

c) insgesamt der Vorteil des Ausnahmewerbers größer ist als der Nachteil für die benachbarten Grundstücke, Bauten und Anlagen und

d) die Lage des Baues sich nicht aus einem Bebauungsplan ergibt."

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde nicht, daß bei dem gegenständlichen Bauvorhaben der Mindestabstand von 4 m zu den Grundgrenzen nicht eingehalten wird. Daher kann auf sich beruhen, ob der bautechnische Sachverständige bei Erstattung seines Gutachtens allenfalls von einer unrichtigen Traufenhöhe ausgegangen ist, wie die Beschwerdeführerin behauptet, da die Traufenhöhe für den Mindestabstand von 4 m im Sinne des § 25 Abs. 3 BGG nicht von Bedeutung ist.

Die Beschwerdeführerin behauptet jedoch, in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf gesetzeskonforme Ermessensausübung bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Abstandsunterschreitung gemäß § 25 Abs. 8 BGG verletzt zu sein. Sie führt dazu in ihrer Beschwerde aus, daß diese Gesetzesbestimmung in den lit. a bis d die Ermessensentscheidung der Behörde durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe determiniere, die ausfüllungsbedürftig seien. Es sei unbestreitbar, daß dies unter Zuhilfenahme des Fachwissens von Sachverständigen zu geschehen habe. Die dem Standpunkt der Beschwerdeführerin abträglichen Aussagen des Sachverständigen dürften jedoch der Behörde nicht die Beurteilung darüber abnehmen, ob eine unbillige Härte im Sinne der lit. a des § 25 Abs. 8 vorliege, ob Beeinträchtigungen benachbarter Grundstücke erheblich seien oder ob die Abwägung des Vorteiles des Ausnahmewerbers gegenüber dem Nachteil für benachbarte Grundstücke für den Ausnahmewerber zu sprechen geeignet sei. Nur die Baubehörde habe Ermessen zu üben und dies in ihrem Bescheid zu begründen, nicht aber dürfe sie dies dem Sachverständigen überlassen.

Daran ist zunächst richtig, daß der Sachverständige Tat- und nicht Rechtsfragen zu lösen hat und die Ermessensübung von der Behörde selbst und nicht vom Sachverständigen vorzunehmen ist. Ob die von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe in dieser Hinsicht zutreffen, bedarf jedoch aus nachfolgenden Gründen keiner näheren Prüfung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 89/06/0130, ausgesprochen, daß eine Unterschreitung der Mindestabstände des § 25 Abs. 3 und 4 BGG nur dann in Betracht kommt, wenn die im § 25 Abs. 8 lit. a bis d BGG genannten Voraussetzungen KUMULATIV vorliegen (so auch HAUER, Salzburger Baurecht, 1984, Anm 14 zu § 25 BGG, Seite 237). Dies bedeutet, daß schon bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht in Betracht kommt.

Die Behörden sind im vorliegenden Fall - insoweit zu Recht auf das bautechnische Gutachten gestützt - davon ausgegangen, daß bei Einhaltung der gesetzlich geforderten Mindestabstände (d.h. ohne deren Unterschreitung) ein Objekt mit einer verbauten Fläche von 70 m2 auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin errichtet werden könne. Die Beschwerdeführerin tritt weder dieser, noch der daran geknüpften Annahme (rechtlicher Art) entgegen, daß die Bebauung des Grundstückes der Beschwerdeführerin bei Einhaltung der Abstandsvorschriften nicht wesentlich beeinträchtigt wäre; sie bringt auch in der Beschwerde dazu nichts vor. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes haben aber die Verwaltungsbehörden das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 25 Abs. 8 lit. a BGG im Ergebnis zu Recht verneint. Da es somit am Erfordernis der unbilligen Härte mangelt, hatte die Behörde (insoweit in rechtlicher Gebundenheit) schon deshalb die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 BGG zu versagen, ohne daß es auf das Vorliegen der übrigen im § 25 Abs. 8 lit. b bis d BGG genannten Voraussetzungen ankäme.

Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob die Behörde im Beschwerdefall Elemente der Ermessensübung dem Sachverständigen überlassen hat, wie die Beschwerdeführerin meint, da für eine Ermessensübung entsprechend den Intentionen der Beschwerdeführerin schon aus den dargelegten Gründen kein Raum ist.

Da somit die von der Beschwerdeführerin geplante bauliche Maßnahme den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz im Sinne des § 25 Abs. 3 BGG zuwiderläuft, wurde die von der Beschwerdeführerin beantragte Baubewilligung gemäß § 9 Abs. 1 lit. c des Salzburger Baupolizeigesetzes, zu Recht versagt.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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