VwGH 92/18/0366

VwGH92/18/03666.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. Juli 1992, Zl. 5-212 Ha 38/3-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AZG §26 Abs1;
AZG §26 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AZG §26 Abs1;
AZG §26 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (der belangten Behörde) vom 3. Juli 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, daß 17 namentlich genannte Arbeitnehmer dieser Gesellschaft an näher bezeichneten Tagen im Mai und Juni 1990 die höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden in näher bezeichnetem Ausmaß überschritten hätten. Über den Beschwerdeführer wurden deshalb wegen 17 Übertetungen des § 9 erster Halbsatz des ersten Satzes Arbeitszeitgesetz Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides - soweit sie für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist - führte die belangte Behörde aus, den Anträgen des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Ortsaugenscheines und Vernehmung aller betroffenen Arbeitnehmer sei nicht stattzugeben gewesen. Der Beschwerdeführer habe die Vernehmung der Arbeitnehmer zum Beweis dafür beantragt, daß der Großteil der ihm angelasteten Überschreitungen der Tagesarbeitszeit darauf zurückzuführen sei, daß Mitarbeiter des Unternehmens für eine gewisse Zeitspanne hätten erreichbar sein müssen. Diese Zeiten hätten auch außerhalb des Betriebes zugebracht werden können. Aufgrund der geringen Dauer dieser Abrufbereitschaft hätten es die Mitarbeiter aber vorgezogen, sich aufgrund der Entfernung zu ihren Wohnungen im Betriebsgelände aufzuhalten. Eine solche Wartezeit sei jedoch keine Arbeitszeit. Die Vernehmung der Arbeitnehmer sei entbehrlich gewesen, weil sich bereits aus der Verantwortung des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren ergeben habe, daß es sich bei jenen Zeiten, zu denen sich die Mitarbeiter auf dem Werksgelände zwei oder auch mehrere Stunden lang frei hätten aufhalten können, aber jederzeit zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet gewesen seien, um Zeiten der Arbeitsbereitschaft gehandelt habe. Im übrigen habe der Beschwerdeführer gar nicht detailliert dargelegt, bei welchen der ihm angelasteten Arbeitszeitüberschreitungen die genannten Zeiten, die nach seiner Ansicht keine Arbeitszeit darstellten, hätten abgezogen werden müssen. Die bloß allgemein gehaltenen Behauptungen des Beschwerdeführers bedürften mangels Konkretisierung und damit mangels Überprüfbarkeit keiner weiteren Erörterung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Vorweg sei festgehalten, daß nach Abs. 2 des Übergangsrechts zum VStG 1950 (VStG-Übergangsrecht 1991), Anlage 2 zur Kundmachung des Bundeskanzlers, mit der das Verwaltungsstrafgesetz wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 52/1991, das vorliegende Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1990 (1. Jänner 1991) geltenden Rechtslage zu Ende zu führen war.

2.1. Der Beschwerdeführer erblickt einen Verstoß gegen § 44a VStG 1950 darin, daß weder im erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid ein Tatort angeführt worden sei. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, an welchen Orten es zu den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen gekommen sein soll.

2.2. Aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich, daß im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dem Beschwerdeführer angelastet wurde, die im einzelnen bezeichneten Übertretungen als Vorstandsmitglied einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten zu haben, wobei auch der Sitz dieser Gesellschaft angegeben wurde. Dieser Teil des erstinstanzlichen Bescheidspruches wurde durch die teilweise Bestätigung auch zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Damit ist aber die für eine ausreichende Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 erforderliche Angabe des Tatortes im Spruch des angefochtenen Bescheides enthalten, weil bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort der Übertretung jener Ort anzusehen ist, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung, der nach dem oben Gesagten im Spruch des angefochtenen Bescheides angegeben wurde (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erkenntnisse vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0118, vom 8. Oktober 1992, Zl. 91/19/0130, und vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0212).

3.1. Der Beschwerdeführer behauptet ferner Verstöße gegen § 44a VStG 1950, die darin gelegen sein sollen, daß bloß Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich jener Gebotsnormen, deren Verletzung ihm zum Vorwurf gemacht werde, zitiert worden seien und daß die "reine tabellenmäßige, stunden- und kalendermäßige Darstellung von Arbeitszeiten" nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG 1950 genüge.

3.2. Diese Ausführungen sind verfehlt, weil sich die belangte Behörde keineswegs damit begnügt hat, bloß Gebotsnormen zu zitieren, sondern die bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene genaue Umschreibung der Tat mit präzise bezeichneten Änderungen übernommen und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Taten verletzt wurde (nämlich § 9 erster Halbsatz des ersten Satzes des Arbeitszeitgesetzes), bezeichnet hat. Warum die unter Angabe der Tage und Uhrzeiten erfolgte Umschreibung der Übertretungen dem Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG 1950 nicht entsprechen soll, ist unerfindlich.

4.1. Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde seinem Antrag nicht entsprochen habe, sämtliche betroffenen Arbeitnehmer zum Beweis dafür zu vernehmen, daß in den bezeichneten Arbeitszeiten auch Zeiten bloßer Rufbereitschaft enthalten seien.

4.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß nach der Aktenlage das anzeigende Arbeitsinspektorat die (in den Monaten Mai und Juni 1990 erfolgten) Überschreitungen der zulässigen Tagesarbeitszeit nicht selbst unmittelbar wahrgenommen hat. Die Ausführungen in der Anzeige beruhen vielmehr auf einer am 16. August 1990 beim Arbeitgeber vorgenommenen Erhebung, die naturgemäß die beim Arbeitgeber geführten Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz zum Gegenstand hatte.

Nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen. Aus dem in dieser Gesetzesstelle umschriebenen Zweck der Pflicht zur Führung von Aufzeichungen und der im § 26 Abs. 2 leg. cit. normierten Pflicht, der Arbeitsinspektion und deren Organen Einsicht in diese Aufzeichnungen zu gewähren, folgt, daß sich der Arbeitgeber in der Regel nicht als beschwert erachten kann, wenn die Behörden von der Richtigkeit der dem Arbeitsinspektor vorgewiesenen Aufzeichnungen ausgehen. Behauptet der Arbeitgeber (bzw. der nach § 9 Abs. 1 VStG 1950 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche) aber die Unrichtigkeit seiner eigenen Aufzeichnungen, so trifft ihn im Verfahren eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Er hat in einem solchen Fall detailliert darzutun, aus welchen Gründen, in welchen Punkten und in welchem Ausmaß seine Aufzeichnungen unrichtig sind (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 91/19/0329, und vom 28. Oktober 1993, Zl. 91/19/0134).

Diese Verpflichtung hat der Beschwerdeführer nicht erfüllt, weil seinem im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Vorbringen nicht entnommen werden kann, welche Arbeitnehmer an welchen Tagen und zu welchen Zeiten abweichend von den Aufzeichnungen trotz Anwesenheit im Betrieb bloß in Rufbereitschaft gewesen sein sollen. Mangels konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers stellt das Unterbleiben der Vernehmungen der Arbeitnehmer keinen Verfahrensmangel dar.

5.1. Der Beschwerdeführer erblickt schließlich eine Rechtswidrigkeit darin, daß der angefochtene Bescheid weder eine Unterschrift noch einen Beglaubigungsvermerk der Kanzlei aufweise.

5.2. Gemäß § 18 Abs. 4 letzter Satz AVG 1950 bedürfen Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.

Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides enthält eine "DVR"-Nummer (Registernummer des Datenverarbeitungsregisters) in Form einer siebenstelligen Zahl. Daraus ist zu erkennen, daß die Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 92/18/0268, mwN), was auch in der Gegenschrift von der belangten Behörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage unwidersprochen behauptet wurde. Es ist daher davon auszugehen, daß die dem Beschwerdeführer zugestellte Bescheidausfertigung den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 AVG 1950 entspricht, sodaß einer meritorischen Erledigung der Beschwerde nichts im Wege stand.

6. Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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