VwGH 92/05/0041

VwGH92/05/004115.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Günther und 2. der Hildegard G in L, beide vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9.9.1991, Zl.BauR-010669/1-1991 Ki/Bi, betr Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: 1. LH Linz, vertreten durch den Bürgermeister, 2. E-GmbH, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §13a;
AVG §42 Abs1;
AVG §43 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs1;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1976 §47 Abs1;
BauO OÖ 1976 §51;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §13a;
AVG §42 Abs1;
AVG §43 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs1;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1976 §47 Abs1;
BauO OÖ 1976 §51;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,--, der Erstmitbeteiligten in der Höhe von S 11.120,-- und der Zweitmitbeteiligten in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 17. Jänner 1980 suchte die Zweitmitbeteiligte um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von sechs viergeschoßigen Wohnhäusern auf den Grundstücken Nr. 940/89, 940/93 und 940/94, an. Die Landeshauptstadt Linz war damals Eigentümer des Grundstückes Nr. 940/24, welches von der Liegenschaft der Bauwerberin durch den "S-Weg" (öffentliches Gut) getrennt ist. Die Beschwerdeführer erwarben dieses Grundstück mit Kaufvertrag vom 18. März 1980; sie überreichten das Grundbuchsgesuch betreffend die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes am 11. Juni 1980, welcher Antrag am selben Tag bewilligt wurde. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 19. Juni 1980. Zu der für den 22. Mai 1980 anberaumten Bauverhandlung wurde die Landeshauptstadt Linz, Liegenschaftsamt, nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG geladen, für sie erschien jedoch niemand. Allerdings nahm der Erstbeschwerdeführer ohne Ladung an der Verhandlung als "Nachbar" und "außerbücherlicher Eigentümer" der Parzelle Nr. 940/24 teil. Laut Protokoll bevollmächtigte er mündlich eine andere Nachbarin, Frau Mag.Dr. A.S., seine "Interessen bezüglich des anhängigen Bauverfahrens zu vertreten". Diese erhob (auch) namens des Erstbeschwerdeführers in der Verhandlung eine Reihe von Einwendungen.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1980 bewilligte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Baurechtsamt, das beantragte Bauvorhaben unter Vorschreibung von Auflagen. Die Einwendung (auch) des Erstbeschwerdeführers, daß die Grundstücke des Bauvorhabens nicht, wie beantragt, mit viergeschoßigen Wohnhäusern, sondern mit Einfamilienhäusern zu bebauen seien, wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Einwendung, daß sich (auch) der Beschwerdeführer durch Errichtung der Wohnhäuser in bezug auf die Sonneneinstrahlung, die Luftverschmutzung und die Lärmentwicklung belästigt sehe, wurde als unbegründet abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern nicht zugestellt, obwohl ihr Eigentum am Grundstück Nr. 940/24 mittlerweile verbüchert war.

Die Bauwerberin suchte zweimal (9. Mai 1983 und 14. März 1986) um Verlängerung der Frist für die Bauausführung an; die stattgebenden Bescheide vom 24. Juni 1983 und vom 2. April 1986 enthielten jeweils die (vorgedruckte) Begründung, daß die Voraussetzungen gemäß § 51 der Oö Bauordnung vorlägen. Die Bescheide wurden nur der Bauwerberin zugestellt.

Mit Schreiben vom 4. April 1991 erhoben die Beschwerdeführer "Einspruch und Einwendungen". Sie seien trotz ihrer Stellung als Eigentümer der Liegenschaft S-Weg 5 und somit als Anrainer nie zu einer Bauverhandlung geladen worden. Da ihnen kein Parteiengehör gewährt worden sei, könne die Baubewilligung nicht rechtskräftig geworden sein. Das Objekt behindere ihre Aussicht, vermindere ihre Lebensqualität und stelle eine erhebliche Wertminderung ihres Einfamilienhauses dar. Sie erklärten in diesem Schreiben, daß sie vorsorglich "Berufung" gegen die Baubewilligung erheben. Dem darauf erstatteten Vorhalt der Baubehörde, sie seien am 22. Mai 1980 noch nicht Eigentümer gewesen, entgegneten die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 29. Mai 1991, daß im Grundbuchsauszug auf eine Urkunde vom 18. März 1980 verwiesen werde. Es sei ihnen vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz anläßlich des Grunderwerbes versichert worden, daß im gesamten Gebiet nur eine eingeschoßige Verbauung (mit Einfamilienhäusern) zulässig und vorgesehen sei. Im übrigen müsse die am 22. Mai 1980 erteilte Baubewilligung im Hinblick darauf, daß mit der Bauführung erst kürzlich begonnen worden sei, erloschen sein oder es müsse zu einem Zeitpunkt um Neuerteilung oder Fristverlängerung betreffend der Gültigkeit der Baubewilligung angesucht worden sein, als die Beschwerdeführer längst Eigentümer ihrer Liegenschaft gewesen seien.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 16. Juli 1991 wurde dieser Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 30. Juni 1980 keine Folge gegeben. Von der zum Zeitpunkt der Bauverhandlung bücherlich berechtigten Landeshauptstadt Linz seien keine Einwendungen erhoben worden. Der Baubewilligungsbescheid hätte allerdings den Beschwerdeführern zugestellt werden müssen, weil ihnen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits Parteistellung zugekommen sei. Die Berufung sei daher zulässig, jedoch zufolge Präklusion unbegründet. Die Präklusionsfolgen träfen auch die Beschwerdeführer, weil Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger wie eine Prozeßpartei zu behandeln seien und die Beschwerdeführer vollständig in die Rechtsstellung des früheren Eigentümers, der Landeshauptstadt Linz, eingetreten seien.

Durch das Übergehen der Beschwerdeführer sei die Baubewilligung nicht rechtskräftig geworden, weshalb auch die Frist für den Beginn der Bauausführung gemäß § 51 Abs. 1 der Oö Bauordnung noch nicht zu laufen begonnen habe. Die in der Folge ergangenen Fristverlängerungsbescheide seien ins Leere gegangen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge, weil den Beschwerdeführern im Zeitpunkt der Bauverhandlung noch keine Parteistellung zugekommen sei. Soweit die Beschwerdeführer hinsichtlich der Verlängerung der Frist für den Beginn der Bauausführung die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend machten, wurde ausgeführt, daß auch hier Präklusionsfolgen grundsätzlich zu beachten wären, soweit nicht konkrete Umstände zu berücksichtigen seien. Die Beschwerdeführer hätten Umstände, die einer Fristverlängerung entgegenstünden, nicht behauptet. Außerdem hätte mangels Rechtskraft der Baubewilligung die Ausführungsfrist noch nicht begonnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; ebenso wie die Erst- und Zweitmitbeteiligte erstattete sie eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was zunächst die geltend gemachte Unzuständigkeit betrifft, sind die Beschwerdeführer auf die Bestimmungen der §§ 64 Abs. 1, 67 Abs. 2 und 67 Abs. 5 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz 1980, LGBl. Nr. 10/1980, zu verweisen, wonach über die Vorstellung die auch sonst das Aufsichtsrecht über die Stadt ausübende Landesregierung zu entscheiden hat.

Die Beschwerdeführer halten offenbar weiterhin an ihrer Auffassung fest, sie seien am 22. Mai 1980 Eigentümer der von ihnen gekauften Liegenschaft gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan (siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0124), daß die Eigentümerstellung - abgesehen von Ausnahmen - nach § 431 ABGB zu beurteilen ist. Der Erwerber einer Liegenschaft hat aufgrund des Kaufvertrages lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums. Die Verwaltungsbehörden sind daher völlig zu Recht davon ausgegangen, daß den Beschwerdeführern am 22. Mai 1980 eine Parteistellung gemäß § 46 Abs. 1 Oö Bauordnung 1976 (im folgenden: BO) nicht zukam.

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten "gemäß §§ 8, 10, 19, 25, 37, 40, 41, 45, 51, 56 AVG" verletzt. Verfahrensverstöße können aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zu einer Rechtsverletzung des Nachbarn führen, wenn sie sich auf ein materielles Recht beziehen (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 591; Hauer,

Der Nachbar im Baurecht3, 76). Die Anführung des § 46 BO in der Beschwerde läßt nicht erkennen, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht die Beschwerdeführer verletzt sein könnten; allein in der Sachverhaltsdarstellung ist der Hinweis enthalten, daß durch das Projekt in die Privatsphäre der Beschwerdeführer eingegriffen werde, durch die viergeschoßigen Wohnhäuser ihre Lebensqualität vermindert werde, daß die Wegnahme der Aussicht und die Ummauerung eine erhebliche Wertminderung ihres Einfamilienhauses begründe und daß durch Bauemissionen, wie Staubeinwirkungen etc., die Edelputzfassade ihres Hauses bereits gelitten habe. Die Beschwerdeführer vermögen aber nicht aufzuzeigen, aus welcher der im § 46 Abs. 3 BO genannten Bestimmungen sie das Recht des Nachbarn auf Beibehaltung seiner "Lebensqualität" ableiten. Hinsichtlich der geltend gemachten Wertminderung sei auf die ständige hg. Judikatur verwiesen (siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 15. September 1992, Zlen. 92/05/0044, 92/05/0075 m.w.N), wonach eine derartige Einwendung als PRIVATRECHTLICH zu qualifizieren sei. Weiters kann auch die Einwendung, der Voreigentümer habe Zusagen hinsichtlich der Bebauung der Umgebung gemacht (Vorbringen in der Gegenäußerung der Beschwerdeführer zu den Gegenschriften), keine Berücksichtigung finden, weil Zusagen des Verkäufers allein privatrechtliche Rechtsfolgen herbeiführen können.

Was schließlich die Staubbeeinträchtigung während der Bauausführung betrifft, so gelten auch ohne entsprechende Vorschreibung im Baubewilligungsbescheid zufolge § 49 Abs. 1 der Oö Bauverordnung, LGBl. Nr. 5/1985 idF Nr. 6/1989 und des Landesgesetzes Nr. 37/1989 die Bestimmungen des § 23 BO für die Bauausführung, wobei ausdrücklich vorgesehen ist, daß bei der Bauausführung schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Daher kann die Befürchtung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren, durch das Bauen beeinträchtigt zu werden, grundsätzlich nicht als Einwendung zur Versagung der Baubewilligung (§ 50 Abs. 3 BO) führen, sodaß bezogen auf das Projektbewilligungsverfahren, eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes nicht gegeben ist (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/05/0308, betreffend Aufschüttungen im Zuge der Bauführung).

Da somit durch die bekämpfte Baubewilligung in hier (ansatzweise) geltend gemachte materielle Rechte der Beschwerdeführer nicht eingegriffen wurde, erweisen sich die gerügten Verfahrensmängel als unwesentlich. Allerdings ist folgender Hinweis angebracht: Wenn auch die Beschwerdeführer völlig zu Recht noch nicht zur Verhandlung vom 22. Mai 1980 geladen wurden, so wäre doch der Verhandlungsleiter im Rahmen seiner Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG verhalten gewesen, den erschienenen Erstbeschwerdeführer nicht wie eine Partei zu behandeln und seine (durch eine gemäß § 10 Abs. 1 mündlich bevollmächtigte Vertreterin erstatteten) Einwendungen ohne weiteres zu protokollieren, sondern ihn auf seine noch nicht gegebene Parteistellung hinzuweisen. Insbesondere wäre eine Belehrung über die Sanierungsmöglichkeit durch Nachreichung (§ 13 Abs. 3 AVG) einer Vollmacht des Verkäufers angebracht gewesen.

Die Beschwerdeführer haben in ihrer Berufungsergänzung vom 29. Mai 1991 auch gerügt, daß die am 22. Mai 1980 erteilte Baubewilligung erloschen sein mußte und sie von einer Neuerteilung oder Fristverlängerung nicht verständigt wurden. Daß in einem Verfahren betreffend die Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung (§ 51 BO) der Nachbar zwar nicht jene Fragen neu aufrollen kann, die im Baubewilligungsverfahren rechtskräftig entschieden worden sind, aber als Partei des Verfahrens die Verlängerung mit der Begründung bekämpfen kann, daß die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/05/0140, BauSlg. 589, ausgesprochen; er hat hiebei insbesondere darauf hingewiesen, daß im Falle des Erlöschens der Baubewilligung und der erforderlichen neuen Antragstellung der Nachbar seine Rechte geltend machen könnte, ohne präkludiert zu sein. N e u h o f e r - S a p p (Oö Baurecht3, 229) vermeinen aus dem hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1971, Slg. Nr. 8.134/A, den Rechtssatz entnehmen zu können, daß nur jene Nachbarn, die Einwendungen erhoben haben, im Fristverlängerungsverfahren Parteistellung genießen. Diese Verknüpfung ist aus dem von ihnen zitierten Erkenntnis nicht zu entnehmen; sowohl der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. September 1984, VfSlg. 10.151, als auch der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis BauSlg. 589 allein darauf abgestellt, daß durch die Fristverlängerung die Rechtssphäre der Nachbarn berührt wird (§ 8 AVG).

Die Verwaltungsbehörden haben zwar jenes Berufungsvorbringen, welches sich nicht gegen die Baubewilligung, sondern gegen die Bescheide vom 24. Juni 1983 behandelt und vom 2. April 1986 richtete, behandelt, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 BO zu prüfen.

Weder der Spruch des Berufungsbescheides noch des angefochtenen Bescheides beziehen sich auf die Fristverlängerungsbescheide, sondern betreffen eindeutig nur die Baubewilligung vom 30. Juni 1980. Die Beschwerdeführer sind daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Einhaltung des § 51 Abs. 1 BO, also darauf, daß eine Fristverlängerung nur bei Vorliegen der im Gesetz genannten Gründe bewilligt wird, nicht verletzt.

Damit erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104.

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