VwGH 93/09/0124

VwGH93/09/01246.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 9. März 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z12;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z12;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die beschwerdeführende Partei, die in Wien eine Schneiderei betreibt, mit Schreiben vom 7. Februar 1992, eingelangt beim Arbeitsamt Bekleidung-Druck-Papier am 11. Februar 1992, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den am 2. März 1964 geborenen türkischen Staatsbürger G. für die berufliche Tätigkeit als "Maschinennäher" mit einem Bruttostundenlohn von S 55,--, wobei Kenntnisse in der Schneiderei als erforderlich bezeichnet wurden. In einem Schreiben vom 18. Februar 1992 an das genannte Arbeitsamt ergänzte die beschwerdeführende Partei, sie benötige G. dringend, weil sie mit ihm sehr zufrieden sei und er ihren Vorstellungen genauestens entspreche; deshalb ersuche sie um eine Beschäftigungsbewilligung für G.

Im Anschluß an eine gemäß § 18 Abs. 4 AVG nicht bescheidmäßige Ablehnung dieses Antrages wies die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung vom 6. März 1992 darauf hin, daß G. bereits früher in ihrem Betrieb tätig gewesen und daher schon entsprechend eingearbeitet sei. Der beantragte Ausländer habe eine Kreditverbindlichkeit in Österreich und müsse diese zurückzahlen. Die Behörde erster Instanz habe nicht dargelegt, warum im konkreten Einzelfall eine Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht möglich gewesen sei. Insbesondere habe von der Behörde erster Instanz nicht konkret dargelegt werden können, ob nicht gerade die Lage des Arbeitsmarktes eine Beschäftigung des G. im Betrieb der beschwerdeführenden Partei erlaube.

In einem schriftlichen Vorhalt vom 29. April 1992 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, es sei festgestellt worden, daß der beantragte Ausländer noch keine entsprechenden Dienstverhältnisse in Österreich nachweisen könne, auf Grund deren er Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung habe und er daher nicht dem begünstigten Personenkreis angehöre. Derzeit sei eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden, möglich. An der Vermittlung dieser Personen bestehe - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse. Diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen. Laut Firmenschreiben vom 18. Februar 1992 werde jedoch nur der beantragte Ausländer gewünscht.

Hiezu führte die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 1992 aus, G. habe bis April 1991 in ihrem Unternehmen gearbeitet; er sei dann zu einer anderen Firma gewechselt und dort weitere drei Monate beschäftigt gewesen. Auf Grund familiärer Umstände habe G. dann für drei Monate in die Türkei reisen müssen; er sei dann wieder ordnungsgemäß nach Österreich eingereist. Theoretisch bestehe Anspruch auf Auszahlung von Arbeitslosengeld. Lediglich auf Grund eines Fehlers von G. werde jedoch kein Arbeitslosengeld ausbezahlt.

Nach Zurückweisung der Berufung der beschwerdeführenden Partei durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Juli 1992 erließ das erstinstanzliche Arbeitsamt den Bescheid vom 17. November 1992, mit welchem es den Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ablehnte. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe dieser Gesetzesstelle aus, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, und darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege. Dieser Bescheid trägt die Fertigungsklausel "Ihr Arbeitsamt Horntrich Maria".

In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwies die beschwerdeführende Partei auf ihr bisheriges Vorbringen und ergänzte, insbesondere im letzten Jahr sei eine große Anzahl von ausländischen Arbeitskräften aus ihrem Unternehmen ausgeschieden. Es sei somit eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gegeben.

In den Akten liegt auch noch ein EDV-Ausdruck (vom 28. Dezember 1992) mit folgendem Inhalt:

"LAA Wien/IIb: Kontrolle am 5.11.1992 im 10. Bez., X-Gasse nn (d.i. der Firmensitz der beschwerdeführenden Partei) 1 Ausländer illegal beschäftigt, Anzeige § 28 wurde am 6.11.1992 erstattet.

LAA Wien/IIb: Kontrolle am 15.9.92 im 10. Bez., X-Gasse nn. 3 Ausländer illegal beschäftigt, Anzeige § 28 wurde am 22.9.92 erstattet."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. März 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei ohne weitere Verfahrensschritte gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG aus, am 23. September 1992 seien bei einer Kontrolle im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei drei Ausländer, bei einer weiteren Kontrolle am 6. November 1992 ein Ausländer ungenehmigt beschäftigt angetroffen worden. In beiden Fällen sei Anzeige erstattet worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach dem gesamten Inhalt der Beschwerde erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erhebt zunächst unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 91/09/0209 und Zl. 91/09/0169 den Vorwurf, der mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe (vom 17. November 1992) erfülle nicht die Mindesterfordernisse des § 18 Abs. 4 AVG, weil die der beschwerdeführenden Partei zugestellte Ausfertigung der Erledigung keine Beisetzung des Namens des Genehmigenden enthalte.

Dieses Vorbringen steht im Widerspruch zur Aktenlage. Der bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegende Bescheidnachdruck des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. November 1992, welcher mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde, enthält als Beisetzung den Namen der genehmigenden Organwalterin "H".

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 3 Z. 12 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

§ 4 Abs. 3 AuslBG zählt weitere Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf. So darf gemäß § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG die Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht trotz Ablehnung eines Antrages oder ohne einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht zu haben, wiederholt Ausländer beschäftigt hat.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Novelle Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

    a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

    b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

    c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

    d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

    4 die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit

    Abs. 4 gegeben sind."

    Im Beschwerdefall erübrigen sich weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der beschwerdeführenden Partei im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG: die belangte Behörde zitiert diese Bestimmung zwar im Spruch, geht aber in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit keinem Wort darauf ein. Die belangte Behörde hat sich dazu offenbar deshalb nicht veranlaßt gesehen, weil ihrer Auffassung nach bereits das Nichtvorliegen der im § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG normierten Tatbestandsvoraussetzung der beantragten Beschäftigungsbewilligung entgegensteht. Die bloße Zitierung des § 4 Abs. 6 AuslBG im Spruch des angefochtenen Bescheides reicht auch nicht aus, die Annahme zu begründen, darin läge ein Verweis auf den von der Behörde erster Instanz herangezogenen Tatbestand (einschließlich ihrer Begründung). Es ist daher im Beschwerdefall ausschließlich zu prüfen, ob die Versagung auf § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG gestützt werden konnte oder nicht.

    Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß dem § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Im besonderen ist bei der Aufnahme von Beweisen den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

    Der Versagungsgrund der Z. 12 des § 4 Abs. 3 AuslBG für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung - trotz Ablehnung eines Antrages oder ohne einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht zu haben - wiederholt Ausländer beschäftigt hat.

    Der gegenständliche Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den türkischen Staatsbürger G stammt vom 7. Februar 1992 (beim Arbeitsamt Bekleidung-Druck-Papier am 11. Februar 1992 eingelangt). Der (der beschwerdeführenden Partei ERSTMALS im angefochtenen Bescheid vom 9. März 1993 vorgehaltene) Vorwurf der bewilligungslos erfolgten Beschäftigung von drei bzw. einem Ausländer bezieht sich auf einen bestimmten Tag im September bzw. November 1992 (im angefochtenen Bescheid ist vom 23. September und 6. November 1992 die Rede; nach dem Inhalt eines im Verwaltungsakt befindlichen EDV-Ausdruckes haben die Kontrollen im Betrieb der beschwerdeführenden Partei am 15. September und 5. November 1992 stattgefunden).

    Voraussetzung für eine rechtmäßige Entscheidung ist, daß der von der Behörde festgestellte Sachverhalt in einem den Anforderungen des AVG entsprechenden Ermittlungsverfahren gewonnen wurde. Wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervorgeht, sind diese Sachverhaltsannahmen der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden, wodurch das Recht auf Parteiengehör nicht gewährt und somit ein fundamentaler Grundsatz jedes geordneten Verwaltungsverfahrens verletzt wurde. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Auffassung, die Tatsache der ungenehmigten Beschäftigung von Ausländern stelle ein Faktum dar, das einer Erörterung im Wege des Parteiengehörs nicht bedürfe.

    Nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG ("... während der letzten zwölf Monate VOR DER ANTRAGSEINBRINGUNG ...") könnte der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt (unerlaubte Beschäftigung von Ausländern an zwei verschiedenen Tagen NACH der Antragseinbringung) diesem Versagungsgrund ohnedies nicht unterstellt werden. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid (ungeachtet der aufgezeigten Verfahrensmängel) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren, von denen nur S 360,-- (Eingabengebühr) + S 30,-- (für eine notwendige Beilage) zuzusprechen waren.

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