Normen
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs9;
AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
ASVG §5 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs9;
AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
ASVG §5 Abs2;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 22.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezog unter anderem in der Zeit vom 1. Juni 1991 bis 10. Juni 1991 Arbeitslosengeld und vom 9. Juli 1991 bis 30. April 1992 Notstandshilfe.
Am 6. Mai 1992 langte beim Arbeitsamt Angestellte (Wien) ein Bericht der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 2. Mai 1992 ein, wonach der Beschwerdeführer anläßlich einer polizeilichen Kontrolle angegeben habe, Inhaber eines Unternehmens in Brünn, nämlich der T. GmbH zu sein. Nach einer mit 14. April 1992 datierten Gehaltsbestätigung der T. GmbH sei der Beschwerdeführer in der Gesellschaft seit 1. Juni 1991 als Geschäftsführer tätig und beziehe ein monatliches Gehalt von S 35.000,--.
Daraufhin wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste (Wien) vom 25. Mai 1992 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Juni bis 10. Juni 1991 widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Betrag von S 3.748,-- verpflichtet. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag wurde vom genannten Arbeitsamt gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 9. Juli 1991 bis 30. April 1992 widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Betrag von S 108.189,-- verpflichtet. Begründet wurden die beiden Bescheide damit, daß der Beschwerdeführer am 1. Juni 1991 ein Dienstverhältnis aufgenommen, jedoch in den angeführten Zeiträumen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe.
In der gegen diese beiden Bescheide erhobenen Berufung vom 10. Juli 1992 wandte der Beschwerdeführer ein, es sei zwar richtig, daß er die T. GmbH gegründet habe; aufgrund der damaligen und jetzigen wirtschaftlichen Situation in der CSFR habe er jedoch bis zum heutigen Tag keinen einzigen Schilling erwirtschaften können; dies werde sicherlich auch noch bis zum Jahresende 1992 so bleiben.
In einer niederschriftlichen Vernehmung vor der belangten Behörde vom 10. August 1992 gab er an, daß er am 23. Juli 1991 die T. GmbH in der Hoffnung gegründet habe, damit einen Gewinn zu erzielen. Weil die Entstaatlichung der Betriebe in der CSFR jedoch bis jetzt nicht funktioniere, sei es unmöglich, mit dem Unternehmen Gewinn zu erzielen. Die vorliegende Gehaltsbestätigung vom 14. April 1992 habe er sich selbst ausgestellt, um damit von einer Bank einen Kredit zu erhalten, um sich eine Wohnung finanzieren zu können. Die Bestätigung sei jedoch von der Bank nicht anerkannt worden. Richtig sei, daß er einmal, und zwar am 4. Juni 1992, in der CSFR gewesen sei, jedoch nicht geschäftlich.
Mit Bescheid vom 31. Juli 1992 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien) dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des "Arbeitslosengeldes" (gemeint wohl: der Notstandshilfe) vom 9. Juli 1992 gemäß § 7 Z. 1 in Verbindung mit § 12 AlVG keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer selbständig erwerbstätig sei. Seine Angabe (in einer niederschriftlichen Vernehmung vor der erstinstanzlichen Behörde vom 23. Juli 1992), keine Tätigkeit für die T. GmbH auszuüben und kein Einkommen aus dieser Tätigkeit zu beziehen, müsse als Schutzbehauptung gewertet werden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung, er beziehe aus der T. Gmbh ein Einkommen. Seine Angaben stellten keine Schutzbehauptungen dar. Im übrigen verweise er auf seine Ausführungen in der Berufung gegen die Bescheide der erstinstanzlichen Behörde vom 25. Mai 1992.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die beiden Bescheide der erstinstanzlichen Behörde vom 25. Mai 1992 keine Folge und bestätigte diese Bescheide. In der Bescheidbegründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, es erscheine bei Würdigung des Sachverhaltes die Echtheit der vorliegenden Gehaltsbestätigung, wonach der Beschwerdeführer seit 1. Juni 1991 als Geschäftsführer der T. GmbH tätig sei, zweifelhaft. Fest stehe jedoch, daß er jedenfalls seit 23. Juli 1991 als Inhaber der T. GmbH registriert sei. Daraus sei zu schließen, daß er seine Tätigkeit für die T. GmbH bereits früher aufgenommen habe, weil erfahrungsgemäß vielfältige Behördenwege zu erledigen seien, bis die Eintragung einer Firma ins Betriebsregister erfolge. Die Häufigkeit der diesbezüglichen Aufenthalte des Beschwerdeführers in der CSFR lasse sich aufgrund des verlorenen Reisepasses nicht mehr nachweisen. Ebenfalls nicht überprüfbar seien seine Angaben betreffend des aus der T. GmbH erzielten Einkommens, weil der Beschwerdeführer laut seiner Aussage bei keinem Finanzamt veranlagt sei. Im Hinblick auf diese Ausführungen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer jedenfalls ab 1. Juni "1992" (gemeint: 1991) seine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen habe und ab diesem Zeitpunkt durch die Tätigkeit für diese Gesellschaft derart in Anspruch genommen worden sei, daß er dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Deshalb sei das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis 10. Juni 1991 und die Notstandshilfe für die Zeit vom 9. Juli 1991 bis 30. April 1992 zu widerrufen gewesen. Da der Beschwerdeführer seine selbständige Erwerbstätigkeit dem Arbeitsamt nicht gemeldet habe, sei die für die genannten Zeiträume nicht gebührende Leistung zurückzufordern gewesen.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 31. Juli 1992 keine Folge und bestätigte auch diesen Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, es stehe aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen fest, daß der Beschwerdeführer Inhaber der T. GmbH sei. Eine Überprüfung seiner Angaben, daß er aus der selbständigen Erwerbstätigkeit kein Einkommen erziele, sei im Hinblick auf den Firmensitz im Ausland sowie die nicht durchgeführte Veranlagung des Beschwerdeführers beim Finanzamt nicht möglich. Die belangte Behörde sei jedoch nach Würdigung des Sachverhaltes zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Stellung als Inhaber einer Firma mit Sitz im Ausland Tätigkeiten in einem Umfang entfalte, der verhindere, daß er dem österreichischen Arbeitsmarkt in ausreichendem Maß für die Vermittlung zur Verfügung stehe. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Interpretation hätten auch aus den Eintragungen des Facharbeitsamtes nicht gewonnen werden können. Vom Beschwerdeführer sei auch nicht dargelegt worden, wie sich die Ausübung einer vom Arbeitsamt vermittelten Beschäftigung mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit vereinbaren lasse. Es sei daher unabhängig vom erzielten Einkommen davon auszugehen, daß aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten Arbeitswilligkeit im Sinne des Gesetzes nicht vorliege. Der Berufung habe daher keine Folge gegeben werden können.
Gegen den erstgenannten Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 93/08/0024, gegen den zweitgenannten Bescheid die zur hg. Zl. 93/08/0029 protokollierte Beschwerde. Darin stellt der Beschwerdeführer in Abrede, daß er deshalb, weil er Inhaber der T. GmbH sei, arbeitsunwillig sei. Vielmehr stehe er grundsätzlich der Vermittlung durch das Arbeitsamt zur Verfügung; auch würde er von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch machen. Es sei auch unzutreffend, daß er einer Tätigkeit in der CSFR nachgehe. Er habe lediglich einen einzigen Tag in Brünn verbracht und die T. GmbH habe "keinerlei Geschäftstätigkeit wie auch immer aufgenommen".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist (§ 7 Z. 1 leg. cit.).
§ 12 AlVG lautet auszugsweise:
"(1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
...
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
- a) wer in einem Dienstverhältnis steht;
- b) wer selbständig erwerbstätig ist;
...
(6) Als arbeitslos gilt jedoch,
a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt bezieht, daß die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt, ...
b) wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert 54.000,-- S nicht übersteigt;
c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus ein nach Maßgabe des Abs. 9 festgestelltes Einkommen erzielt, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;
..."
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG gilt ein auf andere Art (nämlich nicht in der in § 12 Abs. 6 lit. b AlVG genannten Art) selbständig Erwerbstätiger auch dann als arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, wenn er aus einer solchen selbständigen Erwerbstätigkeit nur ein nach § 12 Abs. 9 AlVG zu ermittelndes Einkommen erzielt, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG (bzw. des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit die Dauer eines Monates übersteigt: vgl. das Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0265) nicht übersteigt. Da die belangte Behörde (im Rahmen der ihr obliegenden amtswegigen Ermittlungspflicht nach den §§ 37, 39 Abs. 2 AVG) nicht festgestellt hat, daß der Beschwerdeführer aus der von der belangten Behörde angenommenen selbständigen Erwerbstätigkeit in den maßgeblichen Zeiträumen ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen erzielt hat, ist (mangels eines anderen die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG ausschließenden Tatbestandes) - wie offensichtlich auch die belangte Behörde selbst - davon auszugehen, daß er in den maßgeblichen Zeiträumen im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG als arbeitslos galt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 87/08/0294).
Die belangte Behörde hat aber in der Begründung der beiden angefochtenen Bescheide aus der von ihr angenommenen selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ab 1. Juni 1991 den Schluß gezogen, daß er deshalb ab diesem Zeitpunkt so in Anspruch genommen worden sei, daß er dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden sei und es ihm deshalb an der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitswilligkeit gefehlt habe.
Dabei hat die belangte Behörde aber übersehen, daß gemäß § 9 Abs. 1 AlVG die Arbeitswilligkeit nur von der subjektiven Bereitschaft des Leistungswerbers, eine durch das Arbeitsamt vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen, abhängt, nicht aber davon, ob der Betreffende angesichts seiner während der Arbeitslosigkeit ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit eine weitere Arbeit annehmen könnte oder ob er gezwungen wäre, im Falle der Arbeitsvermittlung oder des Vorliegens einer anderen Arbeitsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 AlVG diese Tätigkeit einzustellen (vgl. auch dazu das schon genannte Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 87/08/0294).
Da die belangte Behörde, ausgehend von der eben genannten unrichtigen Rechtsauffassung, keine Feststellungen über das Vorliegen der subjektiven Arbeitsunwilligkeit des Beschwerdeführers in den maßgeblichen Zeiträumen getroffen hat (und auch die - wenn auch in den relevanten Zeiträumen nur allenfalls teilweise - Erfüllung des Ruhenstatbestandes des § 16 Abs. 1 lit. g AlVG nicht feststeht), waren die beiden angefochtenen Bescheide, und zwar wegen Klarstellung der Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß der Beschwerdeführer im Rahmen der ihm gewährten Verfahrenshilfe von der einstweiligen Entrichtung der Stempelgebühren befreit wurde.
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