VwGH 93/01/0801

VwGH93/01/080124.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1993, Zl. 4.284.870/9-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und des der Beschwerde in einer Ausfertigung angeschlossenen angefochtenen Bescheides ist von folgendem auszugehen:

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, reiste am 1. August 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den Antrag, ihr Asyl zu gewähren. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich hat mit Bescheid vom 15. Jänner 1992 festgestellt, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (BGBl. Nr. 126/1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe die Beschwerdeführerin bei der Ersteinvernahme angegeben, daß sie nach der Ausreise ihres Gatten im September 1988 zur Securitate vorgeladen und über seinen Aufenthalt befragt worden sei. Seit März 1990 habe sich die Situation der ungarischen Volksgruppe in Rumänien wesentlich verschlechtert. Ihre Arbeitskolleginnen hätten sie beschimpft und verspottet. Mehrmals seien sie zu Hause von Polizeibeamten aufgesucht worden, wobei Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien und die anwesenden Personen sich ausweisen hätten müssen. Da die Lage ihrer Volksgruppe nach der Revolution unerträglich geworden sei und sie jede Hoffnung auf eine Rückkehr ihres Gatten aufgegeben habe, sei sie ihrem Mann nach Österreich gefolgt.

Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde mit der Begründung abgewiesen, daß die Beschwerdeführerin keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Nachteile, die sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit zu tragen hätte, stellten keine Umstände dar, die unter das Asylgesetz fallen würden. Vorladungen sowie Hausdurchsuchungen und Befragungen seien keine im Sinne des Asylgesetzes relevanten Verfolgungshandlungen. Ebenso würden die bei der Erstbefragung ins Treffen geführten privaten Gründe und auch die Lage ihrer Volksgruppe eine Asylgewährung nicht rechtfertigen. Die in der Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Jänner 1992 vorgetragenen neuen Sachverhaltselemente, die die Beschwerdeführerin in erster Instanz nicht geltend gemacht habe, könnten nicht berücksichtigt werden, weil gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Bundesminister für Inneres grundsätzlich vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen habe, es sei denn, dieses Ermittlungsverfahren sei offenkundig mangelhaft oder wenn der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich gewesen waren oder sich der der Entscheidung erster Instanz zugrunde liegende Sachverhalt in der Zwischenzeit geändert hätte. Keiner dieser drei Fälle läge im vorliegenden Fall vor, insbesondere bezögen sich die neuen Angaben auf Ereignisse vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und könne das Ermittlungsverfahren der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich nicht als mangelhaft bezeichnet werden. Es sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben worden, im Rahmen ihrer Parteienvernehmung unter Beiziehung eines Dolmetschers sämtliche Gründe vorzutragen. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Neuerungen seien sohin unbeachtlich. In dem Umstand, daß keine zweite Einvernahme der Beschwerdeführerin erfolgt sei, könne kein Verfahrensmangel gesehen werden, da sie die Richtigkeit und vor allem auch die Vollständigkeit ihrer Angaben bei der Ersteinvernahme mit ihrer eigenen Unterschrift bestätigt habe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung des Asyls in Österreich sowie in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick darauf, daß das Verfahren vor der belangten Behörde am 1. Juni 1992 anhängig war, war gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden.

Gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Beschwerdeführerin macht zunächst als Verfahrensmangel geltend, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, sich von der derzeitigen politischen Situation, insbesondere der Situation der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen, zu informieren. In diesem Zusammenhang genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der Ermittlungen der Behörde über die allgemeinen Verhältnisse im Heimatland nicht geboten sind, da allgemeine Verhältnisse in einem Heimatstaat für sich allein nicht ausreichen, wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu begründen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0894 und vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0859).

Sofern sich die Beschwerdeführerin in der Beschwerde insbesondere darauf beruft, daß von der belangten Behörde nicht richtig beurteilt worden sei, daß sie seit der Flucht ihres Mannes in den Westen im Jahre 1988 unter ständiger Beobachtung der Securitate gestanden sei, über den Aufenthaltsort ihres Mannes befragt und Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien, ist der Beschwerdeführerin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, nach der Verhöre und Befragungen (wenn sie ohne weitere Folgen bleiben; vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1987, Zl. 86/01/0024, 0025, vom 19. April 1987, Zl. 85/01/0008 und vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0819) und Hausdurchsuchungen allein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1123 u.a.) keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (übereinstimmend mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) darstellen. Auch in bezug auf Beobachtungen durch Angehörige der Securitate hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß derartige Maßnahmen nicht jene Intensität erreichen, daß von einer Verfolgung im Sinne der Konvention gesprochen werden könnte, die eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes voraussetzt (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146, vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0192 und vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0202).

Sofern die Beschwerdeführerin geltend macht, daß sie den Arbeitsplatz wegen der Flucht ihres Mannes verloren habe und keine Besuche aus dem Ausland habe empfangen dürfen, handelt es sich um ein Vorbringen, das die Beschwerdeführerin - auch in der Beschwerde wird dies nicht bestitten - erst in der Berufung geltend gemacht hat. Dies gilt auch für das in der Beschwerde vorgetragene Argument, daß ihr Mann in der ungarischen Volksgruppe sehr exponiert gewesen sei, insbesondere weil er nach einem mißlungenen Fluchtversuch zu mehrmonatiger Strafarbeit verurteilt worden sei. Wie die belangte Behörde bereits in ihrem Bescheid ausgeführt hat, hat der Bundesminister für Inneres gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 seiner Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Eine Ergänzung oder eine Wiederholung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ist geboten, wenn das Ermittlungsverfahren erster Instanz offenkundig mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Die Beschwerdeführerin behauptet selbst nicht, daß einer dieser Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 im vorliegenden Verwaltungsverfahren vorgelegen sei. Auch aus den Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens vorliegt. Das Berufungsvorbringen, soweit es vom erstinstanzlichen Verfahren abwich, konnte daher nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde sein.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten in Rumänien, insbesondere bestimmte Strafverfahren, anführt, ist festzustellen, daß gemäß § 20 Asylgesetz 1991 die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministers für Inneres (im vorliegenden Fall also am 30. Juni 1993, dem Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides) maßgeblich ist. Im übrigen handelt es sich dabei um neues Vorbringen, das im Hinblick auf das vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot nicht beachtlich ist. Die angeführten Ereignisse stellen auch keine konkreten, gegen die Beschwerdeführerin gerichteten oder ihr drohenden Maßnahmen dar, was eine unerläßliche Voraussetzung wäre, um Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 überhaupt annehmen zu können (vgl. das hg. Erkenntnisse vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0287-0291).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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