Normen
AsylG 1991 §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen vier Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 13. August 1992 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. August 1990 bzw. vom 24. September 1990, mit denen festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführer - ein Ehepaar und ihre Kinder bulgarischer Staatsangehörigkeit, jedoch türkischer Nationalität - nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes seien, abgewiesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, in Ansehung des jeweils sie betreffenden Bescheides vom Erstbeschwerdeführer (zur hg. Zl. 92/01/0919), von der Zweitbeschwerdeführerin (zur hg. Zl. 92/01/0920), von der Drittbeschwerdeführerin (zur hg. Zl. 92/01/0921) und von der Viertbeschwerdeführerin (zur hg. Zl. 92/01/0922) erhobenen Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Verbindung dieser Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber erwogen:
Die belangte Behörde hat in der Begründung der den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheide gleichlautend - ohne sich mit ihren im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Fluchtgründen im einzelnen auseinanderzusetzen - die Auffassung vertreten, sie hätten im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie AUCH IN HINKUNFT Verfolgungen zu befürchten hätten. Infolge der politischen Veränderungen in ihrem Heimatland in den letzten zwei bis drei Jahren habe sich die Situation der türkischen Minderheit dahingehend verbessert, daß Verfolgungen im Sinne der Genfer Konvention nicht mehr zu erwarten seien. So sei nunmehr der Gebrauch der türkischen Sprache, der Besuch von Moscheen sowie die Beschneidung in Spitälern ungestört möglich. Seit den Wahlen im Oktober 1991 seien auch Vertreter der türkischen Minderheit im bulgarischen Parlament vertreten. In diesem Sinne enthält auch die Begründung der sich auf die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin beziehenden Bescheide jeweils im wesentlichen nur den Passus, daß nicht angenommen werden könne, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlandes befänden, weil auf Grund der (in diesen beiden Fällen gar nicht näher dargestellten) politischen Veränderungen in ihrem Heimatland nicht davon ausgegangen werden könne, daß sie oder ihre Eltern Verfolgungen zu befürchten hätten.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen diese Begründung übereinstimmend in erster Linie mit ihrer Auffassung, daß es bei Beurteilung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht darauf ankomme, ob eine Verfolgungsgefahr auf ihrer Seite auch noch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegeben sei. Ihrer Meinung nach sei hiefür ausschließlich der Zeitpunkt des Verlassens ihres Heimatlandes bzw. der Einreise nach Österreich - für welchen Zeitpunkt die belangte Behörde mangels gegenteiliger Ausführungen in den Bescheidbegründungen konkludent eine derartige Verfolgungsgefahr nicht in Abrede gestellt habe - maßgebend. Ihnen ist insbesondere die Bestimmung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 entgegenzuhalten, wonach einen der Fälle, in denen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz (dessen Ergebnis gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung grundsätzlich zugrunde zu legen hat) anzuordnen ist, der Umstand darstellt, daß sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Schon daraus folgt, daß für die Beurteilung des Vorliegens wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht der Zeitpunkt der Flucht entscheidend ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0901, 0902). Vielmehr ist diesbezüglich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auf die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung abzustellen (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A).
Die Beschwerdeführer bestreiten aber auch konkret eine Änderung der Verhältnisse in ihrem Heimatland, die die von ihnen behauptete, staatlichen Behörden ihres Heimatlandes zuzurechnende Verfolgung aus ethnischen und religiösen Gründen nunmehr ausschließen würde. Damit zeigen sie hinreichend die Wesentlichkeit der von ihnen gerügten und auch tatsächlich vorliegenden Verfahrensmängel auf. Diese bestehen sowohl darin, daß die angefochtenen Bescheide jegliche Begründung darüber vermissen lassen, worauf sich die von der belangten Behörde (soweit überhaupt) getroffenen Tatsachenfeststellungen (über die zwischenzeitige Änderung der maßgeblichen Verhältnisse in Bulgarien) stützen, als auch darin, daß die belangte Behörde ihrer Verpflichtung, den Beschwerdeführern dazu das rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht nachgekommen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0595 und Zl. 92/01/0596).
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerden jeweils nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und für jede Ausfertigung, unabhängig von der Anzahl ihrer Bögen, lediglich S 120,-- zu entrichten waren.
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