VwGH 91/08/0109

VwGH91/08/01099.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Degischer, Dr. Knell und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 24. Juni 1991, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §56 Abs3;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AlVG 1977 §56 Abs3;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. April 1991 stellte das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien fest, daß dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld ab 10. Oktober 1987 gemäß den §§ 19 Abs. 1 und 2, 20 Abs. 1 und 21 Abs. 1 AlVG in der ab 1. Juli 1987 geltenden Fassung (der Novelle BGBl. Nr. 290/1987) in der Höhe von täglich S 275,50 gebühre.

Über die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung erging der angefochtene Bescheid, dessen dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung auf der ersten Seite links oben die Bezeichnung: "Landesarbeitsamt Wien,

Gruppe IV-Leistungsangelegenheiten" trägt und dessen Spruch lautet:

"Über Ihre Berufung vom 10.5.91 gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 25.4.91, mit welchem festgestellt wurde, daß Ihnen das Arbeitslosengeld ab 10.10.87 gemäß den §§ 19, 20 und 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) in der ab 1.7.87 geltenden Fassung in der Höhe von S 275,50 täglich gebührt, hat das Landesarbeitsamt Wien mit Beschluß entschieden:

Ihrer Berufung wird KEINE FOLGE gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt."

Gefertigt ist der angefochtene Bescheid "Für den Leiter" von einem Abteilungsleiter des Landesarbeitsamtes Wien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde, nach der er sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen sich aus den §§ 19 ff AlVG ergebenden Rechten auf Bemessung des Arbeitslosengeldes in gesetzmäßiger Höhe als verletzt erachtet. Als Beschwerdegrund macht er inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

In einer Stellungnahme zur Gegenschrift wandte der Beschwerdeführer ein, es gehe aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, daß das Landesarbeitsamt Wien die Entscheidung in einem Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses (§ 56 Abs. 3 AlVG) getroffen habe. Es werde daher ergänzend eingewendet, daß die belangte Behörde nicht durch das im Gesetz vorgesehene Organ entschieden habe und daher das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 61/1983, ist gegen Bescheide des Arbeitsamtes in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes die Berufung an das Landesarbeitsamt zulässig. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsamtes ist eine weitere Berufung unzulässig. Nach § 56 Abs. 3 leg. cit. trifft das Landesarbeitsamt die Entscheidung in einem Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses. Demnach ist zur Entscheidung über die in § 56 Abs. 1 AlVG genannten Rechtsmittel nicht das Landesarbeitsamt als monokratische Behörde zuständig; § 56 Abs. 3 AlVG überantwortet vielmehr diese Entscheidung "einem Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses".

Die zuletzt genannte Bestimmung wurde zwar mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, G 295/90 und Folgezahlen, mit Ablauf des 31. Mai 1992 als verfassungswidrig aufgehoben; sie ist aber gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG im Beschwerdefall, der kein Anlaßfall ist, mangels eines anders lautenden Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis - ungeachtet der festgestellten Verfassungswidrigkeit - weiterhin anzuwenden.

Nach den gemäß Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG auch auf das Verfahren der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter anzuwendenden Bestimmungen des § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG muß jede schriftliche Ausfertigung eines Bescheides unter anderem die Bezeichnung der Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, enthalten. Ist diese Behörde eine Kollegialbehörde, so ist diesem Erfordernis auch dann durch ihre Bezeichnung (nicht auch durch die Anführung der Mitglieder der Kollegialbehörde: vgl. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018) im Bescheid (nicht notwendigerweise im Spruch: vgl. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 91/08/0065) Rechnung zu tragen, wenn der auf einem Beschluß der Kollegialbehörde beruhende Bescheid durch eine andere Behörde mitgeteilt (intimiert) wird. Fehlt im Bescheid jeder Hinweis darauf, daß er auf einem Beschluß eines Kollegialorgans beruht, so ist die Frage der Zurechnung dieses Bescheides nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf der Grundlage des äußeren Tatbestandes zu beantworten (vgl. die Erkenntnisse vom 3. November 1947, Slg. Nr. 189/A, vom 11. März 1983, Slg. Nr. 5767/F, und vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0009, sowie die Beschlüsse vom 16. September 1968, Slg. Nr. 7399/A, und vom 24. April 1986, Slg. Nr. 6115/F).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist der angefochtene Bescheid (ungeachtet des Umstandes, daß er nach der Aktenlage auf einem Beschluß des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsaussschusses beruhte) dem Landesarbeitsamt Wien als monokratischer Behörde zuzurechnen, weil er weder im Kopf noch im Spruch noch in der Fertigungsklausel einen eindeutigen Hinweis darauf enthält, daß er sich auf einen Beschluß dieser Kollegialbehörde gründet; die bloße Wendung "hat das Landesarbeitsamt mit Beschluß entschieden" läßt zwar die Vermutung zu, daß der angefochtene Bescheid auf dem Beschluß eines Kollegialorgans (unklar welches) beruhe, vermag aber angesichts des Fehlens der Bezeichnung dieses Organs auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 56 Abs. 3 AlVG keine andere Lösung der Zurechnungsfrage zu rechtfertigen, weil es nicht genügt, daß die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, in Korrektur des äußeren Anscheins des angefochtenen Bescheides aus dem rechtlichen Zusammenhang erschlossen werden kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0009).

Ist aber demnach der angefochtene Bescheid dem Landesarbeitsamt Wien als monokratischer Behörde zuzurechnen, so ist er mangels einer Zuständigkeit dieser Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 25. April 1991 mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG behaftet (vgl. den Beschluß vom 24. April 1986, Slg. Nr. 6115/F), die trotz des vom Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhobenen diesbezüglichen Einwandes wegen der dem Verwaltungsgerichtshof nach § 41 VwGG grundsätzlich obliegenden Verpflichtung zur amtswegigen Wahrnehmung dieser Rechtswidrigkeit (vgl. die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16. März 1977, Slg. Nr. 9274/A, und vom 2. Juli 1980, Slg. Nr. 10.192/A) die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG nach sich zieht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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