VwGH 92/10/0184

VwGH92/10/018421.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. Juli 1992, Zl. 14/79-3/1992, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
LMG 1975 §74 Abs5 Z1;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §3 Z9 lita;
LMKV §4 Abs1 Z1 litc;
LMKV §4 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;
AVG §52;
LMG 1975 §74 Abs5 Z1;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §3 Z9 lita;
LMKV §4 Abs1 Z1 litc;
LMKV §4 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 Abs. 2 VStG für den Bereich der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung verantwortlich Beauftragter der Fa. K-Ges.mbH. in P zu verantworten, daß am 2. August 1990, wie anläßlich einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 7. August 1990 bei der Filiale 1 der J-AG in E, und einer Untersuchung der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien festgestellt werden mußte, der Filiale 1 der J-AG in E verpackte Fleischerzeugnisse mit der Bezeichnung "Bergwurst" gegen Entgelt geliefert und somit gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht worden seien, obwohl bei der genannten Ware folgende Kennzeichnungselemente fehlten:

Zeitpunkt der Verpackung, unverschlüsselt nach Tag, Monat und Jahr. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (in der Folge: LMKV) in Verbindung mit § 74 Abs. 5 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge: LMG) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 74 Abs. 5 LMG eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) verhängt wurde.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz im wesentlichen vorgebracht, ihm sei das Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, MA 60, Lebensmitteluntersuchungsanstalt, vom 14. November 1991 nicht zur Kenntnis gebracht worden. Die belangte Behörde habe daraufhin dem Beschwerdeführer dieses Schreiben in Kopie übermittelt und ihm aufgetragen, binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. In seiner fristgerechten Stellungnahme habe der Beschwerdeführer die Rechtsansicht der MA 60 als unrichtig bezeichnet. Seiner Ansicht nach sei eine Wurst mit einer Haltbarkeit von über einem Monat als "Halbdauerware" zu bezeichnen, weshalb die im Beschwerdefall vorliegende Kennzeichnung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entspreche. Im übrigen habe der Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß es sich nach der Branchenauffassung bei der gegenständlichen Bergwurst um eine "Dauerware" handle und daher der erhobene Schuldvorwurf nicht berechtigt sei.

Die belangte Behörde verwies demgegenüber auf Feil, Das österreichische Lebensmittelrecht, Band 1, Ausführungen zu § 4 LMKV, wonach nur solche Waren als Dauerwaren angesehen würden, die länger als ein Jahr haltbar seien. Unter Frischware seien Waren mit einer Haltbarkeit bis zu einem Monat zu verstehen. Aus diesen beiden Definitionen ergebe sich, daß die Haltbarkeit von Halbdauerwaren in der Mitte angesiedelt werden müsse. Dabei seien branchenmäßige Abweichungen zulässig. Dem Schreiben der MA 60 (Lebensmitteluntersuchungsanstalt) vom 14. November 1991 sei zu entnehmen, daß auch bei Fleischwaren verschiedene Haltbarkeiten denkbar seien. So sei etwa bei Fleischvollkonserven eine Haltbarkeit von ca. vier Jahren, bei Fleischhalbkonserven hingegen eine bis zu sechs Monaten gegeben. Bei Fleischprodukten könne daher von einer Halbdauerware erst bei einer Haltbarkeit von mehr als drei Monaten gesprochen werden. Die Haltbarkeit der verfahrensgegenständlichen "Bergwurst" betrage hingegen lediglich ca. eineinhalb Monate. Sie unterliege daher als sonstige Ware der Kennzeichnungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b LMKV.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 LMKV sind Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen.

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 der genannten Verordnung unterliegen der Kennzeichnungspflicht verpacktes Fleisch, Fleischerzeugnisse sowie Erzeugnisse mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen, soweit der Zusatz nicht nur der Garnierung dient, wenn es sich dabei um sonstige Waren handelt (lit. c) u.a. im Umfang des § 3 Z. 9 lit. a. Nach dieser Bestimmung gehören zu den Kennzeichnungselementen der Zeitpunkt der Verpackung in unverschlüsselter Form, bestimmt nach Tag, Monat und Jahr. Diese Kennzeichnungspflicht gilt jedoch nicht für Dauerwaren (lit. a) und Halbdauerwaren (lit. b).

Nach § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG begeht unter anderem derjenige eine Verwaltungsübertretung, der den Bestimmungen der im § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG angeführten Rechtsvorschriften zuwider handelt. In § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG wird die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 angeführt.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, § 4 LMKV enthalte lediglich einen Warenkatalog und den dafür jeweils vorgesehenen Kennzeichnungsumfang. Eine Kennzeichnungspflicht sei dort nicht normiert, sondern bloß vorausgesetzt. Dem Spruch des angefochtenen Bescheides fehle daher die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei (§ 44a Z. 2 VStG). Dieser Anordnung werde nur durch die Anführung derjenigen Norm entsprochen, unter welche die nach Z. 1 umschriebene Tat zu subsumieren sei, wobei in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich seien.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, VwSlg. 11525/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen die Auffassung, daß § 44a Z. 2 VStG nur die Zitierung der Verwaltungsvorschrift verlangt, gegen die mit der Tat verstoßen wurde. Nach dem Wortlaut des § 44a VStG kommt es weder bei der Umschreibung der Tat nach Z. 1 noch bei der Zitierung der Verwaltungsvorschrift nach Z. 2 auf jene Vorschrift an, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt (vgl. auch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/18/0008). Dem Erfordernis des § 44a Z. 2 VStG wird etwa durch die Zitierung des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Z. 9 lit. a LMKV entsprochen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1982, VwSlg. 10706/A). Dem § 44a Z. 2 VStG entspricht jedoch auch die bloße Zitierung des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c LMKV, da in dieser Bestimmung sowohl die allgemeine Gebotsnorm des § 1 Abs. 1 LMKV enthalten ist als auch § 3 Z. 9 lit. a ausdrücklich angeführt wird.

Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er die Auffassung vertritt, daß "Inverkehrbringen" oder "Liefern" keine Handlungen seien, die eine Kennzeichnungspflicht nach § 1 Abs. 1 LMKV begründeten. Nach dieser Bestimmung sind verpackte Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen. Dabei kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein "Inverkehrbringen" auch durch ein "Liefern" von Lebensmitteln verwirklicht wird.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 22. Mai 1979, Zl. 2377/78, vor, daß zur Frage der Haltbarkeit von Halbdauerwaren entsprechende Feststellungen zur Branchenübung fehlten. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber die Ausdrücke Dauerware, Halbdauerware und sonstige Waren nicht selbst näher erläutert hat und es sich dabei auch nicht um Ausdrücke handle, deren Bedeutung bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch einer näheren Bestimmung zugänglich ist. Es könne daher nur angenommen werden, daß der Gesetzgeber durch die Verwendung der Worte Dauerware, Halbdauerware und sonstige Waren Bezeichnungen von Produkten übernehmen wollte, die der Übung der betreffenden Branche entstammen. Aufgabe der Behörde bei Vollziehung der betreffenden Vorschriften sei es daher, durch ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren festzustellen, was in der betreffenden Branche etwa unter Halbdauerware zu verstehen ist. Erst wenn feststeht, welche Haltbarkeitsdauer unter welchen Bedingungen nach den Usancen der betreffenden Branche eine Ware zur Halbdauerware macht, vermag die Behörde zu beurteilen, ob die in ihrem Verfahren zu prüfende Ware nach deren von der Behörde zu ermittelnden besonderen Eigenschaften den Anforderungen einer Halbdauerware entspricht. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung vertreten, daß durch Gutachten einer Lebensmitteluntersuchungsanstalt zur Bestimmung des Begriffes der Halbdauerware nach Branchenübung Aussagen getroffen werden können.

Zu dieser Problematik hat die Behörde erster Instanz eine Stellungnahme der MA 60 (Lebensmitteluntersuchungsanstalt) eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 14. November 1991 darauf hingewiesen, daß bei den Verhandlungen zur Lebensmittelkennzeichnungsverordnung die Auffassung vertreten worden sei, Fleischwaren in Vakuumverpackung nicht als Dauer- oder Halbdauerware einzustufen, sondern diese dem Deklarationsumfang für sonstige Waren zuzuordnen. Die Grenze zwischen Halbdauerwaren und sonstigen Waren liege dabei bei drei Monaten.

Der Beschwerdeführer erhielt zu diesen Ausführungen im Verfahren vor der belangte Behörde Parteiengehör. In seiner Stellungnahme dazu beschränkte sich der Beschwerdeführer im wesentlichen darauf, die Ausführungen der Lebensmitteluntersuchungsanstalt unter Hinweis auf die bei Barfuß-Pindur-Smolka, Österreichisches Lebensmittelrecht, wiedergegebene Branchenübung zu bestreiten. Danach seien bereits Waren mit einer Haltbarkeit von über einem Monat als Halbdauerwaren einzustufen.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß in der von ihm zitierten Literaturstelle ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß es sich bei den angegeben Haltbarkeitsfristen um eine bloße "schematische Orientierung" handelt und die "Grenzen in der Praxis fließend" sind (vgl. Barfuß-Pindur-Smolka, a.a.O., Erläuterungen zu § 4 LMKV, IV B 2, Seite 38/1). Wenn sich die belangte Behörde zur Beurteilung dieser Frage auf die Stellungnahme der MA 60 (Lebensmitteluntersuchungsanstalt) stützte, so kann dies im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis vom 22. Mai 1979 nicht als rechtswidrig erkannt werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Mai 1987, Zl. 87/01/0022). Dies wurde vom Beschwerdeführer jedoch unterlassen.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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