VwGH 89/18/0008

VwGH89/18/000830.1.1990

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 16. November 1988, Zl. MA 14-39/87/Str, betreffend Übertretungen des Arzneimittelgesetzes

Normen

AHG 1949;
AMG 1983 §11 Abs1;
AMG 1983 §59 Abs3;
AMG 1983 §83 Z6;
AMG 1983 §84 Z5;
B-VG Art142;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art23;
B-VG Art89;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §44a;
VStG §9;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;
AHG 1949;
AMG 1983 §11 Abs1;
AMG 1983 §59 Abs3;
AMG 1983 §83 Z6;
AMG 1983 §84 Z5;
B-VG Art142;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art23;
B-VG Art89;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §44a;
VStG §9;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien sprach mit Straferkenntnis vom 5. November 1987 aus, daß der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer bestimmten Gesellschaft mit beschränkter Haftung dafür verantwortlich sei, daß diese Gesellschaft an zwei bestimmten Orten in Wien am 17. Juni 1987 bestimmte Arzneispezialitäten zur Abgabe bereitgehalten habe, und zwar 1) ohne Zulassung dieser Arzneispezialitäten durch das Bundeskanzleramt, obwohl die Spezialitäten gemäß § 11 des Arzneimittelgesetzes (AMG) der Zulassung unterlägen, und 2) im Kleinverkauf, obwohl die Gesellschaft keine Apothekerbefugnis besessen habe. Dadurch habe er folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1) § 84 Z. 5 in Verbindung mit § 11 und zu 2) § 83 Z. 6 in Verbindung mit § 59 des Arzneimittelgesetzes (AMG), jeweils in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950. Sodann folgte der Ausspruch über die verhängten Strafen und die angewendeten Gesetzesbestimmungen, ferner die Entscheidung über die Kosten.

Über die Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis entschied der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 16. November 1988 dahin, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis, ausgenommen in bezug auf eine bestimmte Arzneispezialität, in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Kostenersatz bestätigt wurde; im übrigen wurden die Geld- und die Ersatzarreststrafen in bestimmter Weise herabgesetzt. Hinsichtlich einer bestimmten Arzneispezialität wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Des weiteren habe bei den übertretenen Normen die Zitierung des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zu entfallen. Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer nicht auferlegt.

In der Begründung des Berufungsbescheides heißt es unter anderem, die Weglassung der Zitierung des § 9 Abs. 1 VStG 1950 sei deshalb erfolgt, weil diese Gesetzesstelle nicht als übertretene Norm anzusehen sei.

Ferner wird der Berufungsbescheid damit begründet, daß die Berufungsbehörde sich eine eigene Meinung bezüglich der Frage zu bilden habe, ob ein Produkt als Verzehrprodukt bzw. diätetisches Lebensmittel oder als Arzneimittel einzustufen sei, ungeachtet des Umstandes, daß ein eine solche Anmeldung zurückweisender Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden sei. Nach Ansicht der Berufungsbehörde handle es sich bei allen Produkten (mit Ausnahme eines hier nicht gegenständlichen) um Arzneispezialitäten. Die Meinung der Berufungsbehörde stütze sich auf das Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 15. Der Wirkstoff unter anderem des Produktes "X" sei Crataegus. In der medizinischen Fachliteratur seien folgende Indikationen angeführt: Altersherz, Belastungsherz, Herz des Hypertonikers, leichte Grade der Herzschwäche und Insuffizienz der Herzkranzgefäße. Somit ergebe sich auch in diesem Fall eine eindeutige Beurteilung als Arzneimittel. Die Zubereitungen auch dieses Produktes seien auch in diesem Fall im voraus in gleicher Zusammensetzung hergestellt, so daß es sich ebenfalls um Arzneispezialitäten handle. Bei allen genannten Arzneispezialitäten liege aber eine Zulassung der Produkte nach dem Arzneimittelgesetz nicht vor. Auf die Einvernahme der vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen habe verzichtet werden können, da diese Zeugen keine ärztlichen Sachverständigen seien und nur die Meinung solcher Sachverständigen geeignet gewesen wäre, ein dem Gutachten des Amtssachverständigen widersprechendes Gutachten abzugeben und dadurch allenfalls zu einer anderen Entscheidung der Berufungsbehörde zu führen. Hinsichtlich des Begriffes des Arzneimittels berief sich die Berufungsbehörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1984, Zl. 84/10/0061. Es folgen Erwägungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen "formalrechtlicher" Rechtswidrigkeit. Obwohl ein umfassender Beschwerdeantrag vorliegt, ergibt sich aus der Wiedergabe des Sachverhaltes, aus der Bezeichnung der Beschwerdepunkte und aus der Begründung der Beschwerde, daß allein die Bestrafung hinsichtlich des Produktes "X" vom Beschwerdeführer bekämpft wird. Die Frage, ob § 9 VStG 1950 notwendigerweise in dem dem § 44a lit. b VStG 1950 entsprechenden Spruchteil zu zitieren sei oder nicht, wird in der Beschwerde nicht aufgeworfen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Obwohl über die Frage, ob § 9 VStG 1950 notwendiger Spruchbestandteil im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 sei, in der Beschwerde nichts ausgeführt wurde, mußte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dieser, von der Berufungsbehörde erstmals aufgeworfenen, Frage beschäftigen, weil eine für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit im Rahmen des Beschwerdepunktes maßgebende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vom Verwaltungsgerichtshof auch dann aufzugreifen ist, wenn sie vom Beschwerdeführer weder ausdrücklich noch nach dem Inhalt der Beschwerde geltend gemacht wurde (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11525/A).

Die Rechtsfrage der notwendigen oder nicht notwendigen Anführung des § 9 VStG 1950 in dem dem § 44a lit. b VStG 1950 entsprechenden Spruchteil wird in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet:

Das Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Zl. 10/2883/80, sagt zur Begründung der Aufhebung des dort angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, schließlich lasse sich aus dem Spruch des von der Berufungsbehörde vollinhaltlich bestätigten Straferkenntnisses auch nicht entnehmen, auf Grund welchen Sachverhaltes und auf Grund welcher Verwaltungs(straf)vorschrift der Beschwerdeführer als "Verantwortlicher" der genannten Kommanditgesellschaft anzusehen gewesen sei. Die von der belangten Behörde durch Bestätigung dieses Spruches übernommene Subsumtion der Tat unter die angewendete Verwaltungs(straf)vorschrift (§ 44a lit. b VStG 1950) widerspreche daher dem Gesetz.

Auf dieses Erkenntnis berief sich das Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Zl. 82/10/0090, in dem es ausführte, der Spruch (ergänze: des diesbezüglich bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses) lasse entgegen § 44a lit. a VStG 1950 eine Bezeichnung jener Merkmale vermissen, auf Grund deren der Beschwerdeführer die Verantwortung für den Verkauf der in Rede stehenden Ware zu tragen gehabt habe. Die Bezeichnung der Person des Beschwerdeführers als handelsrechtlich Verantwortlicher der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bringe nicht zum Ausdruck, aus welcher Stellung des Beschwerdeführers zur Gesellschaft sich dessen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG 1950 - dessen Zitierung entgegen der Vorschrift des § 44a lit. b leg. cit. unterblieben sei - ergebe.

Schließlich führte das Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Zl. 82/10/0101 zur Begründung der Aufhebung des dort angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes unter anderem aus, der Tatumschreibung sei schließlich auch zu entnehmen, daß und auf Grund welchen Sachverhaltes der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Sinne des § 9 VStG 1950 zur Verantwortung gezogen worden sei, die Anführung der angewendeten Vorschrift sei allerdings auch hier unterblieben. Bemerkt werde, daß die Zitierung des § 9 VStG 1950 als jene Bestimmung, nach der (unter anderem) die Strafe verhängt worden sei (§ 44a lit. c VStG 1950), zwar objektiv rechtswidrig gewesen sei, der Beschwerdeführer dadurch aber nicht in seinen Rechten verletzt worden sei.

Diese drei Erkenntnisse vertreten somit die Ansicht, notwendiger Spruchbestandteil im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 sei auch die Vorschrift des § 9 VStG 1950, wenn ein dieser Vorschrift entsprechender Sachverhalt festgestellt worden sei.

Die im folgenden erwähnten Erkenntnisse sind anderer Ansicht:

Im Erkenntnis vom 11. April 1983, Zl. 82/10/0043, heißt es, die gegenüber § 4 Abs. 1 Z. 32 LMKV 1973 tragende Bestimmung des § 1 Abs. 1 erschöpfe sich ihrem klaren Wortlaut nach in der Normierung eines Gebotes; § 9 VStG 1950 regle ausschließlich die strafrechtliche Verantwortlichkeit für jene Fälle, in denen der unmittelbare Täter - weil keine physische Person - nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Beide Normen könnten demnach nicht Gegenstand einer verwaltungsstrafrechtlich zu ahndenden Verletzung sein. Verletzt würden vielmehr andere Bestimmungen des LMG 1975 in Verbindung mit der LMKV 1973.

Im Erkenntnis vom 12. Februar 1985, Slg. N.F. Nr. 11.667/A, wurde folgender Leitsatz geprägt:

"Lautet der Spruch des Straferkenntnisses, der Beschuldigte habe als Obmann eines näher bezeichneten Vereines zu verantworten, daß während eines bezifferten Zeitraumes auf Rechnung und Gefahr dieses Vereines an einem bestimmten Standort das Druckergewerbe ausgeübt worden sei, ohne daß dieser Verein über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt habe, er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1973 begangen, so verstößt der Spruch dieses Bescheides nicht deshalb gegen § 44a lit. b VStG 1950, weil dessen § 9 nicht ausdrücklich zitiert ist; auch ohne diese Zitierung läßt die Umschreibung der Tat keinen Zweifel daran, daß der Beschuldigte als das nach dieser Gesetzesstelle verantwortliche Organ bestraft wurde."

Das Erkenntnis vom 6. Dezember 1983, Zl. 11/2465/80, führte unter anderem aus, verletzte Verwaltungsvorschrift sei nicht § 9 VStG 1950 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, sondern § 34 Abs. 3 des Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p leg. cit. im Zusammenhalt mit bestimmten Bescheidauflagen.

Das Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0020, betonte ausdrücklich, nach § 44a lit. a VStG 1950 sei eine Bezeichnung jener Merkmale notwendig, auf Grund deren eine Person die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG 1950 treffe. Nicht erforderlich sei jedoch die Zitierung des § 9 leg. cit. Der Verwaltungsgerichtshof hat die nicht einheitlich beantwortete Rechtsfrage nunmehr wie folgt gelöst:

Schon die "eigentümliche Bedeutung der Worte "(§ 6 ABGB) ergibt, daß § 9 VStG 1950 keine verletzte Verwaltungsvorschrift darstellt, weil diese Bestimmung weder etwas gebietet noch etwas verbietet. So hat das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11525/A, unter anderem ausgesprochen, § 44a lit. b VStG 1950 verlange nur die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde. Nach dem Wortlaut des § 44a VStG 1950 komme es weder bei der Umschreibung der Tat nach lit. a noch bei der Zitierung der Verwaltungsvorschrift nach lit. b auf jene Vorschrift an, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erkläre. Der Anordnung des § 44a lit. b VStG 1950 werde daher durch die Anführung derjenigen Norm im Spruch als verletzte Verwaltungsvorschrift entsprochen, unter die die Tat nach § 44a lit. a leg. cit. zu subsumieren sei, ohne daß es der Zitierung der Vorschrift, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt, bedürfte.

Dazu ist zu sagen, daß § 9 VStG 1950 nicht einmal jene Vorschrift ist, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt.

Die von den oben eingangs genannten drei Erkenntnissen vertretene Rechtsansicht wird dort nicht einsehbar begründet:

Das Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Zl. 10/2823/80 sagt, es lasse sich aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht entnehmen, auf Grund welcher Verwaltungs(straf)vorschrift der Beschwerdeführer als "Verantwortlicher" der genannten Kommanditgesellschaft anzusehen gewesen sei. Die - allerdings in Klammer gesetzte - Bezeichnung des § 9 VStG 1950 als Verwaltungsstrafvorschrift erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr nicht mehr vertretbar, sofern unter Verwaltungsstrafvorschrift eine verletzte Verwaltungsvorschrift verstanden wurde. Das Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Zl. 82/10/0090, berief sich auf das letzterwähnte Erkenntnis und brachte über die Notwendigkeit der Zitierung des § 9 VStG 1950 innerhalb des dem § 44a lit. b VStG 1950 entsprechenden Spruchteiles keine eigene Begründung. Schließlich vertrat das Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Zl. 82/10/0101, die Ansicht, die Anführung des § 9 VStG 1950 als "angewendete Vorschrift" sei allerdings auch hier unterblieben. Eine Begründung dafür, warum § 9 VStG 1950 eine verletzte Verwaltungsvorschrift sei, wurde nicht gegeben.

Somit kommt der Verwaltungsgerichtshof zu der Ansicht, § 9 VStG 1950 stelle keine verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 dar.

Da die strafbaren Tatbestände im Juni 1987 verwirklicht wurden, war das Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983 (AMG) in der Stammfassung (und nicht in der Fassung der AMG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 748) anzuwenden (das Zitat AMG bezieht sich in der Folge somit grundsätzlich auf die Stammfassung).

Gemäß § 84 Z. 5 AMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Arzneispezialitäten, die gemäß § 11 der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung im Inland abgibt. Gemäß § 11 Abs. 1 AMG dürfen Arzneispezialitäten, unbeschadet der Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes, im Inland erst abgegeben werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz zugelassen sind.

Gemäß § 83 Z. 6 AMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Arzneimittel entgegen den §§ 57 bis 59 oder 61 oder entgegen einer durch Verordnung gemäß § 59 Abs. 3 oder durch Bescheid gemäß § 59 Abs. 4, § 24 Abs. 2 oder § 88 Abs. 5 festgelegten Abgabebefugnis abgibt. Gemäß § 59 Abs. 1 dürfen Arzneimittel im Kleinverkauf nur in Apotheken abgegeben werden, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt ist.

Die Verantwortung des Beschwerdeführers vor den Verwaltungsstrafbehörden läßt sich, soweit sie das Produkt X betrifft, wie folgt zusammenfassen:

Im Schreiben des Beschwerdeführers vom 21. September 1987, (Aktenseite 14), brachte der Beschwerdeführer vor, das Produkt sei vom Unternehmen "U" als diätetisches Lebensmittel nach § 1 Lebensmittelgesetz 1975 angemeldet worden; ein Zurückweisungsbescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. März 1979, Zl. 2527/78, aufgehoben worden, somit sei das Produkt wieder nach dem Lebensmittelgesetz frei verkäuflich und verkaufsfähig gewesen. Der Beschwerdeführer habe auf die Richtigkeit der höchstgerichtlichen Entscheidung vertraut. In seiner Berufung vom 27. November 1987 brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich ergänzend vor, das Produkt sei vom genannten Unternehmen nach § 17 bzw. § 18 (offenbar des Lebensmittelgesetzes) als Verzehrprodukt angemeldet worden, der Zurückweisungsbescheid des Bundesministers sei wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden. Dies wurde durch die Kopie eines Schreibens des Unternehmens "U" an das Unternehmen "T" am 13. Oktober 1987 bescheinigt. Mit Schriftsatz vom 13. September 1988 an die Berufungsbehörde wies der Beschwerdeführer abermals auf die erfolgte Anmeldung durch das Unternehmen "U" hin.

Aus dem hg. Akt Zl. 2527/78 wurden folgende Feststellungen getroffen:

Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz wies mit Bescheid vom 11. August 1978, Zl. IV-448.395/1-5/78, die Anmeldung der Firma U unter anderem des Produkts "Y" gemäß § 13 AVG 1950 in Verbindung mit § 17 Abs. 5 und § 18 Abs. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) zurück. Mit Erkenntnis vom 20. März 1979 hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In den Entscheidungsgründen hieß es unter anderem:

"Die Beschwerdeführerin ist im Recht. Gemäß dem § 17 Abs. 5 LMG 1975 sind mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung im Sinne des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ermöglichen. Nach der Anordnung des § 18 Abs. 3 LMG 1975 sind mit der Anmeldung Warenmuster und jene Unterlagen vorzulegen, die eine Beurteilung im Sinne des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ermöglichen.

Wie der Gerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 6. Februar 1979, Zl. 965/77, zum § 17 Abs. 4 LMG 1975 ausgesprochen hat, ist Gegenstand der Prüfung durch die Behörde lediglich die Anmeldungserklärung in Verbindung mit der Ware, auf die sich die Anmeldung bezieht. Fehlen die in Ansehung der angemeldeten Produktkategorie vom Gesetz (§ 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 LMG 1975) geforderten Voraussetzungen, so hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz das Inverkehrbringen zu untersagen; dies ohne Rücksicht darauf, ob die Ware gegebenenfalls eine Unterstellung unter eine andere Produktgattung zuläßt.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Anmeldung der im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Waren als diätetisches Lebensmittel (§ 17 LMG 1975) bzw. auch als Verzehrprodukt (§ 18 leg. cit.). Es lagen daher der belangten Behörde in Wahrheit zwei voneinander unabhängige, wenn auch in einem Anbringen abgegebene Anmeldungen zur Prüfung nach den §§ 17 Abs. 4 und 18 Abs. 2 LMG 1975 vor. Der Umstand, daß die Nichtuntersagung nach der einen Bestimmung eine solche nach der anderen logisch ausschließt, macht die beiden vorliegenden Anbringen nicht unbestimmt. Die im Zusammenhang geäußerte Auffassung der belangten Behörde, wonach der Importeur oder Erzeuger festzustellen habe, ob die Kriterien für ein Lebensmittel nach § 2 LMG 1975 oder für ein Verzehrprodukt nach § 3 leg. cit. vorlägen, entspricht nicht dem Gesetz. Darüber zu befinden obliegt vielmehr im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ausschließlich der belangten Behörde. Es erweist sich im Zusammenhang auch die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsmeinung als unzutreffend, wonach durch eine Untersagung dem Parteibegehren in unzulässiger Weise eine Deutung gegeben würde, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden könne. Der belangten Behörde war es vielmehr aufgetragen, die Entscheidungsvoraussetzungen beider Anträge zu prüfen und hierüber zu befinden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes."

Die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsansicht, wenn ein Produkt, wenn auch nach früherer Rechtslage, angemeldet und die Anmeldung nicht rechtskräftig zurückgewiesen worden sei, dann seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine zulässige "Abgabe" im Sinne des § 84 Z. 5 AMG erfüllt, läßt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren. § 11 Abs. 1 AMG stellt vielmehr klar, daß die erlaubte Abgabe im Inland die Zulassung voraussetzt. Der Umstand, daß über eine Anmeldung nicht oder noch nicht entschieden wurde, kann mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Fiktion nicht mit der Zulassung gleichgesetzt werden.

Das Beschwerdevorbringen unter C 1 enthält folgende im Lichte des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige (vgl. die Entscheidungen bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit,

3. Auflage, S 552/2, 3, 4 genannten Entscheidungen) Tatsachenneuerungen:

Der Bundesminister für soziale Verwaltung habe mit Schreiben vom 12. Juli 1971 der Firma "S" bekanntgegeben, daß Weißdornsaft nach den Bestimmungen der Abgrenzungsverordnung, RGBl. Nr. 152/1883, nicht apothekenpflichtig und nach den Bestimmungen der Spezialitätenordnung 1947 nicht registrierungspflichtig sei. Das Produkt "X" sei ein Weißdornbeerenkonzentrat in aromatischem Südwein. In der Weißdornfrucht sei nur ein Bruchteil jenes Wirkstoffes enthalten, der in Blüte und Blatt des Weißdorns enthalten sei. Dieser Bruchteil unterliege aber auch dort (ergänze: in der Frucht) auf Grund der Natur erheblichen Schwankungen. Der Umstand, daß es sich beim Produkt um einen Saft der Weißdornfrucht handle, sei seinerzeit (Schreiben vom 12. Juli 1971) für den Bundesminister für soziale Verwaltung Anlaß gewesen, die Einstufung unter lebensmittelrechtliche Bestimmungen vorzunehmen.

Sofern der Beschwerdeführer unter C 2 dahin argumentiert, auf das Produkt sei § 89 Abs. 1 AMG anzuwenden, geht er von dem als Tatsachenneuerung unbeachtlichen Umstand aus, das Produkt sei nach der Spezialitätenordnung deshalb nicht zulassungspflichtig gewesen, weil der Bundesminister für soziale Verwaltung seinerzeit eine Zulassungspflicht verneint habe.

Demnach vermögen weder die unbeachtlichen Tatumstände aus dem Jahre 1971 noch der Umstand, daß ein Zurückweisungsbescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, den von der belangten Behörde angenommenen Umstand einer Abgabe des Produktes ohne vorherige Zulassung zu entkräften.

Zur Rüge der Unschlüssigkeit der Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde ist folgendes zu sagen:

Die belangte Behörde übernahm die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil. Hinsichtlich des gegenständlichen Produktes sagte sie unter Zugrundelegung des Amtsgutachtens folgendes:

"Der Wirkstoff der Produkte ... 'X' ist Crataegus. In der

medizinischen Fachliteratur sind folgende Indikationen angeführt:

Altersherz, Belastungsherz, Herz des Hypertonikers, leichte Grade der Herzschwäche und Insuffizienz der Herzkranzgefäße. Somit ergibt sich auch in diesem Fall eine eindeutige Beurteilung als Arzneimittel.

Die Zubereitungen der genannten Produkte sind auch in diesen Fällen im voraus in gleicher Zusammensetzung hergestellt, so daß es sich auch hier ebenfalls um Arzneispezialitäten handelt."

Die Beschwerde behauptet, zwischen Blüte und Blatt des Weißdorns einerseits, seinen Früchten andererseits bestünde, was den Wirkstoffgehalt an Crataegus anlangt, ein wesentlicher und hier entscheidender Unterschied. Diese, von einem Sachverständigen zu beurteilende, Frage wurde vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht aufgeworfen.

In Anbetracht der Ausführungen des Amtssachverständigen in den sechs letzten Absätzen seines Schreibens vom 21. September 1988 hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, auf die Klärung der Frage zu drängen, ob den (fehlenden) Angaben über die Konzentration von Weißdorn wesentliche Bedeutung zukommt, dies insbesondere im Lichte des Umstandes, daß der Beschwerdeführer sich zu diesem Gutachten trotz Gewährung des Parteiengehörs nicht geäußert hat. Es wäre im Sinne der im Verwaltungsstrafverfahren bestehenden Mitwirkungspflicht seine Sache gewesen, die nunmehr in der Beschwerde gerügten Ausführungen des Gutachtens schon in diesem Verfahren zu bekämpfen.

In der Anlage der zur Tatzeit und zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Abgrenzungsverordnung vom 8. April 1987, BGBl. Nr. 156, schien Crataegus oder Weißdorn in keiner Zusammensetzung auf, das der Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.

Zu der die verletzte Verwaltungsvorschrift des § 83 Z. 6 AMG betreffenden Rüge, der zuständige Bundesminister hätte hinsichtlich dieser Spezialität eine Verordnung gemäß § 59 (ergänze Abs. 3) AMG erlassen müssen, ist darauf zu verweisen, daß die Nichterlassung einer Verordnung zwar unter Umständen Anlaß zur Erhebung von Amtshaftungsansprüchen oder Ministeranklagen sein kann, daß jedoch eine allfällige diesbezügliche Verletzung von Amtspflichten nicht dazu führen kann, die nicht erlassene Verordnung fiktiv als erlassen anzusehen.

Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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