Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art9;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art9;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1992 bzw. vom 3. Februar 1992 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführer - iranische Staatsangehörige armenischer Nationalität, von denen die Drittbeschwerdeführerin am 8. August 1987, die beiden anderen Beschwerdeführer am 3. September 1987 in das Bundesgebiet eingereist sind - nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes seien.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, in Ansehung des erstgenannten Bescheides von der Erstbeschwerdeführerin (zur hg. Zl. 92/01/0600), in Ansehung des zweitgenannten Bescheides vom Zweitbeschwerdeführer (zur hg. Zl. 92/01/0601) und in Ansehung des drittgenannten Bescheides von der Drittbeschwerdeführerin (zur hg. Zl. 92/01/0602) erhobenen Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen Zusammenhanges die Verbindung dieser Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber erwogen:
Die Erstbeschwerdeführerin hat anläßlich ihrer Erstbefragung im Asylverfahren am 8. September 1987 angegeben, sie und ihre Kinder (der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin) seien wegen ihrer Zugehörigkeit zur armenischen Minderheit und ihres gregorianisch-orthodoxen Glaubensbekenntnisses in ihrer Heimatstadt diskriminiert worden. Ihre Kinder hätten in den Schulen ihre armenische Muttersprache und ihre Religion nicht lernen dürfen. In der Schule hätten Mitschüler des Zweitbeschwerdeführers versucht, ihn zum Übertritt zum Islam zu überreden. Weil sie nicht dem Islam angehört hätten, seien sie von ihren Nachbarn gemieden worden. Aus diesen Gründen wolle sie mit ihren Kindern in Österreich leben und gelegentlich ihren Gatten im Iran besuchen.
In ihrer Berufung hat die Erstbeschwerdeführerin weiters ausgeführt, sie habe den Eindruck gewonnen, daß die Behörden im Iran neben dem Islam keine andere Religion dulden würden. Durch die Islamisierung der Gesellschaft sei den religiösen Minderheiten im Iran jegliche Entfaltungsmöglichkeit entzogen. Die Drittbeschwerdeführerin sei, als sie erst 12 Jahre alt gewesen sei, auf dem Schulweg von den Pasdaran dazu angehalten worden, eine sogenannte "Kurzehe" mit einem von ihnen einzugehen. Dem Zweitbeschwerdeführer sei verboten worden, in der Schule die Bibel bzw. armenische Bücher zu lesen. Die Bücher seien beschlagnahmt und ihm für den Fall der Wiederholung die Verweisung von der Schule angedroht worden. Aus demselben Grund habe er eine Vorladung von der Armee der islamischen Revolutionsgardisten (Pasdaran) zum Zweck seiner Vernehmung vor dem Zentralstab für den 25. Mai 1987 erhalten, in der ihm für den Fall der Nichtbefolgung angedroht worden sei, es werde mit ihm "nach den entsprechenden Grundsätzen verfahren werden". Dies würde Verhaftung und Einkerkerung bedeuten.
Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin schlossen sich im wesentlichen den Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin an.
Die belangte Behörde hat sich in den großteils miteinander übereinstimmenden Begründungen der angefochtenen Bescheide insbesondere mit der allgemeinen Lage der armenischen Christen im Iran auseinandergesetzt und ist zusammenfassend zum Ergebnis gelangt, daß die Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft zwar wegen dieser Zugehörigkeit Beeinträchtigungen in ihrem Heimatland ausgesetzt seien, es sich aber hiebei um asylrechtlich unbeachtliche Diskriminierungen handle, welche sowohl für sich (allein) als auch in einer Gesamtschau mangels Intensität des Verfolgungseingriffes nicht den Tatbestand einer Verfolgung erfüllen könnten. Die entsprechenden Feststellungen wurden von der belangten Behörde zum Teil auf Grund näher bezeichneter, in der Bundesrepublik Deutschland in Asylsachen ergangener Entscheidungen aus dem Jahre 1989 und weiters auf eine Auskunft des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom 13. November 1990 sowie auf Erklärungen "des armenischen Erzbischofs gegenüber einem Vertreter der Botschaft" getroffen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Beschwerdeführer ist jedenfalls - ungeachtet der von ihnen aufgeworfenen Frage, ob bzw. inwieweit aus ausländischen Entscheidungen, denen gegenüber der belangten Behörde keine Bindungswirkung zukam, unmittelbar Feststellungen getroffen werden durften - insofern berechtigt, als die genannten, von der belangten Behörde herangezogenen (und im übrigen in den vorgelegten Verwaltungsakten gar nicht erliegenden) Entscheidungsgrundlagen den Beschwerdeführern nicht vorgehalten wurden und ihnen demnach keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Auch machen die Beschwerdeführer zu Recht geltend, daß die belangte Behörde bloß die darauf beruhenden Ausführungen allgemeiner Natur ihren Angaben über behauptete Verfolgungshandlungen entgegengehalten hat, ohne auf ihr eigenes Vorbringen genügend einzugehen. Diese Verfahrensmängel sind aber nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei ihrer Vermeidung zu keinem anderen, für die Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können.
Die von der belangten Behörde erwähnte (den ausländischen Entscheidungen unter Hinweis auf Art. 13 der Verfassung der Islamischen Republik Iran entnommene) Tatsache, daß auch für "die christliche Religion" im Iran Religionsfreiheit bestehe, bedeutet - wie die Beschwerdeführer an sich richtig erkannt haben - noch nicht, daß vom Asylwerber behauptete Verfolgungshandlungen widerlegt wären, weil es nicht auf die Verfassungsrechtslage in einem Staat, sondern auf die konkrete Situation des Asylwerbers ankommt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0306). Sicherlich kann die allgemeine Lage im Heimatland des Asylwerbers auch Rückschlüsse auf seine konkrete Situation zulassen und daher bei der Beurteilung der Frage, ob von ihm das Vorliegen wohlbegründeter Furcht, aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe verfolgt zu werden, glaubhaft gemacht wurde, von Bedeutung sein. In diesem Sinne versuchen auch die Beschwerdeführer, für ihren Standpunkt etwas zu gewinnen. Wenn sie sich aber auf die Feststellung der belangten Behörde beziehen, es bestünden im Iran gravierende Diskriminierungen armenischer Christen in beruflicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und Christen seien im Bereich des täglichen Lebens der Willkür lokaler, staatlicher und religiöser Institutionen ausgesetzt, gegen die sie sich schwer zur Wehr setzen könnten, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß dies zwar für die (von der belangten Behörde auch nicht bestrittene) Richtigkeit ihrer Angaben spricht, damit aber noch nicht deren Eignung, einen tauglichen Asylgrund abzugeben, dargetan wird. Dies gilt auch hinsichtlich der (von den Beschwerdeführern ebenfalls ins Treffen geführten) Feststellung der belangten Behörde, daß im Iran im Bereich des Schulwesens insofern Einschränkungen gegeben seien, als ausschließlich islamisch ausgerichtete Lehrpläne, von moslemischen Theologen verfaßte Schulbücher und ausschließlich die persische Sprache verwendet würden und der Unterricht in armenischer Sprache auf zwei Stunden pro Woche beschränkt sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten auch religiösen Minderheit allein keinen Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling dar (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 30. Mai 1990, Zl. 90/01/0086, und vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146). Die Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert werden, treffen alle Angehörigen dieser Minderheit in gleichem Maße und reichen für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0052). Die - insbesondere unter Bezugnahme auf Art. 9 MRK - von den Beschwerdeführern vertretene Ansicht, es seien die festgestellten Diskriminierungen als schwere Verstöße gegen die Menschenrechte zu werten, ist nicht zielführend, weil - entsprechend der im Ergebnis zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide - die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang konkret behaupteten Maßnahmen nicht eine solche Intensität erreicht haben, daß von einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gesprochen werden kann.
Was die Erstbeschwerdeführerin anlangt, so hat sie im Verwaltungsverfahren nicht einmal konkret gegen sie selbst gerichtete Verfolgungshandlungen behauptet, zumal sich ihre Ausführungen, soweit sie sich auch auf ihre Person bezogen haben, überwiegend im allgemeinen hielten und - was auch für die anderen Beschwerdeführer zutrifft - hinsichtlich ihrer Angaben, von ihren Nachbarn gemieden worden zu sein, kein Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, daß dieser Umstand staatlichen Stellen ihres Heimatlandes zuzurechnen gewesen wäre. Nachteile, auf die sie sich in Ansehung ihrer beiden Kinder berufen hat, konnten bei Beurteilung der Frage, ob die Erstbeschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt, keine Berücksichtigung finden (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1985, Zl. 85/01/0052, und vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0230). Dazu kommt - wie die belangte Behörde in der Begründung des die Erstbeschwerdeführerin betreffenden angefochtenen Bescheides zusätzlich bemerkt hat -, daß ihre zum Ausdruck gebrachte Absicht, gelegentlich zu Besuchszwecken in den Iran reisen zu wollen, damit, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention außerhalb ihres Heimatlandes befinde, nicht in Einklang zu bringen ist.
Wie gesagt, erreichten die in Ansehung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin konkret behaupteten, den schulischen Bereich betreffenden Maßnahmen nicht die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderliche Intensität. Eine Behauptung, daß ihnen unter Androhung entsprechender, eine Verfolgung darstellender Maßnahmen verwehrt worden sei, außerhalb des schulischen Bereiches ihre armenische Muttersprache zu erlernen und zu pflegen sowie einen christlichen Religionsunterricht zu erhalten, wurde nicht aufgestellt. Auch allfällige Zurechtweisungen des Zweitbeschwerdeführers, die in das Verbot des Lesens der Bibel bzw. armenischer Bücher in der Schule, die Beschlagnahme der Bücher und die Androhung der Verweisung von der Schule im Wiederholungsfall gemündet hätten, hinderten ihn demnach nicht an der häuslichen Lektüre solcher Bücher und rechtfertigten noch nicht die Annahme, daß aus diesem Grunde ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen wäre. Zu der von der Erstbeschwerdeführerin mit Eingabe vom 13. Oktober 1989 vorgelegten amtlichen Vorladung ihres Sohnes für den 25. Mai 1987, aus der hervorgeht, daß der Zweitbeschwerdeführer die ihm in diesem Zusammenhang mehrmals erteilten Verwarnungen mißachtet habe, ist zu sagen, daß auch aus einer polizeilichen Vorladung allein noch nicht der Schluß gezogen werden kann, der Vorgeladene unterliege behördlicher Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0140). Aus dem Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers ergibt sich nicht, ob er dieser Vorladung Folge geleistet hat oder nicht; jedenfalls hat er hinsichtlich keines dieser beiden Fälle vorgebracht, daß ihm daraus tatsächlich Nachteile entstanden wären, dies auch nicht aus einer allfälligen Nichtbefolgung der Vorladung, obwohl er nach seinen Angaben über den Fluchtweg erst am 20. Juli 1987 den Iran (in die Türkei reisend) verlassen hat. Daß schließlich den Zweitbeschwerdeführer Mitschüler zum Übertritt zum Islam zu überreden versucht hätten, stellt schon deshalb keinen Asylgrund dar, weil seinem Vorbringen nicht entnommen werden kann, daß seine offenbare Weigerung, diesem Ansinnen nachzukommen, irgendwelche Folgen seitens der staatlichen Behörden seines Heimatlandes nach sich gezogen hätte.
Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin ist nur noch die Behauptung offen, sie sei, obwohl sie damals erst 12 Jahre alt gewesen sei, auf dem Weg zur Schule von Pasdaran aufgefordert worden, eine sogenannte "Kurzehe" mit einem von ihnen einzugehen. Daß dies - was auch immer darunter zu verstehen ist - auf Konventionsgründe zurückzuführen gewesen sei, wurde von ihr aber nicht hinreichend dargetan.
Da sich somit die Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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