VwGH 87/12/0085

VwGH87/12/008518.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftührers Dr. Haid, über die Beschwerde des NN in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 1987, Zl. 124 604/2-II/2/87, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §95 Abs2 impl;
StGB §83 Abs1;
StPO §259 Z4;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §95 Abs2 impl;
StGB §83 Abs1;
StPO §259 Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand seit 1. Mai 1983 als Inspektor in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war die Sicherheitswacheabteilung n1 in Wien.

Im Jahr 1985 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Strafantrag von der Staatsanwaltschaft B u.a. wegen des Verdachtes gestellt, er habe am 9. Juni 1985 gegen 1.00 Uhr in der Diskothek XY in R an einer Schlägerei tätlich teilgenommen, wodurch dritte Personen verletzt worden seien. Nach Durchführung einer Hauptverhandlung wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes B vom 26. November 1986 vom Verdacht hiedurch das Vergehen nach § 83 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO im wesentlichen mit der Begründung freigesprochen, es habe nicht festgestellt werden können, wer (mit Ausnahme eines hier nicht interessierenden Falles) von den Beschuldigten den Betroffenen die festgestellten Verletzungen zugefügt hätte.

Auf Grund einer weiteren Anzeige wurde der Beschwerdeführer zunächst mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes B vom 12. August 1986 schuldig erkannt, er habe am 26. Juli 1986 in R (gleichfalls in der oben genannten Diskothek) vorsätzlich L. durch Versetzen eines Schlages mit einem leeren Bierglas in das Gesicht am Körper leicht verletzt, wodurch dieser "an der Oberlippe eine halbzentimeterlange Rißquetschwunde, an der Nase mehrere oberflächliche Schürfwunden, im Halsbereich und an der linken Doraxseite Kratzwunden und eine Schwellung des rechten Sternokolargelenkes erlitten" habe; der Beschwerdeführer habe hiedurch das Vergehen der vorsätzlichen leichten Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 20 Tagsätzen verhängt wurde. Auf Grund eines Einspruches des Beschwerdeführers trat diese Strafverfügung außer Kraft. Laut Protokoll- und Urteilsvermerk des Bezirksgerichtes E vom 24. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführer von dieser Tat gemäß § 259 Z. 4 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat freigesprochen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe dem Privatbeteiligten L. S 7.000,-- zu bezahlen.

In dem dem angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verwaltungsverfahren wurden dem Beschwerdeführer von der Dienstbehörde erster Instanz in Wahrung des Parteiengehörs diese beiden Vorfälle vorgehalten und ihm mitgeteilt, die Dienstbehörde beabsichtige, ihn zu kündigen. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin seinen Austritt, zog diese Erklärung jedoch vor Beendigung des Dienstverhältnisses zurück.

 

Mit Bescheid vom 20. Februar 1987 kündigte die Bundespolizeidirektion Wien das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit Ablauf des Monates Mai 1987 gemäß § 10 Abs. 2 und Abs. 4 Z. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979). Begründend führte die Dienstbehörde erster Instanz im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 26. Juli 1986 gegen 1.30 Uhr in der Diskothek "XY" in R außer Dienst und in Zivilkleidung einem Gast ein Bierglas ins Gesicht geschlagen und ihn dadurch verletzt. Wegen dieses Vorfalls sei der Beschwerdeführer wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zur Anzeige gebracht und zunächst mit Strafverfügung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Auf Grund eines Einspruches habe das gerichtliche Strafverfahren mit einem Freispruch (nach § 259 Z. 4 StPO) des Beschwerdeführers geendet, er habe jedoch dem Privatbeteiligten einen Betrag von S 7.000,-- zu bezahlen gehabt. Unbeschadet des Freispruches habe die Dienstbehörde darauf Bedacht nehmen müssen, daß eine solche Tathandlung mit dem Charakterbild eines Sicherheitswachebeamten unvereinbar sei. Erschwerend habe gewertet werden müssen, daß der Beschwerdeführer am 9. Juni 1985 an einem Raufhandel tätig teilgenommen habe und nur im Zweifel nach § 259 Z. 3 StPO freigesprochen worden sei. Das pflichtwidrige außerdienstliche Verhalten des Beschwerdeführers lasse den Schluß zu, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben nicht mehr gewährleitet und seine persönliche Eignung für den Exekutivdienst auf Grund der mangelnden Pflichtauffassung, Gewissenhaftigkeit und Charakterfestigkeit nicht gegeben sei. Auf Grund diese Vorfälle könne nicht ausgeschlossen werden, daß beim Beschwerdeführer ein Hang zur Gewalttätigkeit bestehe, der für den Beruf eines Polizeibeamten nicht tragbar sei. Aus diesem Grund habe dem Beschwerdeführer die persönliche Eignung als Sicherheitswachebeamter abgesprochen und seine Kündigung veranlaßt werden müssen. Die Voraussetzungen für die Auflösung des provisorischen Dienstverhältnisses wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des § 10 BDG 1979 seien gegeben.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der von der Dienstbehörde angezogene Kündigungsgrund liege nicht vor. Wegen des Vorfalls vom 26. Juli 1986 sei er nach § 259 Z. 4 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat vom Gericht freigesprochen worden. Der Beschwerdeführer neige nicht zur Gewalttätigkeit, da es vorher noch nie zu Vorfällen dieser Art gekommen sei. Es sei daher verfehlt, wenn die Dienstbehörde durch das einmalige außerdienstliche Verhalten vom 26. Juli 1986 den Kündigungsgrund nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 als verwirklicht sehe, zumal der Beschwerdeführer im Dienst nie ein pflichtwidriges Verhalten gesetzt habe. Außerdem habe es sich bei diesem Verhalten um eine Abwehrreaktion gegen den mit einem Glas in der Hand vor ihm stehenden L. gehandelt, weil er auf Grund dessen Verhalten Anlaß gehabt habe, sich bedroht zu fühlen. Auf Grund seiner Abwehrhandlung habe er das Bierglas getroffen, das L. in der Hand gehalten habe. Er beantrage die Vernehmung (namentlich genannter) Arbeitskollegen vom Wachzimmer DN sowie seine Einvernahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. März 1987 wies die belangte Behörde ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses verfolge nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst in körperlicher, geistiger wie charakterlicher Beziehung zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprächen, die an einen Beamten im allgemeinen sowie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen worden sei, gestellt werden müßten. Demnach sei es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führten, eine längere oder kürzere Zeit zurücklägen oder ob ein Grund oder mehrere Gründe vorlägen. Denn die Dienstbehörde habe nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines provisorischen Beamten sein gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Das Bezirksgericht E habe mit Urteil vom 26. November 1986 festgestellt, daß es in der Nacht zum 9. Juni 1985 in der Diskothek "XY" in R zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen sieben Beschuldigten untereinander und zwischen dem Beschuldigten einerseits und einem Zeugen andererseits gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei einer der Beschuldigten gewesen. Diese tätliche Auseinandersetzung sei in eine Rauferei ausgeartet, die sich in mehreren Phasen abgespielt habe. Soweit es festgestellt werden konnte, sei der Zeuge verletzt worden. Wer ihm diese Verletzung zugefügt habe, habe nicht zweifelsfrei festgestellt werden können. Es habe auch nicht festgestellt werden können, ob sämtliche Beschuldigte auf ihn eingeschlagen hätten und insbesondere mit welcher Intensität sie an dieser tätlichen Auseinandersetzung beteiligt gewesen seien. Der Beschuldigte P. sei im Zuge einer Phase der damals stattgefundenen Rauferei an der Nase verletzt worden. Außerdem habe er eine Rißquetschwunde im Bereich des Scheitelbeines erlitten. Was den Nasenbeinbruch von P. betreffe, so habe festgestellt werden können, daß K. der Täter gewesen sei. Es habe aber nicht festgestellt werden können, wer von den Beschuldigten in der Folge auf P. eingeschlagen bzw. ihm derart heftige Fußtritte versetzt habe, sodaß er zwei Platzwunden am Kopf erlitten habe, die dann genäht hätten werden müssen. Der Beschwerdeführer sei daher von der Anklage, er hätte andere Personen am Körper verletzt, gemäß § 259 Z. 3 StPO im Zweifel freigesprochen worden.

Die belangte Behörde nehme auf Grund des oben dargestellten Sachverhaltes als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer an dieser Rauferei teilgenommen habe.

Das Bezirksgericht E habe weiters im Protokoll- und Urteilsvermerk vom 24. Oktober 1986 festgestellt, daß der Beschwerdeführer von der Anklage, er hätte am 26. Juli 1986 in R in der gleichen Diskothek vorsätzlich L. durch Versetzen eines Schlages mit einem leeren Bierglas in das Gesicht am Körper leicht verletzt, gemäß § 259 Z. 4 StPO wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat freigesprochen werde. Gemäß § 369 StPO habe der Beschwerdeführer jedoch dem Privatbeteiligten L. den Betrag von S 7.000,-- an Schmerzengeld zu bezahlen gehabt.

Die belangte Behörde nehme es daher als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 26. Juli 1986 L. in einer Diskothek mit einem Bierglas einen Schlag ins Gesicht versetzt und ihn verletzt habe. Die Tat sei für das Gericht bloß nicht strafwürdig gewesen.

Der Beschwerdeführer habe bei seinem für einen Sicherheitswachebeamten charakterlich nicht einwandfreie Verhalten am 9. Juni 1985 und am 26. Juli 1986 in seiner Heimatgemeinde nicht darauf Bedacht genommen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe, und sich daher pflichtwidrig im Sinn des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verhalten. Die belangte Behörde glaube dem Beschwerdeführer, daß er während seiner Dienstzeit noch nie dienstlich beanstandet worden sei. Aus diesem Grund sei von seiner Vernehmung und der Vernehmung der von ihm namhaft gemachten Sicherheitswachebeamten Abstand genommen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 2 BDG 1979 kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung gemäß § 10 Abs. 3 BDG 1979 nur mit Angabe des Grundes möglich. Einen Kündigungsgrund stellt nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 pflichtwidriges Verhalten dar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlich-rechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise sieben zu können, daß alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, daß von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Denn gerade im gegenständlichen Zusammenhang muß davon ausgegangen werden, daß durchaus auch die einmalige Tat eines Beamten - ungeachtet eines späteren dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwerwiegend sein kann, daß durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1983, Zl. 82/12/0149, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes gegen den Vorfall aus dem Jahr 1986 vor, er habe dadurch keine Tat gesetzt, die die Annahme eines pflichtwidrigen Verhalten rechtfertige. Ein in diesem Zusammenhang erfolgter Freispruch nach § 259 Z. 4 StPO habe von ihm nicht angefochten werden können. Freisprüchen komme darüber hinaus keine Bindungswirkung zu. Aus dem Strafakt gehe hervor, daß der angeblich verletzte L. unmittelbar vor dem Vorfall äußerst aggressiv gewesen sei und dem St. ein Bierglas ins Gesicht schlagen habe wollen. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, L. habe dem Beschwerdeführer das Bierglas ins Gesicht schlagen wollen, gewinne dadurch an Glaubwürdigkeit. Der Zuspruch von S 7.000,-- an L. sei auf Grund eines Anerkenntnisses des Beschwerdeführers erfolgt, weil er vorhergesehen habe, daß die Durchsetzung seiner Rechtsposition auf mögliche Beweisschwierigkeiten gestoßen wäre. In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde hätte zur Beurteilung des Vorfalles aus 1986 auch die Aussagen der Zeugen und die Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung heranziehen müssen.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß ein Freispruch nach § 259 Z. 4 StPO (in der Fassung vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 605) (demnach wird der Angeklagte durch Urteil des Gerichtshofes von der Anklage freigesprochen, wenn der Gerichtshof erkennt, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen) von ihm im strafgerichtlichen Verfahren nicht bekämpfbar war (vgl. z.B. OGH 28. Februar 1980, 13 Os 16/80 = Richterzeitung 1980 E 41, 177 ff sowie BERTEL, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts, 2. Auflage, Rz 812) und daß diese Entscheidung im Verdachtsbereich erfolgte d.h. ein Vorgehen nach § 42 Abs. 1 StGB nicht den Nachweis des objektiven und subjektiven Tatbestandes des betreffenden Deliktes voraussetzt.

Dies hindert allerdings die Dienstbehörde nicht, ein derartiges Verhalten, das zu einem Freispruch nach § 259 Z. 4 StPO geführt hat, selbständig dahingehend zu beurteilen, ob darin ein pflichtwidriges Verhalten im Sinn des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 liegt oder nicht, sind doch die mit dem Strafrecht erfolgten Zielsetzungen andere als die mit der Kündigung eines Dienstverhältnisses nach dem Dienstrecht. Die Dienstbehörde kann dabei in ihrem Verfahren auf das strafgerichtliche Verfahren (einschließlich jener Ermittlungen, die zu dessen Einleitung geführt haben) zurückgreifen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers läßt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zwingend entnehmen, daß die belangte Behörde von einer Bindungswirkung des auf § 259 Z. 4 StPO gestützten Freispruches in bezug auf die Tatsachenfeststellungen (Vorfall vom 26. Juli 1986) ausgegangen ist. Vielmehr sind die Ausführungen der belangten Behörde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes so zu verstehen, daß sie auf Grund der diesem strafgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Ermittlungen es als erwiesen angenommen hat, daß der Beschwerdeführer L. am 26. Juli 1986 in einer Diskothek mit einem Bierglas einen Schlag ins Gesicht versetzt und ihn dadurch verletzt habe. In diesem Sinn ist der Bezug auf den bezirksgerichtlichen Urteils- und Protokollvermerk auszulegen.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß die belangte Behörde nicht ausdrücklich auf sein im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen eingegangen ist, bei seinem Verhalten habe es sich um eine Abwehrreaktion gegen den mit einem Glas in der Hand vor ihm stehenden L. gehandelt und er habe auf Grund des Verhaltens des L. Anlaß gehabt, sich bedroht zu fühlen. Die Behörde hat aber im angefochtenen Bescheid den Umstand ausdrücklich hervorgehoben, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 369 StPO zur Leistung einer Entschädigung an den geschädigten L. verpflichtet worden sei. Unbestritten ist, daß die Zuerkennung dieser Entschädigung vom Beschwerdeführer nicht bekämpft wurde. Damit hat die belangte Behörde hinreichend zu erkennen gegeben, daß sie vor dem Hintergrund dieser Tatsache (die im übrigen auch schon vor der Dienstbehörde erster Instanz hervorgehoben worden war) das Vorbringen des Beschwerdeführers, das auf das Vorliegen einer Notwehrsituation abzielte, für unglaubwürdig halte. Dies kann im Beschwerdefall - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht als unschlüssig abgetan werden. Dazu kommt, daß nach der der Anzeige der Bundespolizei R angeschlossenen Niederschrift mit dem Beschwerdeführer dieser in seiner am 29. Juli 1986 erfolgten Einvernahme als Verdächtiger folgendes angegeben hat:

"Da ich befürchtete, daß der Bursche (Anmerkung: L.) auf mich einschlägt, entriß ich ihm das Bierglas aus der Hand und schlug ihn mit diesem in das Gesicht, worauf das Glas zerbrach."

Aus diesem vom Beschwerdeführer selbst bald nach dem Vorfall gemachten Angaben als Verdächtiger (im Vorfeld eines drohenden strafgerichtlichen Verfahrens) geht klar hervor, daß - auch wenn man von der vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohungssituation ausgeht - mit dem Entreißen des Glases aus der Hand des Gegners die Bedrohungssituation beendet war und kein Anlaß mehr bestand, L. das Bierglas in das Gesicht zu schlagen. Die erst später (nämlich im Kündigungsverfahren) erfolgte Deutung des Vorfalls als Abwehrreaktion findet in dieser Aussage keinerlei Bestätigung.

Schon bei bloßer Berücksichtigung dieses Vorfalls aus 1986 durfte aber die belangte Behörde unbedenklich davon ausgehen, daß die Lösung des provisorischen Dienstverhältnisses nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 gerechtfertigt war; denn es liegt auf der Hand, daß dieser Vorfall eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung darstellt. Zweifellos ist davon auszugehen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung von dienstlichen Aufgaben (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) gerade eines Wachebeamten, dessen vornehmlichster Tätigkeitsbereich in der Verhinderung von strafbaren Handlungen besteht, nicht erhalten bleibt, wenn dieser selbst jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den Gesetzen berufen ist, auf die Weise, wie es im Beschwerdefall geschehen ist, bewußt verletzt. Das aggressive Vorgehen des Beschwerdeführers bei diesem Vorfall stellt damit - ungeachtet seines sonstigen dienstlichen Verhaltens - einen Kündigungsgrund dar, sodaß auf die Frage, ob auch der Vorfall aus dem Jahr 1985 als Kündigungsgrund im Beschwerdefall (allenfalls in Verbindung mit dem Vorfall aus 1986) in Betracht zu ziehen war, und das sich darauf beziehende Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen war.

Da die belangte Behörde ohne Vorliegen entscheidender Verfahrensfehler im angefochtenen Bescheid zu Recht das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers durch Kündigung beendete, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der nach ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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