VwGH 90/17/0313

VwGH90/17/031320.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Ing. G Gesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 7. Mai 1990, Zl. 23 5705/29-V/13/90, betreffend Parteistellung im Verfahren nach § 14 Abs. 7 des Beteiligungsfondsgesetzes sowie Wiederaufnahme eines Verfahrens (mitbeteiligte Partei: B-AG in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BeteiligungsfondsG 1982 §14 Abs7;
BeteiligungsfondsG 1982 §4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1 impl;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BeteiligungsfondsG 1982 §14 Abs7;
BeteiligungsfondsG 1982 §4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren nach § 14 Abs. 7 des Beteiligungsfondsgesetzes zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf den hg. Beschluß vom 9. Februar 1990, Zl. 89/17/0243, verwiesen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, gegenüber der Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid wurde "der Antrag vom 7. November 1989 auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren nach § 14 Abs. 7 Beteiligungsfondsgesetz, BGBl. Nr. 111/1982 idgF, betreffend die Aufgabe der Beteiligung an der Ing. G Ges.m.b.H., T, sowie der mit demselben Datum gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 69

Abs. 1 lit. a und b 1 c .... gemäß § 8 AVG, BGBl. Nr. 172/1950

idgF, zurückgewiesen." In der Begründung dieses Bescheides heißt es nach Darstellung des Sachverhaltes sinngemäß im wesentlichen, der Beschwerdeführerin komme in dem die mitbeteiligte Partei betreffenden Verfahren zur Bewilligung der Aufgabe der Beteiligung an der Beschwerdeführerin wegen Änderung der Geschäftsgrundlage gemäß § 14 Abs. 7 Beteiligungsfondsgesetz (in der Folge kurz: BFG) keine Parteistellung zu; dies deswegen, weil die Beschwerdeführerin im Sinne der zitierten Rechtsvorschriften nicht "vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt" sei. Normadressaten des gesellschaftsrechtliche Vorschriften beinhaltenden ersten Hauptstückes des BFG seien nämlich nur Banken und nicht Dritte. Daher befänden sich auch jene Unternehmen, an denen eine Bank eine Beteiligung, in welcher zivilrechtlichen Form auch immer, nach freier Wahl und ohne Zutun der Behörde eingehen könne, in keinem wie immer gearteten rechtlichen Verhältnis zur Behörde. Das von der Beschwerdeführerin behauptete Interesse sei kein rechtliches, sondern ein bloß wirtschaftliches und vermittle daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Parteistellung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem durch § 8 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 7 BFG gewährleisteten Recht auf Teilnahme am Bewilligungsverfahren als Partei, des daraus erfließenden Rechtes auf Zustellung des Bewilligungsbescheides, auf Erlassung antragsbedürftiger Verwaltungsakte bloß auf Antrag, auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, auf meritorische Erledigung ihrer Anträge und in ihrem Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift beantragt, den angefochtenen Bescheid nicht aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. ZUR ZURÜCKWEISUNG DES ANTRAGES AUF ZUERKENNUNG DER

PARTEISTELLUNG IM VERFAHREN NACH § 14 ABS. 7 BFG:

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, daß die belangte Behörde den nach seinem Wortlaut bloß auf Zustellung des gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassenen Bewilligungsbescheides abzielenden Antrag der Beschwerdeführerin angesichts der von ihr in diesem Schriftsatz selbst angeschnittenen und auch in der Tat entscheidenden Rechtsfrage nach ihrer Parteistellung umfassend als Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung verstanden und dann in dieser Angelegenheit eine Erledigung getroffen hat; wird doch selbst in der Beschwerde nicht bestritten, daß die Zustellung des gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassenen Bewilligungsbescheides an die Beschwerdeführerin von nichts anderem als von deren Parteistellung in diesem Bewilligungsverfahren abhing. Auch die Formulierung im hg. Beschluß vom 9. Februar 1990, daß die Frage des Mitspracherechtes zunächst durch die in Betracht kommende Behörde entschieden werden müsse, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Bescheidzustellung, schließt eine schon bei der Parteistellung ansetzende und also umfassende Erledigung eines formal bloß auf Bescheidzustellung gerichteten Antrages nicht aus.

Der im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit dem Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren nach § 14 Abs. 7 BFG verwendete Ausdruck "zurückgewiesen" anstatt "abgewiesen" stellt angesichts der dem Bescheid beigegebenen Begründung, die die Absicht der belangten Behörde, eine materiell-rechtliche Entscheidung über die Parteistellung der Beschwerdeführerin zu treffen, erkennen läßt, eine bloße Fehlbezeichnung dar, deretwegen der angefochtene Bescheid nicht als mit der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet erscheint.

Die belangte Behörde hat aber die Parteistellung der Beschwerdeführerin in dem die mitbeteiligte Partei betreffenden Bewilligungsverfahren aus folgenden Gründen zu Unrecht verneint:

Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. u.a. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 23. April 1987, Zl. 86/08/0122, und das dort zitierte Vorerkenntnis). Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren genießt somit derjenige, dem die in diesem Verfahren anzuwendenden Verwaltungsvorschriften Berechtigungen einräumen oder Verpflichtungen auferlegen, dessen Rechtsstellung also vom Verfahren abhängig ist (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 273).

Die im Beschwerdefall maßgebende Vorschrift des § 14 Abs. 7 BFG hat folgenden Wortlaut:

"(7) Beteiligungen an Unternehmen sind bei der Erstveranlagung für mindestens 10 Jahre einzugehen (Bindungsfrist). Die Aufgabe von Beteiligungen vor Ablauf der Bindungsfrist bedarf der Bewilligung des Bundesministers für Finanzen. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn ein wichtiger Grund zur Beendigung des Beteiligungsverhältnisses vorliegt. Als wichtige Gründen gelten insbesondere die wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage gegenüber dem Zeitpunkt des Eingehens der Beteiligung, die nachhaltige Ertragslosigkeit des Beteiligungsunternehmens sowie die wiederholte Nichtbeachtung der gemäß Abs. 3 eingeräumten Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte".

Die eben im Wortlaut wiedergegebene Gesetzesstelle ermächtigt zwar den Bundesminister für Finanzen unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen keineswegs dazu, ein zwischen Privaten bestehendes Beteiligungsverhältnis SELBST aufzuheben, der Bewilligung kommt aber insofern eine unmittelbare Wirkung für das Beteiligungsverhältnis zu, als der Inhaber der Bewilligung dadurch ermächtigt ist, SEINERSEITS alle erforderlichen Schritte zu setzen, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der gesetzlichen Bindungsfrist führen können.

Ziel des Beteiligungsfondgesetzes ist es, den österreichischen Wirtschaftsunternehmen neues Eigenkapital zuzuführen (985 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP). Dabei soll der Unternehmer mit einer Mindestbeteiligungsdauer rechnen können. Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang im § 14 Abs. 7 BFG von einer Bindungsfrist. Um den Unternehmer nicht der Willkür der Beteiligungsfondsgesellschaft auszusetzen, sieht der zweite Satz des § 14 Abs. 7 leg. cit. vor, daß die Aufgabe von Beteiligungen vor Ablauf der Bindungsfrist der Bewilligung des Bundesministers für Finanzen bedarf; der Unternehmer ist Gegenstand der Schutzregelung. Während die Beteiligungsfondsgesellschaft durch die Beendigung des Beteiligungsverhältnisses die Interessen der Genußscheininhaber (§ 4 BFG) wahrzunehmen hat, werden die Interessen des Unternehmers durch den zur Bewilligung der vorzeitigen Aufgabe von Beteiligungen berufenen Bundesminister für Finanzen wahrgenommen. Im Falle der wirksamen Erteilung der Bewilligung fällt dieser Schutz vor einer vorzeitigen privatrechtsförmigen Beendigung des Beteiligungsverhältnisses durch die Beteiligungsfondsgesellschaft weg.

Bei Prüfung der Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführerin an Hand der eben wiedergegebenen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung des Regelungszweckes Parteistellung zukommt oder nicht, ist von folgenden durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen auszugehen:

Enthalten die Verwaltungsvorschriften über die Parteistellung keine ausdrückliche Regelung, so kann allein daraus nicht auf den Ausschluß der Parteistellung geschlossen werden. In solchen Fällen ist vielmehr im Wege der Auslegung zu prüfen, ob durch die maßgebenden Rechtsvorschriften nur eine Rechtspflicht für die Behörde oder auch ein subjektiver Anspruch (und damit eine Parteistellung) für die betroffene Person begründet wird. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es wesentlich auf den Zweck der Norm an, sodaß hier vor allem die teleologische Interpretation eine Rolle spielt. Als Partei ist jedenfalls derjenige anzusehen, dessen Rechtssphäre durch die zu treffende Maßnahme unmittelbar berührt (gestaltet) wird. Durch ein bloß wirtschaftliches Interesse wird keine Parteistellung begründet. Ist für die Festlegung einer Norm das Interesse einer Person an der Erfüllung einer behördlichen Pflicht - und damit das Interesse an der gesetzmäßigen Wahrnehmung einer konkreten behördlichen Aufgabe - maßgebend, dann ist angesichts dieser ratio legis anzunehmen, daß die Norm ein subjektives Recht gewährt, es sei denn, daß der Gesetzgeber ausdrücklich anderes bestimmt (vgl. hiezu Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S 383 f). Parteistellung kann selbst dann gegeben sein, wenn die durch die Sache berührte Rechtssphäre eine privatrechtliche ist; dies setzt aber voraus, daß der Verwaltungsbehörde die Wahrung von Privatrechten aufgetragen ist. Voraussetzung für die Begründung einer Parteistellung auf Grund Berührung der Privatrechtssphäre ist, daß das anzuwendende Gesetz selbst eine Verbindung zu dieser herstellt. Wenn auch ein bloß wirtschaftliches Interesse keine Parteistellung begründet, kann die Rechtsordnung dadurch, daß sie einem solchen Interesse "Schutz" verleiht, die Parteistellung vermitteln; dient eine Norm - zumindest auch - dem Schutz der Interessen einzelner Bürger (deren Individualinteresse), so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Gesetz nicht nur "Reflexwirkungen", sondern auch ein subjektives Recht begründet. Die Teilnahme am Verwaltungsverfahren gibt der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme (vgl. Antoniolli-Koja, a.a.O. S 271 ff).

Unter Berücksichtigung der eben dargelegten Grundsätze hat die belangte Behörde zu Unrecht die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneint und damit den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

II. ZUR ZURÜCKWEISUNG DES ANTRAGES DER BESCHWERDEFÜHRERIN

AUF WIEDERAUFNAHME DES MIT ERLASSUNG DES BEWILLIGUNGSBESCHEIDES

GEGENÜBER DER MITBETEILIGTEN PARTEI ABGESCHLOSSENEN VERFAHRENS:

Aus den Ausführungen zu Punkt I. ist ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin in dem die mitbeteiligte Partei betreffenden Bewilligungsverfahren gemäß § 14 Abs. 7 BFG Parteistellung hatte, ihr aber von der belangten Behörde bisher keine Ausfertigung dieses Bewilligungsbescheides zugestellt worden ist. Die Beschwerdeführerin ist damit übergangene Partei, der gegenüber dieser Bewilligungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist; damit fehlt es aber an einer Grundvoraussetzung für die von der Beschwerdeführerin beantragte Wiederaufnahme des Bewilligungsverfahrens. Die Entscheidung der belangten Behörde ist daher in diesem Punkt ungeachtet des Fehlens einer Begründung hiefür im Ergebnis nicht rechtswidrig.

Aus diesen Erwägungen mußte der angefochtene Bescheid in dem im Punkt I. umschriebenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden; im übrigen (siehe Punkt II.) mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Aufwandersatz für die der Beschwerde angeschlossene Vollmacht war wegen Verwendung derselben schon in dem zur hg. Zl. 89/17/0243 protokollierten Beschwerdeverfahren nicht zuzusprechen.

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