VwGH 90/09/0148

VwGH90/09/014817.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der Justine A gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Juli 1990, Zl. OB 117-222.888-005, betreffend Versorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (Neubemessung der Beschädigtenrente), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §8;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §48a Abs2;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §90;
VwGG §34 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §8;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §48a Abs2;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §90;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist die Witwe nach dem am 9. April 1990 verstorbenen Josef A. Dieser war auf Grund des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 5. Juni 1967 wegen der als Dienstbeschädigungen anerkannten Gesundheitsschädigungen

  1. 1. Verlust des linken Auges
  2. 2. totaler Gesichtsverlust beiderseits
  3. 3. kleinste, kaum sichtbare Splitternarben im Gesicht, reizlos ohne Entstellung und Funktionsstörungen
  4. 4. unwesentliche Weichteildefekte an beiden Großzehen und geringe kapillare Durchblutungsstörungen an beiden Vorfüßen

    im Bezug einer Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 % gestanden. Josef A hat bereits mehrfach Verschlimmerungsanträge gestellt, wurde damit jedoch jeweils abgewiesen, zuletzt mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 1987. Seine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. März 1988, Zl. 87/09/0224, als unbegründet abgewiesen.

Am 17. August 1988 stellte Josef A neuerlich einen Antrag auf Erhöhung seiner Beschädigtenrente wegen Verschlimmerung der anerkannten Dienstbeschädigung. Dieser Antrag wurde nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen T mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) vom 20. April 1989 gemäß den §§ 4, 7, 8, 11 und 52 Abs. 2 KOVG 1957 abgewiesen, weil weder medizinisch noch berufskundlich in den maßgebenden Verhältnissen eine Änderung eingetreten war.

In seiner gegen diesen Bescheid des LIA erhobenen Berufung machte Josef A erneut geltend, daß bei ihm auf Grund der Durchblutungsstörungen an beiden Vorfüßen eine beträchtliche Verschlechterung eingetreten sei. Es bestehe eine deutliche Bewegungseinschränkung bzw. eine deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren weitere Gutachten der ärztlichen Sachverständigen S (Augenheilkunde) und R (Chirurgie) ein, aus denen sich jedoch die von Josef A behauptete Verschlimmerung nicht ergab. In seiner Stellungnahme zu diesen Ermittlungsergebnissen vom 2. Februar 1990 verwies Josef A auf Befunde des Krankenhauses Eisenstadt und auf seine im Militärdienst erlittenen Erfrierungen an beiden Füßen, durch welche der jetzige Leidenszustand maßgeblich beeinflußt worden sei. Dazu holte die belangte Behörde ein Ergänzungsgutachten Dris. R ein, welcher nach Prüfung der vorgelegten Befunde zu dem Ergebnis kam, daß sich eine Änderung der im Gutachten getroffenen Feststellungen nicht ergebe. Eine Stellungnahme dazu seitens des sodann am 9. April 1990 verstorbenen Josef A ist bei der belangten Behörde nicht eingelangt.

Mit Antrag vom 15. Mai 1990 schloß sich die Beschwerdeführerin als Witwe nach Josef A gemäß § 48a KOVG 1957 dem noch anhängigen Berufungsverfahren an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. Juli 1990 gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 48a KOVG 1957 statt, gab jedoch der Berufung keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den Bescheid des LIA.

Begründend führte die belangte Behörde zum Antrag des verstorbenen Anspruchswerbers nach einer kurzen Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten in medizinischer Hinsicht aus, daß aus augenfachärztlicher Sicht keine maßgebliche Befundänderung eingetreten sei. Aus der Sicht des chirurgischen Sachverständigen habe eine deutliche Verschlechterung der Durchblutungssituation beider Beine mit durchaus glaubhafter und objektivierbarer Symptomatik bestanden, dabei habe es sich jedoch um das Fortschreiten der arteriosklerotisch bedingten Durchblutungsstörungen gehandelt, die mit der Dienstbeschädigung in keinem kausalen Zusammenhang stünden. Bei der Arteriosklerose handle es sich um eine schicksalhafte Systemerkrankung, die mit den Kälteschäden an beiden Füßen in keinem ursächlichen Zusammenhang gestanden sei. Der zuletzt vorgelegene Leidenszustand sei nicht durch die Kälteschädigung beeinflußt worden, sondern durch das Stadium der Verschlußkrankheit. Die maßgeblichen Veränderungen seien nämlich weit abseits der lokalen Kälteschädigung gelegen gewesen. Bei der sachverständigen Beurteilung seien sämtliche im Akt aufliegenden und von Josef A beigebrachten Gutachten berücksichtigt worden. Insbesondere aus dem Röntgenbefund des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt vom 7. Dezember 1989 werde eindeutig der Charakter der Systemerkrankung belegt. Die Veränderungen hätten bereits im Bereich der Bauchaorta begonnen, und die für die schlechte Durchblutungssituation verantwortlichen Gefäßverengungen seien im Bereich der Becken- und Oberschenkelgefäße gelegen gewesen. Die gemäß § 3 der Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, zusammengefaßte Einschätzung des Gesamtleidenszustandes des Josef A sei wie bisher mit 50 % MdE zutreffend erfolgt. Die Gutachten der Sachverständigen seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde gelegt worden. Da im erhobenen Befund gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für eine Neubemessung der Grundrente gemäß den §§ 7, 8 und 52 KOVG 1957 nicht gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Sie erachtet sich als unterhaltsberechtigte Witwe nach Josef A in ihrem Recht auf richtige Anwendung der einschlägigen Bestimmungen und auf eine entsprechend höhere Einschätzung der kausalen MdE ihres verstorbenen Gatten verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Ist beim Tode des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten das Versorgungsverfahren noch nicht abgeschlossen, so sind zur Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 48a Abs. 2 KOVG 1957 nacheinander der Ehegatte, die leiblichen Kinder, die Wahlkinder, die Stiefkinder, der Vater, die Mutter, die Geschwister berechtigt, alle diese Personen jedoch nur, wenn sie gegenüber dem Anspruchsberechtigten zur Zeit seines Todes unterhaltspflichtig oder unterhaltsberechtigt waren oder mit ihm zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Sind solche Personen nicht vorhanden, so sind die Rechtsnachfolger des Verstorbenen zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt.

Im Beschwerdefall besteht nach der Aktenlage kein Zweifel daran, daß die Beschwerdeführerin zur Fortsetzung des im Zeitpunkt des Todes des Josef A noch anhängigen Berufungsverfahrens berechtigt war. Sie ist daher als Partei in dieses Verfahren eingetreten und gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG auch zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Verletzung subjektiver Rechte legitimiert.

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, daß der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 90 KOVG 1957 geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ergebnis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden. Dieselben Voraussetzungen erfordert eine dem Gesetz entsprechende Beurteilung der Frage, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebliche Veränderung eingetreten ist, die gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 eine Neubemessung einer bereits zuerkannten Rente rechtfertigen könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof kann die Auffassung der Beschwerde nicht teilen, daß das im Beschwerdefall von den Versorgungsbehörden durchgeführte Ermittlungsverfahren diesen gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprochen hätte. Wie bereits bei der Behandlung des dem nunmehrigen vorangegangenen Verschlimmerungsantrages des Josef A (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1988, Zl. 87/09/0224) haben auch die im nunmehrigen Verfahren eingeholten Gutachten unter Berücksichtigung der von Josef A vorgelegten medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis geführt, daß die Durchblutungsstörungen an beiden Füßen nicht als kausale Folge der im Wehrdienst erlittenen Erfrierungen anzusehen waren. Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung die vom Anspruchswerber nicht auf der gleichen Ebene widerlegten Sachverständigengutachten zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle nicht als unschlüssig zu erkennen. Im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt es auch, daß bei genügend geklärtem Sachverhalt weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt zu werden brauchen. Der Umstand allein, daß der Sachverständige Dris. R in seinem Ergänzungsgutachten von seiner bereits zuvor vertretenen Ansicht nicht abgegangen ist, machte ein weiteres Gutachten noch nicht erforderlich.

Es trifft auch das Beschwerdevorbringen nicht zu, der Sachverständige Dr. R sei auf die Frage der Wahrscheinlichkeit eines kausalen Zurückgehens der Durchblutungsstörungen des Josef A auf die im Krieg erlittenen Erfrierungen nicht mit ausreichender Begründung eingegangen. Der Sachverständige hat vielmehr, wie dies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben hat, mit der erforderlichen Ausführlichkeit dargetan, aus welchen Überlegungen er zu dem Ergebnis gelangt ist, daß diese Durchblutungsstörungen eine Folge des schicksalhaften arteriosklerotischen Leidens des Josef A gewesen sind.

Da die belangte Behörde somit auch im vorliegenden Verfahrens zutreffend davon ausgehen konnte, daß die Durchblutungsstörungen an den Beingefäßen des Josef A nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Dienstbeschädigung zurückzuführen sind, erweist sich der angefochtene Bescheid als nicht mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

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