VwGH 90/05/0190

VwGH90/05/01904.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 1. März 1990, Zl. MDR-B XIX-50-53/89, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: N-Gesellschaft m.b.H.), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1295 Abs2;
AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §83;
BauRallg;
ForstG 1975 §17;
GaragenG Wr 1957 §3 Abs5;
GaragenG Wr 1957 §36;
GaragenG Wr 1957 §6 Abs1;
GaragenG Wr 1957 §6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WrDiplKonv Art3;
ABGB §1295 Abs2;
AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §83;
BauRallg;
ForstG 1975 §17;
GaragenG Wr 1957 §3 Abs5;
GaragenG Wr 1957 §36;
GaragenG Wr 1957 §6 Abs1;
GaragenG Wr 1957 §6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WrDiplKonv Art3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 28. Juni 1988 ersuchte die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei beim Wiener Magistrat um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit insgesamt neun Wohnungen und einer Tiefgarage auf den Grundstücken nn/3 und nn/13, KG X.

Zu der für 12. September 1988 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden Nachbarn, darunter die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der östlich angrenzenden Liegenschaft, unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen. Bei dieser Verhandlung erhob eine Nachbarin eine Reihe von Einwendungen; insbesondere beanstandete sie den nicht ortsüblichen Baustil, das zu große Autoaufkommen, die Zufahrt zwischen den Villen, die zu knapp bei einer Kreuzung gelegen sei, eine Gesundheitsgefährdung durch die Abgase, die Verletzung von Abstandsvorschriften, eine gegebene Entwertung, eine unzulässige Baumfällung sowie eine zu geringe Zahl von Stellplätzen. Die Beschwerdeführerin schloß sich diesen Einwendungen an und brachte zusätzlich erhebliche Sicherheitsbedenken wegen der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere wegen der Bauhöhe, der Anzahl der Wohnungen und des geringen Abstandes des Gebäudes von ihrer Liegenschaft vor. Sie hielt die Errichtung einer haushohen Mauer für erforderlich. Zu dem Vorbringen der Nachbarn nahm der bautechnische Amtssachverständige der Verhandlungsschrift zufolge nicht Stellung, jedoch erachtete er das Bauvorhaben offensichtlich als zulässig, denn in einer Beilage zur Verhandlungsschrift wurde eine Reihe von Auflagen vorgesehen.

In der Folge wurden amtsinterne Stellungnahmen zur Frage der einzuhaltenden Abstände nach der Darstellung im maßgeblichen Plandokument sowie eine gutächtliche Stellungnahme der Magistratsabteilung 19, der Architekturabteilung des Wiener Magistrats, eingeholt. Am 9. März 1989 fand unter Leitung des Bezirksvorstehers ein informelles Gespräch mit dem Ziel einer Einigung der widersprechenden Interessen statt. Der mit der Planung betraute Architekt erklärte sodann in einer Stellungnahme vom 5. April 1989, daß mangels Einigung mit den Anrainern eine Baubewilligung für das Bauvorhaben in der derzeit eingereichten Form angestrebt werde. Der Bezirksvorsteher teilte daraufhin mit einem Schreiben vom 7. April 1989 dem Magistrat mit, daß sein Vermittlungsversuch keine Kompromißlösung erbracht habe und die Einigungsversuche fehlgeschlagen seien. Weitere Ermittlungen erfolgten der Aktenlage nach nicht. (Nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurden die Baupläne nach der Bauverhandlung geändert.)

Mit Bescheid vom 5. Juli 1989 erteilte der Wiener Magistrat die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Näher bezeichnete Einwendungen der Nachbarn wurden zum Teil als unbegründet abgewiesen, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen und zum Teil auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Einwand hinsichtlich der Garagenzufahrt in der Abstandsfläche als im Gesetz nicht begründet abzuweisen gewesen sei, da aus § 79 Abs. 6 der Bauordnung für Wien (BO) schlüssig hervorgehe, daß Zufahrten und Rampen im unbedingt notwendigen Ausmaß auch in der Abstandsfläche zulässig seien. Der Einwand hinsichtlich der zu geringen Anzahl von Kfz-Stellplätzen sei als im Gesetz nicht begründet abzuweisen, da nach der Durchführungsverordnung zum Wiener Garagengesetz für je 1,5 Wohneinheiten ein Stellplatz zu schaffen sei. Bei neun Wohnungen und zehn Stellplätzen würden daher zusätzlich zur erforderlichen Mindestanzahl von sechs Stellplätzen noch vier weitere Stellplätze geschaffen. Der Einwand, daß die Liegenschaftseinfahrt näher als 5 m zur Kreuzung liege, sei als im Gesetz nicht begründet abzuweisen, da gemäß § 10 Abs. 2 BO (richtig: des Wiener Garagengesetzes) wohl ein Mindestabstand von 5 m je Einbindung in öffentliche Verkehrsflächen zu Kreuzungen vorgesehen sei, dieser Abstand jedoch als Abstand des Tores zum nächstliegenden Schnittpunkt oder Tangentenschnittpunkt der an den Verkehrsflächen gelegenen Liegenschaftsgrenzen definiert sei. Ein derartiger Schnittpunkt im erwähnten Umkreis des Tores könne jedoch nicht erkannt werden. Die Einwendungen über die zulässige Gebäudehöhe seien als nicht begründet abzuweisen. Unter Zugrundelegung des § 81 Abs. 2 BO werde die maximal zulässige Gebäudehöhe von 7,50 m nach den unbedenklichen Einreichunterlagen nicht überschritten. Bemerkt werde, daß nach Abhaltung der Bauverhandlung die Pläne noch insofern geändert worden seien, als das Gebäude durch Absenken des Geländes um 15 cm tiefer gesetzt und die Dachkrümmung geringfügig geändert worden sei, wodurch sich die Gebäudehöhe von ursprünglich 7,47 m auf 7,45 m reduziert habe. Die alleinige Betrachtung einer einzelnen Gebäudefront sei ebenso wie die Anzahl der Geschoße für die Beurteilung der Gebäudehöhe (nach der hier maßgeblichen Rechtslage) nicht ausschlaggebend. Zu den Einwendungen betreffend schönheitliche Rücksichten verwies die Baubehörde erster Instanz darauf, daß dem Nachbarn diesbezüglich ein Mitspracherecht nicht zustehe und das Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 19 die Zulässigkeit des Bauvorhabens ergeben habe. Zu Einwendungen betreffend Baumfällungen wurde bemerkt, daß hier nicht das Wiener Baumschutzgesetz, sondern das Forstgesetz anzuwenden sei, und die Baubewilligung nur im Falle der Erteilung einer Rodungsbewilligung konsumiert werden könne. Abschließend wurde zu den Einwendungen betreffend die Einhaltung von Abständen, die behauptete Sicherheitsgefährdung sowie bezüglich Entwertung Stellung genommen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung beanstandete die Beschwerdeführerin zunächst, sie habe zur Begutachtung durch die Magistratsabteilung 19 nicht Stellung nehmen können. Nach durchgeführten Berechnungen seien sowohl die bebaubare Fläche als auch die maximale Gebäudehöhe, wenn auch geringfügig, überschritten. In den Einwendungen vor der Behörde erster Instanz sei u.a. die Gesundheitsgefährdung durch Abgase geltend gemacht worden, eine Berechnung der durch insgesamt zehn Stellplätze zu erwartenden Verkehrsbewegungen sei ebensowenig erfolgt wie die Überprüfung einer allenfalls daraus resultierenden Gesundheitsgefährdung. Nach weiteren Ausführungen vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß die Erteilung einer Baubewilligung vor Vorliegen der erforderlichen Rodungsbewilligung nicht zulässig sei.

Ohne Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wies die Bauoberbehörde für Wien mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin sowie die Berufungen weiterer Nachbarn als unbegründet ab. In Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides wurden Einwendungen über die zu geringe Anzahl von Stellplätzen, die Liegenschaftseinfahrt in einem Kreuzungsbereich, das Unterbleiben der Zusammenlegung zweier Liegenschaften und die Überschreitung der maximal zulässigen Gebäudehöhe durch fünf Etagen als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, daß das Vorbringen betreffend die Rodungsbewilligung insofern ins Leere gehe, als eine allenfalls erforderliche Rodungsbewilligung nicht unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung sei. Allerdings werde die Bauwerberin von der ihr erteilten Baubewilligung nur Gebrauch machen können, wenn sie zusätzlich zu dieser auch die möglicherweise notwendige Rodungsbewilligung erwirke. Es sei darauf hinzuweisen, daß sich eine auf eine Rodungsbewilligung stützende Einwendung als Einwendung eines fremden Rechtsbereiches, für den die Baubehörde nicht zuständig sei, erweise. Die von der Bauwerberin erstellte nachvollziehbare Berechnung der zulässigen Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO lasse erkennen, daß die höchstzulässige Gebäudehöhe von 7,50 m nicht überschritten werde. Die Einwendung, daß die verbaute Fläche zu groß sei, erweise sich als präkludiert, weil eine diesbezügliche Einwendung im erstinstanzlichen Verfahren nicht rechtzeitig vorgebracht worden sei. Unter Anführung der maßgeblichen Rechtsvorschriften wurde im übrigen in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargetan, daß eine solche Überschreitung nicht gegeben sei. Aus Vorschriften über die Beachtung des Ortsbildes, des Stadtbildes und des Straßenbildes würden keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erwachsen, die Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 sei aber nur zu Fragen des örtlichen Stadtbildes abgegeben worden. Soweit die Beschwerdeführerin nunmehr in ihrer Berufung eine Gesundheitsgefährdung durch Abgase geltend mache, sei sie mit dieser Einwendung präkludiert, habe sie doch derartiges im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nicht rechtzeitig vorgebracht. Ungeachtet dessen könne jedoch auf Grund der der angerufenen Behörde auch aus anderen Baubewilligungsverfahren gewonnenen Erfahrungen ausgesagt werden, daß die Schaffung von zehn Stellplätzen in einem Wohnhaus nicht zu einer beachtenswerten Immissionsbelastung der Nachbarn führe. Eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit des bestehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes stehe der Bauoberbehörde nicht zu.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 24. September 1990, B 536/90-9, jedoch ablehnte, im übrigen aber die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In ihrer Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Wahrung der in der Bauordnung für Wien begründeten subjektiv-öffentlichen Rechte als Anrainer und Partei, insbesondere auf Prüfung und Vermeidung gesundheitsgefährdender Immissionen durch Abgase und auf Unterlassung einer Bauführung verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Soweit die mitbeteiligte Partei beantragt, die Beschwerde deshalb zurückzuweisen, weil die Beschwerdeführerin nach deutschem Recht durch die Botschaft nicht vertreten werden könne, vermag der Verwaltungsgerichtshof sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Der von der Mitbeteiligten herangezogene

Artikel 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl. Nr. 66/1966, bedeutet keine Beschränkung des Vertretungsrechtes im Sinne des Vorbringens der Mitbeteiligten, vielmehr ist durch die Beiziehung der Botschaft als Vertreterin der Beschwerdeführerin im durchgeführten Verwaltungsverfahren keine maßgebliche Rechtsverletzung erfolgt, zumal der für die Beschwerdeführerin letztlich einschreitende Rechtsanwalt jedenfalls als ausreichend zur Vertretung legitimiert anzusehen ist. Die Mitbeteiligte dürfte darüber hinaus übersehen, daß, wäre ihre Rechtsansicht richtig, die Beschwerdeführerin als übergangene Partei des durchgeführten Baubewilligungsverfahrens zu beurteilen wäre, sodaß mit ihr ein neues Verfahren durchgeführt werden müßte, was eine Verschlechterung ihrer Rechtslage mit sich brächte. Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, daß die im Verwaltungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin eine zulässige Beschwerde erhoben hat.

Inhaltlich macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die Erteilung einer Baubewilligung vor Einholung einer rechtskräftigen Rodungsbewilligung nicht zulässig scheine, da die Grundfläche als Wald im Sinne des Forstgesetzes "anderweitig genutzt" werde.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß eine Bestimmung, die eine Anordnung im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin enthält, für den Bereich des Wiener Landesrechtes nicht besteht. Da in die österreichische Bundesverfassung der Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" keinen Eingang gefunden hat, kann das Fehlen einer allenfalls nach den Bestimmungen des Forstgesetzes erforderlichen Rodungsbewilligung nicht bedeuten, daß die Baubehörde die von der Beschwerdeführerin angestrebte Baubewilligung erst hätte erteilen dürfen, bis eine rechtskräftige Rodungsbewilligung vorliegt. Ist allerdings eine Rodungsbewilligung erforderlich und liegt eine solche nicht vor, so ist schon im Hinblick auf die forstrechtlichen Bestimmungen eine Verwirklichung des Bauvorhabens nicht zulässig, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargetan hat (Über das Verhältnis von Baurecht und Forstrecht vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1976, Slg. N.F. Nr. 9190/A). Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet die Beschwerdeführerin zunächst, daß nach dem angefochtenen Bescheid für das Bauprojekt zehn Garagenplätze sowie weitere Stellplätze im Freien vorgesehen seien. Da nach dem bewilligten Bauplan nur Stellplätze in der Garage vorgesehen sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, weshalb die Beschwerdeführerin annimmt, daß weitere Stellplätze im Freien vorgesehen seien. Auch im angefochtenen Bescheid findet sich, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt.

Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, daß sie in ihrer Berufung eine Gesundheitsgefährdung durch Abgase geltend gemacht habe. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides meine, daß in der Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz eine solche Einwendung nicht erhoben worden sei, so sei darauf hinzuweisen, daß bei der Bauverhandlung ausdrücklich eine Gesundheitsgefährdung durch Abgase Gegenstand der Einwendungen gewesen sei. Das Unterbleiben der Prüfung einer Gesundheitsgefährdung durch Abgase durch eine doch hohe Zahl von Stellplätzen und die daraus resultierenden zahlreichen Verkehrsbewegungen durch einen Gutachter stelle somit einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar. Von der Baubehörde im angefochtenen Bescheid angestellte Vermutungen, die Schaffung von Stellplätzen werde nicht zu einer beachtenswerten Immissionsbelastung der Nachbarn führen, seien unzulässig. Diese Frage könne nur von einem Fachgutachter entschieden werden.

Im angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde zu dem Vorbringen betreffend eine Gesundheitsgefährdung durch Abgase die Auffassung, mit dieser Einwendung sei die Beschwerdeführerin präkludiert, weil sie derartiges im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nicht rechtzeitig "dargetan" habe. Mit dieser Auffassung unterliegt die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, weil, wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt und in der Sachverhaltsdarstellung aufgezeigt worden ist, eine derartige Einwendung rechtzeitig anläßlich der Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz erhoben worden ist. In ihrer Gegenschrift nimmt die belangte Behörde zur Frage der Präklusion nicht Stellung, doch meint sie, daß die Einholung eines Gutachtens nicht erforderlich gewesen sei, weil es auf Grund der Einreichunterlagen (Situierung der Stellplätze und dgl.) keinen Anhaltspunkt dafür gebe, weshalb durch die vier (zu den sechs Pflichtstellplätzen) zusätzlich geschaffenen Stellplätze eine Gesundheitsgefährdung für die Nachbarschaft gegeben sein soll. Vielmehr müsse es geradezu als offenkundig angesehen werden - sofern nicht besondere Umstände vorliegen, welche aber im gegenständlichen Fall nicht gegeben seien -, daß eine Gesundheitsgefährdung durch Abgase bei Schaffung von vier zusätzlichen (freiwillig errichteten) Stellplätzen nicht eintreten könne. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/05/0184, aus dem ersehen werden könne, daß im Falle der Offenkundigkeit bei der Lösung von Fachfragen die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich sei.

Zunächst zeigt der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Lageplan, daß die Zufahrt zur Tiefgarage entlang den Grundflächen der Beschwerdeführerin eine Länge von über 50 m aufweist, wobei auch eine Rampe vorgesehen ist. Es handelt sich also bei der Zufahrt zu der Tiefgarage nicht um eine Zufahrt unmittelbar von der öffentlichen Verkehrsfläche, sondern um eine relativ lange Zufahrt auf dem Bauplatz der Mitbeteiligten. Bei einer solchen Situation kann nicht schlechthin davon ausgegangen werden, daß eine Beeinträchtigung der unmittelbar angrenzenden Nachbarn nicht in Betracht kommt, wie die belangte Behörde behauptet. Bei einer solchen Zufahrt kann die Ansicht, eine Beeinträchtigung der Nachbarn sei auszuschließen, nicht als eine offenkundige Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG beurteilt werden. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/05/0184 (BauSlg. Nr. 1197), kann sich die belangte Behörde schon deshalb nicht zu Recht berufen, weil der Verwaltungsgerichtshof damals als offenkundig im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG 1950 annahm, daß zur Errichtung von Einfriedungsmauern von einer Höhe von 2,50 m bzw. 4 m ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, weil bei nicht sachgemäßer Herstellung Einsturzgefahr und sohin eine Gefährdung von Personen und Sachen gegeben sein kann. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Vielmehr bestimmt § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes ganz allgemein, daß jede Anlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen so beschaffen sein muß, daß eine Gefährdung ihrer Benützer, der Bewohner derselben Liegenschaft oder der Nachbarn durch giftige Gase oder Dämpfe, durch Brand oder durch Explosion sowie eine das nach der festgesetzten Widmung zulässige Ausmaß übersteigende Belästigung der Bewohner derselben Liegenschaft oder der Nachbarn durch Lärm, üblen Geruch oder Erschütterung nicht zu erwarten ist. Daß aus dieser Vorschrift Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht erwächst, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. November 1972, Slg. N.F. Nr. 8317/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß die Errichtung von Garagen in einem Wohnhaus, wie sie im Falle der Baubewilligung für dieses Wohnhaus gemäß § 36 des Wiener Garagengesetzes Pflicht gewesen wäre, nach § 6 leg. cit. nicht unzulässig sein kann, sofern nicht besondere Voraussetzungen gegeben sind (vgl. etwa schon das Erkenntnis vom 18. Oktober 1960, Slg. N.F. Nr. 5389/A). Da es im Beschwerdefall nicht nur um Pflichtstellplätze geht und eine eher ungewöhnlich lange Zufahrt von der öffentlichen Verkehrsfläche gegeben ist, kann nicht schlechthin davon ausgegangen werden, daß keine Immissionswirkung auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin zu erwarten ist. Darüber hinaus kann nach § 3 Abs. 5 des Wiener Garagengesetzes aus Anlaß einer behördlichen Bewilligung eine Vorschreibung von Auflagen erforderlich sein, um die Einhaltung des § 6 Abs. 1 zu gewährleisten.

Wenn die Mitbeteiligte darauf hinweist, daß schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung das Verkehrsaufkommen von höchstens zehn Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist, ins Gewicht fallende oder gar gesundheitsgefährdende Immissionen zu verursachen, so vermag sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Ansicht ganz allgemein nicht anzuschließen. Dies gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Liegenschaft an einer Straße mit großem Verkehrsaufkommen liegt, weil gerade der lange Zufahrtsweg zur Tiefgarage Immissionen zur Folge haben kann, welche angesichts der gegebenen geringen Entfernungen einer eigenen Bewertung bedürfen. Tatsächlich wurde aber zu dieser Frage weder im erstinstanzlichen noch im zweitinstanzlichen Verfahren Stellung genommen, weil, wie schon erwähnt, die Berufungsbehörde von der Annahme einer Präklusion ausging. Daß aber allfällige zusätzliche Emissionen lediglich mit einem geringfügigen Nachteil verbunden seien, wie die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift ausführt, sodaß ihre Geltendmachung einem Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 1295 Abs. 2 ABGB gleich käme, kann im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 1 des Garagengesetzes ohne Ermittlungsverfahren nicht angenommen werden. Auch auf Grund des Vorbringens der Mitbeteiligten kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, daß im Beschwerdefall die Beiziehung von Sachverständigen entbehrlich gewesen wäre.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf verweist, daß ihr auch Personen angehören, die Sachverständige auf den Gebieten des Bauwesens und des Gesundheitswesens sind und deren Mitwirkung sicherstelle, daß die Aussage, durch die Schaffung von zehn Stellplätzen im bewilligten Wohnhaus komme es nicht zu einer beachtenswerten Immissionsbelastung für Nachbarn, auch zutreffe, so kann damit ein fehlendes Ermittlungsverfahren nicht ersetzt werden. Die aus den §§ 37 und 39 AVG ableitbaren Grundsätze der Amtswegigkeit und der materiellen Erforschung der Wahrheit bedeuten nämlich, daß im Ermittlungsverfahren in Anwendung des § 52 Abs. 1 AVG erforderliche Beweisaufnahmen durch Sachverständige vorgenommen werden, wobei deren Gutachten den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG nicht nur zur Kenntnis zu bringen sind, sondern ihnen auch die Möglichkeit einzuräumen ist, zu diesen Gutachten in angemessener Frist Stellung zu nehmen. Gerade dies hat die belangte Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens unterlassen, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich die ihrer Meinung nach erforderliche Ergänzung des Ermittlungsverfahrens auf Grund ihrer Einwendungen behauptet hat. Tatsächlich ist ja die belangte Behörde in dieser Beziehung von einer Präklusion der Beschwerdeführerin ausgegangen, die aber, wie dargetan, nicht gegeben ist. Im Hinblick auf diese Begründung des angefochtenen Bescheides ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß die belangte Behörde zur Frage der Präklusion einen rechtsirrigen Standpunkt eingenommen hat, was das Vorliegen einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bedeutet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Zu den weiteren Ausführungen in der Beschwerde ist zu bemerken, daß eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin nicht dadurch eingetreten ist, daß ihr weder die ergänzende Stellungnahme der Magistratsabteilung 19 noch jene des Bezirksvorstehers zur Kenntnis gebracht worden ist, weil ihre verfahrensrechtliche Position nicht weiter geht als ihre materiellen Rechte reichen. In Fragen des Ortsbildes besitzt aber ein Nachbar nach § 134 Abs. 3 BO kein subjektiv-öffentliches Recht, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa die bei Geuder-Hauer, Das Wiener Baurecht, 3. Auflage, S. 500, wiedergegebenen Entscheidungen). Aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin durch die Stellungnahme des Bezirksvorstehers in ihren Rechten beeinträchtigt werden könnte, hat sie in ihrer Beschwerde nicht dargetan, und dies ist aus der hier gegebenen Rechtslage auch nicht begründbar.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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